Ein Dreieck nimmt Platz - Max-Bill-Platz

4. 十二月 2007

Max-Bill-Platz
Zürich-Oerlikon
2006

Bauherr

Stadt Zürich
Credit Suisse Asset Management
Eberhard Projekte
UBS Fund Management Switzerland

Freiraumgestaltung
Haerle Hubacher Architekten
Zürich
(Gesamtleitung)

Schweingruber Zulauf Landschaftsarchitekten
Zürich

Zschokke Gloor Landschaftsarchitekten
Rapperswil

Lichtkonzept
D'lite Lichtdesign
Zürich

Baukosten
3,8 Mio CHF

Das Bodenmuster des Max-Bill-Platzes in Zürich-Oerlikon fordert vor allem die Jugend zum Spiel heraus.

Fotos: Stefan Walter

Einst bloss eine Restfläche

Die Herausforderung war, dass die Form, der Name und die Funktion des Max-Bill-Platzes bereits vorgedacht waren. Der Platz liegt auf öffentlichem Privatgrund und ist Teil von Neu-Oerlikon, dem neuen Stadtquartier, das sich seit 1988 rasant vom Industriequartier zum Wohn- und Dienstleistungsquartier wandelt und beinahe fertig gebaut ist. Der Platz beruht wie alles im Stadtteil auf Plänen, die auf den alten Ordnungsstrukturen der einstigen Industriebauten basieren. Seine dreieckige Form ist eine Restfläche. Diese entsteht durch die Wohn- und Geschäftshäuser ‹Max Bill› und ‹Accu›, die rechtwinklig zueinanderstehen, sowie durch die breite und laute Binzmühlestrasse. Auch an dieser Situation gabs nicht zu rütteln: Den offenen Platzstreifen entlang dieser Strasse mussten die Gestalter für ein künftiges Tram freihalten. Die Dreiecksform brachte die Gestalter auf die Idee, diese Geometrie weiterzudenken und auf den Musterteppich zu übertragen. Sie ordneten die Dreiecke und die daraus zusammengesetzten Rhomben in verschiedenen Grautönen so an, dass eine räumliche Wirkung entsteht. «Die  Dreifarbigkeit des Plattenmusters lässt sich auf ein Grundmuster der Platonischen und Euklidischen Geometrie zurückführen», sagt Christoph Haerle. Dieses rautenähnliche Muster gibt es nicht nur in Oerlikon zu bewundern, sondern auch in der ‹Casa del Fauno› in der antiken Stadt Pompeji, und es wurde später in der Renais-sance gefeiert, als die Künstler die Perspektive entdeckten. Der Max-Bill-Platz bringt einen also direkt in die abendländische Kultur. Sein Bodenmuster ist so ganz anders als alles, was man sonst in diesem Quartier mit den vielen coolen Neubauten zu sehen bekommt, und es erinnert fast eher an einen Boden in einer Renaissance-Kirche, als an einen neuen Stadtteil in Zürich.

Die Dreifarbigkeit der Bodenplatten lässt ein räumliches Muster entstehen, das an die klassische Geometrie erinnert.

Waldföhren kontrastieren Geometrie

Im Gegensatz zum strengen Muster sind die Bäume frei gesetzt. «Ein Vergleich, der uns beim Entwurf des Platzes geholfen hat, ist jener mit dem Wohnen», sagt Raphael Gloor: «Der Boden ist der Teppich, die Bäume die Lampen und Möbel, die frei darauf stehen.» Weitere Bäume stehen entlang der Binzmühlestrasse und schreiben den öffentlichen Raum weiter. Während im nahen Oerlikerpark – ebenfalls von Schweingruber Zulauf und Haerle Hubacher geplant – junge Eschen gepflanzt wurden, die mit dem Quartier wachsen (HP 12/01), sind die Waldföhren auf dem Max-Bill-Platz bis zu 20 Jahre alt. «Föhren sind knorrige, bizzare Bäume. Es war uns wichtig, für diesen Platz eigenständige Bäume zu wählen – gerade weil der Platz von der Geometrie geprägt ist», sagt Rainer Zulauf. Die Bäume, von denen die meisten auf der Seite der Binzmühlestrasse stehen, funktionieren als Filter zum offenen Teil des Platzes. Die anthrazitfarbigen Rundbänke, in denen die Bäume eingelassen sind, sind aus Beton. Die Inselskulpturen wirken felsenfest und sind übrigens auch in der Nacht eine Reise wert, wenn sie – von feinen Spots erleuchte – für eine poetische Atmosphäre sorgen. Eine Skulptur von Max Bill sucht man auf dem Max-Bill-Platz vergeblich. «Die Idee war da, doch aus finanziellen Gründen haben wir sie schnell verworfen», sagt die Arbeitsgemeinschaft, die mit einem Budget von 3,8 Millionen Franken zurechtkommen musste. Wo ist also der Link zum grossen Konkreten Künstler? Max Bill (1908 – 1994), Schweizer Universalkünstler mit Weltgeltung, war unter anderem als Architekt, Bildhauer, Maler, Schriftsteller, Lehrer, Produktgestalter und Politiker tätig. Der Stadtrat hat den Namen des Platzes bereits vor dem Bau im Rahmen einer Namensaktion für neue Orte in Neu-Oerlikon abgesegnet. Max Bill war ein Künstler, der die Öffentlichkeit suchte. Deshalb, so fand man, verdiene er auch einen öffentlichen Platz. «Eine Tatsache, die danach verlangte, dass der Ort eine gewisse Referenz an Max Bill ist. Doch wie gross muss diese sein? Wie wird man dem Künstler gerecht, ohne dass man die Aufgabe des öffentlichen Raumes vergisst? Solche Fragen haben wir uns zu Beginn gestellt», sagt Christoph Haerle. Die Lösung ist diskret und eigentlich schon in der ersten Aufgabe (was macht man aus einer dreieckigen Form?) versteckt. «In unserer Arbeit haben wir uns nicht primär formal auf Bill bezogen, aber versucht, seine Kultur der exakten Recherche als Methode für unseren Entwurf zu brauchen», sagt Christoph Haerle. So spielte die geometrische Analyse von Dreieck, Kreis oder Quadrat in Max Bills Arbeit eine zentrale Rolle. «Ich bin der Auffassung, es sei möglich, eine Kunst weitgehend aufgrund einer mathematischen Denkweise zu entwickeln», lautet eines seiner Zitate. Kunst war für ihn Ordnung; nicht im Sinne einer Reglementierung, sondern als schöpferischer Akt des Denkens gegen das Chaos. So kann man also den Platz als Referenz an Max Bills Philosophie verstehen.

Der Situationsplan zeigt die unterschiedlichen Geometrien in Neu-Oerlikon, die sich am Max-Bill-Platz treffen.
Der Max-Bill-Platz ist begrenzt von den Überbauungen Max-Bill-Platz (1) und Accu-Areal (2) sowie von der Binzmühlestrasse (3).

Quartierleben muss sich entwickeln

Noch offen ist, ob sich der Platz tatsächlich zum Zentrum entwickelt, auf das das Quartier gewartet hat. «Wir konnten nur die Bedingungen schaffen», sagt Christoph Haerle. «Quartierleben kann man nicht wie Instant-Produkte kaufen. Es muss sich erst entwickeln.» Denn der Stadtteil wurde schneller gebaut, als geplant. Die Häuser waren schneller da, als die Menschen; ein richtiges Quartierleben fehlt bis heute. Die vier Parks, die bereits vor dem Max-Bill-Platz eröffnet wurden, sind nicht so stark belebt, wie man es sich gewünscht hätte. Und es gibt weniger Läden als geplant, weil viele Grossmieter gleich noch das Erdgeschoss pachteten. So ist die ehemalige Industriezone und ‹verbotene Stadt› heute zumindest von ungeduldigen Kurzbesuchern als ‹leblose Stadt› verschrien. Der Max-Bill-Platz als einzige Freifläche neben den Parks entwickelte sich zu einem Hoffnungsträger. Schon nächstes Jahr dürfte der eben ausgezeichnete Platz wieder auf sich aufmerksam machen: 2008 wird der hunderste Geburtstag von Max Bill gefeiert, die Stadt Zürich wird sein Werk ehren, Erich Schmid arbeitet an einem Film. Der Platz wird im Rahmen dieser Festlichkeiten Erwähnung finden. Ob er zum Festplatz wird, ist noch offen. Und wenn alles gut geht, werden sich 2020 die einstigen Kinder, die auf dem Platz Inseln erobert haben und über Betonplatten gehopst sind, bei einem Schwatz auf dem belebten Platz daran erinnern, wie damals die Ungeduldigen über das tote Neu-Oerlikon gelästert haben. Claudia Schmid

Max-Bill-Platz
Zürich-Oerlikon
2006

Bauherr

Stadt Zürich
Credit Suisse Asset Management
Eberhard Projekte
UBS Fund Management Switzerland

Freiraumgestaltung
Haerle Hubacher Architekten
Zürich
(Gesamtleitung)

Schweingruber Zulauf Landschaftsarchitekten
Zürich

Zschokke Gloor Landschaftsarchitekten
Rapperswil

Lichtkonzept
D'lite Lichtdesign
Zürich

Baukosten
3,8 Mio CHF

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