Glückliche Städte

Autor
Katinka Corts
Publicado em
dez. 19, 2013

Mit seinem Buch «Happy City: Transforming Our Lives Through Urban Design» nimmt uns Autor Charles Montgomery mit auf die Reise um die Welt. Er sucht nach dem Rezept für die glückliche Stadt – und findet Antworten in Psychologie, Architektur und Stadtplanung. Von Katinka Corts
Ein glückliches Neues Jahr voller Zufriedenheit und Gesundheit mag man anderen zwischen Weihnachten und dem neuen Jahr wünschen. Abseits dieser persönlichen Ebene können die an der Stadt- und Bauplanung Beteiligten nun auch andersweitig für Glück sorgen: Autor Charles Montgomery hat mit dem Buch «Happy City» eine Sammlung glücklicher Stadtgeschichten zusammengestellt, aus deren Essenz sich im Idealfall die glücklichste Stadt von allen «kochen» lässt. So weit geht der Autor nicht in seinen Essays, jedoch zeigt er anhand vieler verschiedener Beispiele, mit welchen stadtplanerischen Massnahmen gewisse Aspekte in einer Stadt für Glück sorgen können.
Die Illustrationen von Sigrid und Hans Lämmle aus den 1960er-Jahren zeigen eine gewisse Wunschvorstellung, wie glückliche Städte aussehen können (Bild: Sigrid und Hans Lämmle) 
Stadtumbau Bogotá
Zu Beginn begleitet Montgomery den ehemaligen Bürgermeister Bogotas, Enrique Peñalosa, auf einer Fahrradtour durch die kolumbianische Hauptstadt und lässt sich dessen Errungenschaften zeigen: Peñalosa hatte zu seiner Amtszeit die Stadt lebenswerter machen wollen, auf den Bau neuer Autobahnen verzichtet, und stattdessen in Parkanlagen, ein grosses Netz von Fahrradwegen, Grünanlagen und in ein öffentliches Bussystem auf eigenen Fahrspuren investiert (zum Videobeitrag). Die Statistiker sprachen damals, im Jahr 2000, von 850’000 Privatfahrzeugen, die 19%, und 21’500 Bussen, die 72% des Personenaufkommens bewältigten – 2013 reisten täglich in etwa 2.4 Millionen Personen mit den Bussen. Die Zeitersparnis und der erhebliche CO2-Rückgang tragen dazu bei, dass die Stadt lebenswerter wird – und dies ist laut Montgomery eines der Hauptkriterien für das Glücksgefühl in einer Stadt. Zu Montgomery gewandt sagte Peñalosa bei eben dieser Radtour: «We might not be able to fix the economy. But we can design the city to give people dignity, to make them feel rich. The city can make them happier.»
Radwegenetz in Bogotá (Bild: bogota in indeferencia) 
Autofrei leben in Vauban
Neben Stadtumbau und -reparatur erläutert der Autor aber auch Beispiele für innerstädtische sanfte Verdichtung, sozialem Miteinander in der Nachbarschaft und der Ausgliederung des Autoverkehrs an den Rand der Ortschaften. Exemplarisch führt er hier das deutsche Vauban an, ein Vorort von Freiburg im Breisgau. Vauban ist das Resultat eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs, bei dem ein dichtes und abwechslungsreiches Wohngebiet herausgearbeitet werden sollte. Glücklich sei man hier über die Grünflächen, die Vernetzung mit Radwegen sowie die Anbindung an den öffentlichen Verkehr und die Umweltsituation: Die Häuser wurden im Niedrigenergie-Standard gebaut, es gibt auch einige Passivhäuser. Der auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Modellstadtteil überlässt seinen Bewohnern zwar, ob sie ein eigenes Fahrzeug nutzen, jedoch müssen Fahrzeughalter am Rand des Stadtteils einen Parkplatz kaufen und dürfen nur für das Be- und Entladen zum eigenen Haus fahren. Von den 5300 Bewohnerinnen und Bewohnern sind laut Statistik (Jahrbuch Stadt Freiburg, 2012) 24.1% Personen unter 18 Jahre alt; und das Quartier erreiche eine Einwohnerdichte von 130 Personen/ha besiedelter Fläche.
Der autofreie Stadtteil Vauban bei Freiburg (Bild: freiburg.de) 
Unglückliche Pendler
Gleichberechtigt zu den städtischen Beispielen betrachtet Montgomery auch Aspekte der Verhaltensforschung. So erläutert er die Arbeit der in Zürich tätigen Ökonomen Bruno Frey und Alois Stutzer: Sie fanden anhand von Studien und Befragungen heraus, dass lange Fahrwege zwischen Wohnort und Arbeit dazu beitragen können, dass die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben schwindet. Eine Person mit einer Pendelstrecke von einer Stunde müsste demnach für diesen Aufwand 40% mehr verdienen, um genauso zufrieden mit dem Leben zu sein wie jemand, der zu Fuss zur Arbeit geht (Stress That Doesn't Pay: The Commuting Paradox). Montgomery fasst dies so zusammen, dass Menschen Belohnungen, die sie sehen können – also Auto, Haus und Geld –, viel mehr Aufmerksamkeit schenken als den komplexen Systemen, die ihre Erfahrungen ausmachen und ihr Glück prägen.
Die glückliche Stadt als Heilsbringerin
Für Montgomery scheint klar, dass mit der Umrüstung unserer Städte in Sachen «Happiness» auch die anstehenden Herausforderungen wie Ressourcenschonung, Verdichtung und soziale Integration gelöst werden können. Die Kombination von historischen, städtebaulichen sowie psychologischen Details mit Montgomerys eigenen Erfahrungen macht «Happy City» zu einem lesenswerten Jahreswechsel-Begleiter. Auch wenn es die eine, glücklichste aller Städte (noch) nicht gibt. Wahrscheinlich ist das aber auch gut so, denn ein bisschen Unzufriedenheit braucht der Mensch ja, um sich zu entwickeln. Katinka Corts
 
Charles Montgomery: «Happy City: Transforming Our Lives Through Urban Design»
Farrar, Straus and Giroux. 2013. ISBN: 9780374168230
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Zum Thema Glück in der Architektur sprach Inge Beckel 2008 mit Hans U. Imesch
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