Fliessende Flächen

Autor
Thomas Geuder
Publicado em
fev. 25, 2014

Bei ihrem Marco Polo Tower in Hamburgs Hafencity haben Behnisch Architekten eine amorphe Formensprache vorgegeben, mit der sich andere bei der Gestaltung des Innenraums auseinandersetzten konnten. KBNK Architekten haben diesen Ball aufgenommen und elegant weitergedacht.
Vom 55 Meter hohen Marco Polo Tower aus bietet sich ein bietet sich ein herrlicher Blick über die Hamburger Hafencity und die gesamte Stadt. (Foto: Dorfmüller Kröger Klier) 
Eigentlich bemerkenswert: Architekten skizzieren gerne und zeigen (im Idealfall) mit wenigen Linien viel. Manche schaffen es sogar, neben der Form auch eine Gefühl für den Raum darzustellen, sodass andere eine ganz gute Vorstellung davon bekommen, wie die Idee später einmal gebaut aussehen wird. Was Otto Normalarchitekturfan kürzlich aber aufgefallen ist: Fast nie sieht man in diesen Skizzen die Deckenleuchten oder (unerhört!) die Wandschalter dazu. Am Ende sind sie jedoch da und machen aus einer glatten Wandfläche etwas anderes, wenn auch nicht zwingend schlechteres. Es kommt eben darauf an, welche – nennen wir sie einmal – Zusatzelemente der Architekt oder der Innenarchitekt einplant. Macht er es gut, ergänzen und detaillieren sie die skizzierte Entwurfsidee. Andererseits sieht Otto Produkte wie zum Beispiel Leuchten und fragt sich: Zu welcher Architektur könnte dieses Design passen? So war das etwa bei der Serie Più von Occhio mit ihrer schlichten und klaren Form, der hochwertigen Oberfläche und (vom Design her besonders reizvoll) von vorn ein Aussehen wie ein stilisiertes Auge. Più gibt es in verschiedenen Auf- und Einbauvarianten, je nach dem ob der Architekt sie zeigen oder verstecken möchte. Und natürlich mit verschiedenen Leuchtmitteln und Lichtfarben (das nur zur Ergänzung). In Ottos Augen eben ein schmuckes Designerstück, das er sich sogar in vielen verschiedenen Raumsituationen vorstellen kann. Mal gut, mal besser.
Nach dem Eingang folgt direkt das Wohnzimmer, die Lichtvouten in der Decke leiten dezent weiter. (Foto: Dorfmüller Kröger Klier) 
Ähnlich muss es da KBNK Architekten aus Hamburg gegangen sein, als sie den Auftrag bekamen, eine der Wohnungen im 2010 von Behnisch Architekten erbauten Marco Polo Tower in der Hamburger Hafencity auszubauen (insgesamt haben KBNK am Ende vier Wohnungen im Tower ausgebaut). Bei diesem 17-stöckigen Hochhaus – das sich übrigens direkt neben Behnischs Unilever Headquarter befindet – war nämlich das Konzept, die Wohnungen als «veredelten Rohbau» (so die Betreibergesellschaft) den Käufern zu übergeben, die diese dann nach ihren Vorstellungen selbst ausbauen können. «Design Ready» nennt sich das dann, also so viel wie: Mach‘s fertig! KBNK Architekten fanden sich bei diesem Projekt schnell in Gesellschaft honoriger Büros wie Graft, Davide Rizzo oder (natürlich) Behnisch Architekten. Spannend für die Zuschauer des Geschehens ist, was diese draus gemacht haben – einzusehen auf der zum Tower gehörigen Homepage. KBNK Architekten haben die von Behnisch angesetzte amorphe Formensprache aufgegriffen und in den nicht ganz einfachen, aber schönen Grundriss hineinfliessen lassen. Auffallend an ihrem Entwurf ist ihr Umgang mit dem Raum in der 164 m² grossen Wohnung, der sich mal weitet (im zentralen Bereich von Wohnzimmer/Küche/Esszimmer) und dann wieder verengt (zum privateren Bereich von Schlafzimmer/Bad). Die Küche dient dabei als Gelenk zwischen Wohn- und Esszimmer, das Arbeitszimmer ist der Vermittler zwischen privatem und öffentlichem Bereich. Die raumhohen Türen sind ausserdem so gestaltet, dass sie bei Bedarf in Wandnischen oder Wandenden verschwinden, wodurch der Grad der Offenheit bzw. des Rückzugs individuell gestaltet werden kann. Zu dieser Raumwirkung trägt auch die Ausformung der Wände und Decken sowie der Schränke, Regale, Küche etc. bei, die allesamt als flächenbündige Einbauten konzipiert sind, ohne den Raumfluss zu brechen. Lichtvouten inszenieren diesen fliessenden Umgang mit Raum und Form zusätzlich. Umso wichtiger wird dabei der Umgang mit der Fläche, die bei dieser fliessenden Klarheit am liebsten ungestört bleiben möchte. Dennoch haben sich die Architekten getraut, an der Decke Leuchten zu installieren. Die Occhio Più haben sie dabei in zwei verschiedenen Varianten verwendet, als Aufbau- und als Einbauleuchte. Deren Chrom-Oberfläche spiegelt den (sich je nach Tagesverlauf ändernden) Farbton der Decke wieder, die Dynamik der Formensprache von KBNK sowie von Behnisch führt sie im Detail weiter. Genau so funktioniert das Weiterdenken der Grossform bis ins Detail. Und Otto könnte sich in diesem Gesamtkonzept nur schwer etwas anderes vorstellen. tg
Der Marco Polo Tower befindet sich am «Strandkai», wo ab und an auch grosse Passagierschiffe anlegen. (Foto: Roland Halbe / Behnisch Architekten) 
Küche, Vorratsraum, Garderobe, Gästetoilette und (weiter hinten) Bad befinden sich in dem zentralen Raummöbel. (Foto: Dorfmüller Kröger Klier) 
Die als Deckenleuchte eingesetzte Più akzentuieren einzelne Flächen und unterstreichen so die Raumdynamik. (Foto: Dorfmüller Kröger Klier) 
Mit dem Wohnzimmer zwar verbunden, öffnet sich die Küche vor allem dem Essbereich. (Foto: Dorfmüller Kröger Klier) 
Auch im Bad funktioniert die Beleuchtung wie im Wohnraum mit einer Kombination aus Lichvoute und Akzentleuchte. (Foto: Dorfmüller Kröger Klier) 
Grundriss 
Lage 
Das Grundprinzip von Più ist immer gleich, die Leuchte ist jedoch in verschiedenen Varianten erhältlich. (Bild: Occhio) 
Je nach Leuchtmittel und Linsen kann das Licht unterschiedlich in den Raum geworfen werden. (Bild: Occhio) 
Das ist möglich mit dem System Occhio Più. (Dauer: 1:54 min.)

So ähnlich darf man sich einen veredelten Rohbau vorstellen. (Foto: KBNK Architekten) 
In der Entwurfsskizze von KBNK Architekten wird klar, woher die Idee der fliessenden Lichtvoute kommt: Die Decke – gleichzeitig das Dach – ist teilweise schräg, wodurch ein eleganter Bogen durch die gesamte Wohnung entsteht. (Bild: KBNK Architekten) 
Projekt
53.32 ° N / 9.59 ° O
Wohnungen im Marco Polo Tower
Hamburg, D

Hersteller
Occhio GmbH
München, D

Kompetenz
Più piano
Più alto

Innenarchitekt
KBNK Architekten GmbH
Hamburg, D

Architekt
Behnisch Architekten
Stuttgart, D

Bauherr Innenausbau
privat

Projektentwickler
Projektgesellschaft Marco Polo Tower GmbH & Co. KG
(DC Residential GmbH & Co. KG und HOCHTIEF Projektentwicklung GmbH)
Hamburg, D

Herstellung Möbel
Lassen&Lassen Inneneinrichtung GmbH
Hamburg, D

Fertigstellung
2012

Fotografie
Fotografie Dorfmüller | Kröger | Klier
KBNK Architekten
Roland Halbe / Behnisch Architekten



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