Unterwegs zur digitalen Baukultur

Elias Baumgarten
29. outubro 2019
Foto: NCCR Digital Fabrication / Roman Keller

Viele verstehen die Digitalisierung als technisches Phänomen, bei dem es um die Vereinfachung und Beschleunigung von Prozessen, um Messbarkeit und um das Handling grosser Datenmengen geht. Doch erlaubt sie auch, neue Formen, Materialien und Bauweisen zu entwickeln. Während viele Architekt*innen die einhergehenden Veränderung der Baubranche mit Sorge beobachten und – durchaus zu Recht – eine weitere Marginalisierung ihrer Profession fürchten, nutzten einige Gestalter*innen schon Anfang der 1990er-Jahre den digitalen und technologischen Fortschritt für sich, um bis anhin als unmöglich geltende Formen zu realisieren, und stärkten damit nebenbei ihre Position im Bauprozess wesentlich. Oftmals führten sie gar neue Technologien überhaupt erst in die Baubranche ein. So funkelt seit 1992 «El Peix» golden an der Strandpromenade von Barcelona. Gestaltet hat das Kunstwerk in Fischform Frank Gehry. Die Hüllflächen der 35 Meter hohen und 54 Meter langen Stahlkonstruktion sind mehrfach gekrümmt. Um der komplizierten Geometrie Herr zu werden und die Skulptur überhaupt konstruieren, detaillieren und schliesslich bauen zu können, arbeiteten Gehrys Team und alle ins Projekt involvierten Expert*innen erstmals mit einem gemeinsamen wireframe model (Drahtgittermodell). Gehry war es übrigens auch, der Robotertechnik aus der Medizin ins Architekturbüro brachte. Fast zwei Dekaden nach «El Peix», im Jahr 2011, wurde im österreichischen Hainburg die Martin Luther Kirche von Coop Himmelb(l)au fertig. Ihr komplexes, mehrfach gekrümmtes Dach, als plated structure aus wenige Millimeter starken Stahlblechen konstruiert, wurde in einer norddeutschen Werft gefertigt – denn noch keine Baufirma verfügte über das nötige Know-how und die Möglichkeiten. 

Viel hat sich seither getan, die Fortschritte in Sachen Software, Materialien und Fertigungstechniken sind enorm. Schweizer Forscher*innen und Ingenieur*innen, Hochschulen und Firmen sind dabei international federführend. Das zeigt beispielhaft die Moschee im britischen Cambridge von Marks Barfield Architects, deren 30 ornamentale Baumstützen mit Hilfe der Schweizer Holzbaufirma Blumer Lehmann konstruiert und umgesetzt wurden. Woran es indes noch fehlt, ist eine Debatte um eine digitale Baukultur. Denn die Digitalisierung schafft nicht nur neue Möglichkeiten, sie wird auch den Bauprozess und die Kommunikation aller an einem Projekt Beteiligten verändern – das zeigt schon das mittlerweile fast dreissig Jahre alte Beispiel «El Peix». Dies wird nicht ohne Folgen bleiben für die Rolle der Architekt*innen. Es gilt diese neu auszuhandeln und zu gestalten sowie nach Möglichkeit zu stärken.

Daher laden der Bund Schweizer Architekten BSA und die Schweizerische Zentralstelle für Baurationalisierung CRB am 22. November 2019 zur Tagung «Auf dem Weg zu einer digitalen Baukultur» ins NEST auf den EMPA-Campus nach Dübendorf ein. Expert*innen aus unterschiedlichsten Bereichen werden sprechen und ihre Sichtweise teilen. Los geht es um 9.30 Uhr, der Eintritt ist frei. Der BSA bittet allerdings um eine Anmeldung per E-Mail an mail@bsa-fas.ch.

Programm:

09:30   Begrüssung
Ludovica Molo, Präsidentin BSA
Amadeo Sarbach, Präsident CRB

09:50   Einführung
Caspar Schärer, Generalsekretär BSA
Elias Baumgarten, Chefredaktor Swiss-Architects.com

10:00   Keynote: Plädoyer für eine digitale Baukultur
Prof. Matthias Kohler, Architecture and Digital Fabrication, ETH Zürich

10:45   Session 1: Digital in der Schweizer Praxis
Leitung: Prof. Christina Schumacher, Soziologin, FHNW Muttenz
Teilnehmer*innen: Anne Kaestle, Duplex Architekten, Zürich | Rolf Seiler, LRS architectes, Genève | Anna Pàl, OOS, Zürich | Stefan Oeschger, JOM Architekten, Zürich | Daniel Krieg, Burkard Meyer Architekten, Baden

12:00   Mittagspause / Möglichkeit zur Besichtigung des DFAB House

13:30   Case Study
Jason Frantzen, Architekt, Senior Partner bei Herzog & de Meuron, Basel
Steffen Riegas, Head of Digital Technology bei Herzog & de Meuron, Basel

14:30   Case Study
Gilles Retsin, Architekt, London

15:30   Pause

15:45   Session 2: Bildung, Industrie, Wettbewerb, Recht
Leitung: Elias Baumgarten, Chefredaktor Swiss-Architects.com
Teilnehmer*innen: Johannes Käferstein, Präsident Architekturrat der Schweiz | Stefan Cadosch, Präsident SIA | Thomas Braun, lic. iur. Rechtsanwalt, epartners | Katharina Lehmann, Präsidentin Blumer Lehmann Holzbau | Susanne Zenker, Leiterin Development SBB Immobilien

17:15   Schlusswort
Elias Baumgarten, Chefredaktor Swiss-Architects.com
Ludovica Molo, Präsidentin BSA

17:30   Ende

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