30 Jahre Burkhalter Sumi - eine Bestandesaufnahme
Jenny Keller
11. setembro 2014
Bild aus der Ausstellung «Sinnliche Dichte» in Berlin. Bild: BUSU
Das Büro Burkhalter und Sumi feiert dieses Jahr das dreissigjährige Bestehen. Wir nehmen den Anlass zum Grund, mehr über die Zukunftspläne des Büros zu erfahren und treffen die beiden weiteren Partner Yves Schihin und Urs Rinklef zum Gespräch.
1984 haben Marianne Burkhalter und Christian Sumi ihr Büro gegründet. Und obwohl die beiden Architekten noch voll und ganz im Berufsleben stehen, haben sie bereits vor einigen Jahren an eine künftige Nachfolge gedacht und beschlossen, diese, wenn es dann soweit sein sollte, inhouse zu regeln. In Yves Schihin, der seit dem Jahre 2000 im Büro arbeitet, fand man den einen Partner, und zusammen suchte man einen vierten – Urs Rinklef wurde 2010 ins Büro geholt. Seit 2009, respektive 2012 sind die beiden «Jungen», wie sie genannt werden, eingekaufte und gleichberechtigte Partner bei Burkhalter Sumi. Das Büro hat heute um die 20 Angestellte bildet zwei Lehrlinge aus, und ist nach wie vor ein eigentliches «Wettbewerbsbüro»; von den sechs aktuellen Projekten, die gebaut werden oder in Planung sind, resultieren deren drei aus gewonnen Wettbewerben, so der Umbau und die Erweiterung des Hotel Laudinella in St. Moritz, das Baufeld F auf dem Saurer-Areal in Arbon und das Murg-Areal in Frauenfeld.
Grosse Identifikation
Das Interesse für Burkhalter Sumi wurde bei Schihin im Studium an der EPFL gelegt. Ihm wurde die Architektur von Burkhalter Sumi durch Martin Steinmann – eine wichtige Person für ihn wie auch für Burkhalter Sumi – nähergebracht, der dort bis 2007 als Professor für Architektur und Architekturtheorie gelehrt hat. Steinmann hat in einem Text1 in der Zeitschrift werk, bauen und wohnen den Begriff «Sinnliche Dichte» geprägt, den Burkhalter Sumi seither gerne selbst zur Beschreibung ihrer Architektur verwenden. Eben erst für eine Ausstellung in der Architekturgalerie in Berlin, die in Kürze ebenso in den AIT-Salons in Köln und Hamburg zu sehen sein wird.
Er habe die Arbeit von Burkhalter Sumi in der Vergangenheit aus der Ferne stets beobachtet, sagt hingegen Rinklef. Auch sei ihm die klassische Moderne als Bezugspunkt und die Organisation von Räumen, wie man es bei Burkhalter Sumi löst, nicht fremd gewesen, sodass ihm die Arbeit beim Wechsel sehr vertraut vorgekommen sei.
Für die beiden «Jungen» ist es ein entscheidender Vorteil aus dem grossen Fundus schöpfen zu können, den Burkhalter und Sumi in den 30 Jahren angegelegt haben, die Themen aufzunehmen, über die im Büro eine eigentliche «recherche patiente» betrieben wurde, und das im Büro Vorgefundene weiterzuspinnen und weiterzuentwickeln. Weder für Urs Rinklef noch für Yves Schihin ist es zwingend, dass der eigene Name im Büronamen vorkommt. «Wir wollen aber die Arbeit massgeblich mitgestalten, das ist das Entscheidende.», sagt Schihin.
Yves Schihin sagt von sich selbst, er sei quasi ein «BUSU-Kind», sei von Burkhalters und Sumis Vorstellungen über Architektur, Kultur und Gesellschaft geprägt, habe durch sie Referenzen und Themen entdeckt, und Interessen entwickelt, insbesondere für den Umgang mit dem Bestand, dem Umgang mit Holz – und natürlich dem Umgang mit Farbe – Bei Burkhalter Sumi gehört Farbe mit zu einem Entwurfsentscheid. Sie wird als Strategie und nicht als Schmuck eingesetzt, und natürlich auch, um eine Stimmung, um diese «sinnliche Dichte» zu erzeugen.
Sunnige Hof. Bild: Heinz Unger
Weiterarbeiten an den grossen Themen
Dass man nun zu viert sei, entlaste die beiden älteren Partner, die seit 2008 eine Professur an der Academia di architettura in Mendrisio innehaben und gebe allen vieren gleichzeitig auch wieder Luft für die Bewältigung der vielschichtigen Aufgaben, die das Büro und die einzelnen Partner beschäftigen. Der Output von Burkhalter Sumi sei sehr gross, erklären Rinklef und Schihin und beinhalte nicht nur Architektur- und Städtebauprojekte, sondern auch Ausstellungen, Jury-Tätigkeiten, viele Vorträge und Forschungstätigkeiten, sowohl angewandte wie auch theoretische.2
Mit Rinklef kann und will das Büro nun bei kleineren Bauaufgaben, wie den zwei Mehrfamilienhäusern in Uitikon beziehungsweise Affoltern, die zur Zeit in Planung und Bau sind, alle Teilleistungen abdecken. Denn wichtig sei, dass das Gebaute stimme und Burkhalter Sumi dahinter stehen können. «Das gebaute Detail im Massstab 1:1 muss funktionieren, denn schlussendlich werden wir am Gebauten gemessen.», sagt Schihin. Rinklefs umfassendes Know-How in Ausführung, Kostenplanung und Baumanagement erleichtere dem Büro aber auch bei grösseren Projekten den Umgang mit TUs, GUs und professionellen Entwicklern und Investoren.
Es sei auch zu beobachten, dass seit dem Einstieg der «Jungen» ein Massstabsprung stattgefunden habe, dass vermehrt grosse, auch städtebaulich wichtige Projekte auf dem Tisch liegen. Eine Entwicklung, die das Büro zwingt, noch mehr robuste und flexible aber vor allem intelligente Konzepte zu entwickeln. Rinklef spricht in dem Zusammenhang von der Wichtigkeit der Konzeption des Zwischenraums, von kommunizierenden Räumen und dem Figur-Grund-Schema: Nicht mehr die Baukörper interessieren in erster Linie, sondern der Raum dazwischen. Gerade beim Umgang mit dem Bestand wird diese Lektüre des Ortes entscheidend, wie sich bei der Arealentwicklung Giesshübel zeigt, erklären Schihin und Rinklef.
Kunstdepot Göschenen. Bild: Heinz Unger
Intelligente Konzepte – mit Holz
«Es wird uns immer mehr interessieren, was der Bestand in jedem einzelnen Fall leisten kann.», sagen die beiden auf die zukünftige Arbeit des Büros angesprochen. Diese Frage sei immer als erstes zu stellen, dann erst könnten architektonische Entscheidungen gefällt werden. Burkhalter Sumi sei interessiert daran, intelligente Konzepte für individuelle Häuser zu finden, sagt Urs Rinklef und: «Ein guter Umbau entscheidet sich im Konzept.»
Wo man sich beim Kunstdepot Göschenen für einen marginalen Eingriff entschieden hat, weil der Bestand noch sehr viel leisten konnte, wurde beim «pile up» Giesshübel die Entscheidung für den Holzbau zum wichtigsten Entwurfsfaktor: In einem zweigeschossigen Sockelgebäude befand sich nicht nur die Warenanlieferung vom Zug zu den Camions, sondern auch die Relaisräume der SZU, wo die Weichen des gesamten Bahnnetzes vom HB nach Sihlbrugg geregelt werden. Es hätte 6 Mio. Franken gekostet, die Relaisräume zu verschieben, und so stockte man den Bestand um vier Stockwerke auf, sparte Geld und erhielt auch noch einen Lärmriegel für die weiteren Wohnungen im Giesshübel dahinter. Hier sei der Holzbau im Vorteil, weil er leicht sei und somit mehr leisten könne als eine andere Konstruktion, erklärt Schihin mit sichtlicher Begeisterung. Sowieso liege die Chance des Holzbaus im urbanen Umfeld, und zu dieser Entwicklung wolle Burkhalter Sumi entscheidend beitragen.3
Giesshübel. Bild: Georg Aerni
In St. Moritz beim Hotel Laudinella das momentan in Planung ist, sprach der Zeitfaktor für den Holzbau. Bereits im Wettbewerb konnten Burkhalter Sumi vorrechnen, dass sie das Ersatzgebäude in dem halben Jahr, in dem man ausserhalb der Saison in St. Moritz bauen darf, hochziehen können. Ein Hotel als sechsgeschossiger Holzbau sei ein interdisziplinäres Pilotprojekt, welches die Brandschutznormen komplett ausreizt und alle Beteiligte vom Betreiber bis zum Brandschutzexperten herausfordere. Auch im Innenraum wird das Holz sichtbar sein, mit dem hoteleigenen Schreiner werden die Möbel nach dem Entwurf von Burkhalter Sumi hergestellt, und die Holzwände werden gezeigt. Das Holz stammt von der Region und macht das Hotel zu einem Vorzeigeprojekt in Sachen Nachhaltigkeit. Dazu kommt, dass das Hotel Laudinella, genossenschaftlich organisiert, das «andere St. Moritz» jenseits des Jet-Sets verkörpert, womit sich Burkhalter Sumi auch gesellschaftlich und politisch identifizieren können.
Hotel Laudinella. Rendering: Aero
Inhalt vor Form
Im Gespräch wird einmal mehr klar, dass sich Burkhalter Sumi nicht primär für das Bild der Architektur interessieren, sondern um den Inhalt. «Die Moderne und ihre Interpretation des programmlastigen Entwurfs und deren Umsetzung in unsere Zeit interessiert uns definitiv mehr als die neue Sexyness, dieser Manierismus von heute.», bestätigt auch Schihin. Der Kontext und das Programm seien wichtig. Schihin spricht in diesem Zusammenhang von «Terroir-Architektur», abgeleitet aus dem im Weinbau verwendeten Begriff: Ein erstklassiger Wein entsteht nur durch das perfekte Zusammenspiel von kontextuellen Eigenschaften wie zum Beispiel der Bodenbeschaffenheit, der Sonnendauer und der Topographie in Verbindung mit programmatischen Eigenschaften wie Schnitt, Auslese und Vinifizierung.
burkhalter sumi architekten
Gmbh ETH/ BSA/ SIA
Münstergasse 18a
8001Zürich
T +41 44 258 90 10
www.burkhalter-sumi.ch
Anmerkungen
1) «Sinnliche Dichte. Die neue Bedeutung eines alten Haustyps», in: wbw,10|2002, S. 10–19
2) Das Forschungsprojekt «Gotthard landscape – the unexpected view» wird vom 7. September bis zum 5. Oktober wieder in Venedig im Palazzo Trevisan degli Ulivi gezeigt. www.gotthard.ethz.ch / Das Forschungsprojekt der Workgroup High Tech Timber «wood connecting wood – making of a prototype» wird vom 24. bis zum 26. Oktober an der Architektur 0.14 in Zürich gezeigt.
3) Forschungsprojekt «Zentrumsverdichtung mit Holz», zusammen mit der HSLU und Lignum
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