Sich selbst überrascht
Inge Beckel
27. augustus 2015
Flyer zur Ausstellung Chandigarh sehen. Schweizer Reportagen, die noch bis zum 4. Oktober im Centre Le Corbusier/Museum Heidi Weber in Zürich zu sehen ist. Bild: Schnebli/Gasser.
… eben, der 27. August ist heuer der 50. Todestag von Charles-Éduard Jeanneret-Gris alias Le Corbusier. Bekanntlich war er vielschichtig, genial, unberechenbar – und hat später teils selbst nicht mehr geglaubt, was er früher behauptet hatte.
So fand sich beispielsweise in der im Winter 2007/08 im Vitra Design Museum gezeigten Ausstellung "Le Corbusier – The Art of Architecture" ein Foto, das der Architekt auf einer Flugreise nach Südamerika 1929 aus dem Flugzeug aufgenommen hatte. In der Legende zum Bild war nachzulesen, der Blick aus dem Flugzeug habe ihm, Le Corbusier, eine Ordnung der geografischen Formationen vor Augen geführt, die nicht rational geometrischen Gesetzen folge. Vielmehr würden die gesehenen und fotografierten Formationen einer Naturlogik gehorchen, die er «Gesetz des Mäanders» nannte.
Nur sechs Jahre nach dem einflussreichen Büchlein Vers une architecture war da plötzlich die «Entdeckung» – oder jedenfalls eine Faszination – von «Naturlogik». Während Vers une architecture noch voller klassischer Kultur wie griechische Tempel, voller Maschinen und Technik war, beschäftigte den Architekten 1929 das «Gesetz des Mäanders». In demselben Jahr, als er nach Südamerika geflogen war, hatte er zudem in einem Artikel geschrieben, worin er fragte: «Wo beginnt die Architektur? Sie beginnt dort, wo die Maschine aufhört.» (A. B., Corbusier gegen Corbusier, in: Heimatschutz, 1929, Nr. 6, September, S. 95.)
Der facettenreiche, auch umstrittene, bekämpfte und zugleich geliebte Geist hat sich offenbar zuweilen selbst überrascht. Gebaut hat er jene aus der Natur inspirierten Werke nach dem Zweiten Weltkrieg, man denke etwa an die Kapelle von Ronchamp von 1954.
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