Russland: «Fair Enough. An Expo for Ideas»
Jenny Keller
12. juni 2014
Der Empfang im russischen Pavillon. Ohne Kommentar. Bild: © Nikolay Zverkov, La Biennale die Venezia
Russlands architektonische Innovationen werden durch die international verstandene – und deswegen nicht gute – Sprache eines Messeauftritts vermittelt. Eine echte Messe hätte es nicht besser machen können, das grelle Licht, die hässlichen und wackligen Messestände, die vollgestopfte Halle, die überfreundlichen Hostessen beim Eingang und die überbordende und das Auge überfordernde Grafik und Farbgebung bedienen sich bei der Ästhetik einer finanzgetriebenen Bau- oder Immobilienmesse, wie man sie wohl auf der ganzen Welt kennt. Man weiss eine Sekunde lang nicht, ob die das Ernst meinen, oder nicht, denn die jeweiligen Vertreter an den Messeständen machen ihren Job perfekt. Sie sprechen den Besucher an und erklären, was «ihre Firma» so macht. Natürlich ist das alles Konzept und Show. Oder Performance. Doch besser als im Schweizer Pavillon funktioniert hier die Interaktion zwischen Besucher und Aussteller. Auch hat man hier eine Form gefunden, das Konzept darzustellen.
Russlands Baukultur wird hier verschachert. Das ist die Aussage im russischen Pavillon, die man nicht auf Anhieb begreift. Man muss mit den Leuten an den Ständen ins Gespräch kommen. So kann man zum Beispiel den mutmasslichen Enkel von Lazar Khidekel kennenlernen, ein sowjetischer Künstler, der zur Architektur fand und 1942 die erste Platte erfunden hat: ein Holzrahmen, den man mit Schutt füllen konnte. Aus diesen vorfabrizierten Elementen konnte ein ganzes Haus erstellt werden. Der Enkel versicherte, dass sein Verwandtschaftsgrad der Wahrheit entspreche, im Gegensatz zu vielem hier drinnen. Und so geht es an jedem Stand weiter. Eine Dame mit Pinguin auf dem Kopf bietet Reisen zu russischen Bauten in der ganzen Welt an, ein hemdsärmliger Herr propagiert die Datcha als storage place, und eine andere Dame versichert, dass mit der Chernikhov Method jedes formale Problem eines Architekten im Nu zu lösen sei.
Im Innern des Pavillons ist jeder Quadratmeter ausgenutzt. Bild: jk
Die einzelnen Broschüren und Flyer sind zu gut gestaltet, als dass sie echt sein könnten, das merkt man am Ende des Besuches im russischen Pavillon. Kuratiert wurde er vom Strelka Institute für Architektur, Grafik und Design in Moskau. Die interdisziplinäre Schule ist weltweit vernetzt und orientiert. Und scheint Sinn für Humor, Ausstellungskonzeption und -design zu haben.
Einige Flyer. Bild: jk
Was wir jetzt noch nicht sehen konnten: Die Messehalle im russischen Pavillon ist nur in der ersten Woche der Biennale voll in Betrieb, danach schliessen sich ihre Stände nach und nach. Zurück bleibt eine post-fairUmgebung, in der Flyer und Kataloge rumliegen werden. Eine App mit Audioguide übernimmt dann die Erklärung. Wer also später im Jahr nach Venedig reist, schicke doch bitte ein paar Bilder.