Die eigenartige Obskurität von Awards
Manuel Pestalozzi
21. augustus 2015
Bild: www.rpmonline.com
Herzog & de Meuron erhielten vor wenigen Tagen wieder einen Architektur-Award – den RIBA Jencks Award. Das ist eine Meldung wert. Doch was bedeutet diese Würdigung? Und woher kommt sie?
Die internationale Welt des Planens und Bauens hat in den letzten Jahrzehnten eine Inflation von Auszeichnungen und Preisen erlebt, die sich unter dem neudeutschen Begriff Award zusammenfassen lassen. In einer Branche, wo der Wettbewerb für viele ein Lebenselixier ist, kann man das eigentlich begrüssen. Wenn man nur auch immer wüsste, wofür der Award denn steht!
Die Verleihung des RIBA Jencks Award 2015 ist ein Paradebeispiel, wenn man eine Ahnung erhalten möchte, wie verschlungen die Wege von Awardzuordnungen und Preisgeldern sind. Sein Stifter ist der amerikanische Autor, Architekt und Landschaftsgestalter Charles Jencks, der vor allem durch die Einführung des Begriffs Postmoderne in die Architekturdebatte und seine theoretischen Schriften bekannt ist.
Und zum Award kam es so: Charles Jencks gewann 1992 einen Award, nämlich die Nara Gold Medal, die im Rahmen der NARA/TOTO World Architecture Triennale in der japanischen Stadt Nara verliehen wurde. Das Preisgeld vermachte der Amerikaner dem Royal Institute of British Architects (RIBA), mit dem Auftrag, eine Stiftung zu gründen. Die Zinserträge nutzte man ursprünglich für ein Austauschprogram für Architektinnen und Architekten aus Grossbritanninen und Japan.
2003 wurde mit dem verbleibenden Geld der jährliche Award geschaffen. Er wird einer Einzelperson oder einer Bürogemeinschaft zugesprochen, die in jüngerer Zeit gleichzeitig in Praxis und Theorie einen wichtigen Beitrag an die Entwicklung der Architektur geleistet hat. Neben dem Preisgeld fällt den Siegern das Privileg zu, am RIBA einen Vortrag zu halten.
Das Selektionsverfahren beginnt jedes Jahr im Frühling. Zur Jury gehören neben Charles Jencks und dem RIBA-Präsidenten andere Personen aus der Familie Jencks und dem RIBA. Sie ist gleichzeitig auch die Instanz, welche mögliche Kandidatinnen und Kandidaten nominiert. Das tönt alles ein bisschen nach Inzucht in der Architekturszene. Vielleicht ist das logisch, weil sich auch das Publikum, das die Verleihung zur Kenntnis nehmen könnte, primär aus der Fachwelt rekrutiert.
Ähnlich wie beim Pritzker Prize und anderen Architekturawards mit internationaler Ausstrahlung, gibt es bei den Gewinnern des RIBA Jencks Awards keine Überraschungen. Es sind die bewährten Usual Suspects, von Alejandro Zaera-Polo (Foreign Office Architects) bis Zaha Hadid. Die Werke dieser Persönlichkeiten sind hinlänglich bekannt, deshalb ist die Auszeichnung für die Allgemeinheit eigentlich wertlos und bringt fachlich Interessierten keine neuen Erkenntnisse.
Die Idee, mit dem Preisgeld eines Awards einen neuen Award zu kreieren, erzeugt unter den erläuterten Umständen so etwas wie ein Kreislauf der Eitelkeiten. Im Extremfall könnte man den numerischen Umfang der Eingeweihten regulieren, nach der Maxime: Wenn ich bei deinem Award gewinne, nominier ich dich bei meinem Award. Vollends grotesk wäre die Situation, wenn in Zukunft Alvaro Siza - sicher ein valabler Kandidat - zum Gewinner des RIBA Jencks Award erkoren würde. Er hat nämlich anno 1995 auch eine Nara Gold Medal erhalten, und den Pritzker sowieso. Der Meister aus Portugal wäre schon fast gezwungen, auch einen Award zu stiften, um das viele Preisgeld in Umlauf zu halten.