Addio Michele

Elias Baumgarten
27. maart 2024
Illustration: Swiss-Architects.com

Ein grossartiger Koch sei er gewesen und obendrein ein unglaublich begabter Sportler, erinnert sich Riccardo Blumer. Tatsächlich war Michele Arnaboldi Kunstturner und reiste 1976 sogar als Ersatzmann mit der Schweizer Nationalmannschaft zu den Olympischen Spielen nach Montreal. Für die Accademia di architettura und die ganze Tessiner Architekturszene ist sein Tod ein schwerer Schlag. Walter Angonese, der Direktor der Architekturschule, sagt über Arnaboldi, der zu den jüngeren Vertretern der «Tessiner Schule» gehörte: «Con Michele ci viene a mancare e ci mancherà non solo un grande amico, collega e appassionato professore di progettazione, ma anche un grande ticinese, che amava e lottava per la sua terra, che vedeva nel Canton Ticino un importante ruolo di cerniera tra il mondo della grande cultura mediterranea e quello d’oltralpe.»

Michele Arnaboldi war Lehrer aus Leidenschaft: 1994 wurde er Gastprofessor an der Washington University in St. Louis. Bald gab er auch Seminare an verschiedenen Hochschulen in Deutschland und Italien. 2002 schliesslich kam er als Dozent an die Accademia, wo er 2009 Professor wurde. Auch leitete er hier das Forschungsprojekt «Public Space in the Città-Ticino of tomorrow» und wurde Direktor des Laboratorio Ticino, einer Forschungsabteilung, die sich mit Raumplanung, Städtebau und Landschaftsgestaltung im Südkanton auseinandersetzt. Das Team beschäftigte sich unter seiner Führung mit der Siedlungsentwicklung von Biasca bis Chiasso und fragte nach den Auswirkungen des Alptransits auf das ohnehin hochverkehrsbelastete Tessin. An der 16. Architekturbiennale von Venedig zeigte Arnaboldi 2018 Arbeiten seiner Studierenden.

Selbst hatte er an der ETH Zürich studiert, bevor er ab Ende der 1970er-Jahre mit dem grossen Luigi Snozzi zusammenarbeitete. Dass der Meister seine Architektur beeinflusst hat, zeigt sich besonders an Arnaboldis frühen Wohnhäusern in Sichtbeton mit ihren strengen geometrischen Formen. Man denke nur an die Casa plurifamiliare in Minusio (1987–1992) oder die Casa unifamiliare in Locarno Monti (1988–1992). 1985 gründete Arnaboldi ein eigenes Büro in Locarno. In der Folge gewann er zahlreiche Wettbewerbe und verwirklichte Bauwerke verschiedenster Grösse und Funktion: Firmenbauten wie den Padiglione Diamond in Losone (2006–2007) genauso wie das Altersheim der Tessiner Gemeinde (2021), Strassen und Brücken ebenso wie Wohnhäuser. Und auch an der Restaurierung historischer Gebäude arbeitete Arnaboldi, zuletzt setzte er zum Beispiel den Palazzo del Pretorio in Locarno instand (2022).

Vor wenigen Wochen konnte Michele Arnaboldi zusammen mit Michele Gaggini den Wettbewerb für Bellinzonas neues Spital gewinnen. (Visualisierung: © EOC Kantonale Spitalverwaltung)
Das neue Krankenhaus wird dereinst die grösste Gesundheitseinrichtung im Südkanton sein. Die Jury begründete ihre einhellige Entscheidung für den Entwurf von Arnaboldi und Gaggini vor allem mit dessen ökologischen und sozialen Vorzügen. (Visualisierung: © EOC Kantonale Spitalverwaltung)

Seinen letzten grossen Erfolg feierte Michele Arnaboldi erst im Januar: Gemeinsam mit Michele Gaggini gewann er den Wettbewerb für Bellinzonas neues Spital. Die Jury entschied sich einstimmig für ihr Projekt namens «Il profumo dei tigli». Die riesige Anlage mit begrünten Höfen soll in eine für alle zugängliche Parklandschaft eingebettet sein, sodass Patientinnen und Patienten von ihren Krankenbetten aus Bäume sehen können. Die Innenräume des rund 380 Millionen Franken teueren Baus sind hell und mit Pflanzen und Holzoberflächen ausgestaltet. Pflegekräfte und Patienten sollen sich hier wohlfühlen, das war den Architekten wichtig. Der Umwelt zuliebe wird mit Recyclingbeton gebaut, ausserdem werden die Dachflächen nach Möglichkeit begrünt. Doch auch wirtschaftlich habe der Entwurf von Arnaboldi und Gaggini am meisten überzeugt, loben die Verantwortlichen. Die erste Bauetappe des Vorzeigeprojekts, das zukünftig die grösste Gesundheitseinrichtung im Tessin sein wird, soll in zehn bis zwölf Jahren fertig sein.

Michele Arnaboldi wird das leider nicht mehr erleben. Das schmerzt, hätte der sympathische Architekt aus Ascona doch bestimmt grosse Freude daran gehabt, den Bau in Betrieb zu sehen. Schliesslich lag es ihm am Herzen, für die Gemeinschaft zu bauen. Architektur sei für Michele Arnaboldi immer eine öffentliche Angelegenheit gewesen, sagt sein Weggefährte Riccardo Blumer.

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