Christ & Gantenbein machen für Roche das Büro zum Möglichkeitsraum
Ulf Meyer
7. oktober 2021
Foto: Walter Mair
In dem eleganten Neubau «Fritz» auf dem Firmengelände in Grenzach-Wyhlen wird in fliessenden Räumen ohne Hierarchien gearbeitet, die immer wieder anders bespielt werden können. Die Idee ist nicht neu, doch die Umsetzung überzeugt.
Als Wahrzeichen und Zugangspunkt zum Firmengelände von F. Hoffmann-La Roche in Grenzach-Wyhlen, einem deutschen Vorort von Basel, fungiert neu ein liebevoll Fritz genannter Bau – Fritz nach Firmengründer Fritz Hoffmann. Entworfen haben den Neubau Emanuel Christ und Christoph Gantenbein mit ihrem Team. Ihr Hauptanliegen war, einen stützenfreien, nicht-hierarchischen Raum zu schaffen mit Fassaden, die an einen «Industrial Palazzo» erinnern und die Gestaltung der älteren Bauten des Unternehmens gekonnt aufgreifen. Das Gebäude soll die architektonische Übersetzung des Wandels der Arbeitskultur innerhalb des Pharmakonzerns sein.
Foto: Walter Mair
Das grösste Pharmaunternehmen der Welt hat den Produktionsstandort in Grenzach-Wyhlen schon vor mehr als einem Jahrhundert nahe der Schweizer Grenze gegründet. Heute arbeiten dort 1450 Menschen. Fritz ist bereits das dritte von Christ & Gantenbein realisierte Projekt auf dem Gelände – nach einem Büro- und einem Technikgebäude, die beide 2011 fertiggestellt wurden. Alle drei Bauten reihen sich in die gestalterische Tradition des Unternehmens ein, die auf Entwürfen von Otto Rudolf Salvisberg (1882–1940) fusst. Mit einem «rationalen Vokabular», so sagen die Architekten selber, hätten sie das orthogonale Wegeraster auf dem Areal fortsetzen und zudem die Aussenräume durch einen neuen Platz stärken wollen.
Foto: Mark Niedermann
Foto: Mark Niedermann
Fliessende Räume in eleganter Hülle – und eine Öffnung zum OrtskernDer Kubus aus Betonfertigteilen ist 23 Meter hoch und hat Fassaden aus Aluminiumpaneelen und Glas. Die Aussteifungskreuze akzentuieren die Ansichten und machen das Tragwerk ablesbar. Die hochwertigen, aber nüchternen Materialien erzeugen eine zurückhaltende Eleganz. Die Erschliessungskerne sind in den Gebäudeecken platziert, und die Mitte bleibt frei von Stützen. Möglich wurde das durch die vorgespannte Kassettendecke. Der nicht-hierarchische Raum lade, so hoffen die Architekten, zu fliessenden Bewegungen ein.
Das Erdgeschoss, in dem sich die Rezeption und die Kantine mit Barista Bar befinden, dient als Zugang zum Firmenareal. Das Café im Parterre ist dabei auch der Öffentlichkeit zugänglich, sodass sich der Campus erstmals zum Ortskern öffnet. Das Foyer hat einen Fussboden aus geschliffenem Ortbeton und massgefertigte Einbauten. Von dort gelangt man in ein doppelgeschossiges Auditorium mit 550 Plätzen im ersten Stock. Darüber wiederum liegen zwei Etagen mit offenen Bürogrundrissen. Gleich, wo man sich im Gebäude aufhält, überall fällt der Blick auf die umliegenden Hügel, das Werksgelände und die Stadtsilhouette von Basel in der Ferne, wo die Konzernmutter unübersehbar beheimatet ist.
Foto: Mark Niedermann
Foto: Mark Niedermann
In den Hauptetagen haben die Architekten «Orte des Rückzugs und für Austausch» geschaffen, für «Interaktion, Arbeit und Erholung», wie sie es etwas blumig nennen. Innenarchitektur und Möbel stammen dabei vom Büro INCHfurniture, das ebenfalls in Basel ansässig ist. Letztere sind stets modular aufgebaut, und es gibt überhaupt nur einige wenige feste Einrichtungsgegenstände. Das solle ein «lebendiges, reichhaltiges und eklektisches Interieur» schaffen, das «einen Kontrast zur Architektur bildet», erklären die Designer. Es war ihr Ziel wie das der Bauherrschaft, attraktive Arbeitsplätze zu schaffen, die den Austausch im Real Life stimulieren. Zehn sogenannte FOB Fritz Elements (Raumelemente) hat das Büro INCHfurniture dafür entwickelt. Teppiche und Pflanzeninseln gliedern die Räumlichkeiten, die trotz Sicherheitssperre tatsächlich fliessend wirken.
Anzumerken ist, dass hybride Arbeitsformen bei Roche schon vor der Corona-Pandemie üblich waren. Allerdings wurde nach der Ausbreitung des Virus voriges Jahr beschlossen, noch mehr in die digitale Infrastruktur im Fritz zu investieren. Um ausserdem eine Zweiklassengesellschaft zwischen den Mitarbeitenden auf dem Campus zu vermeiden, wurden auch andere Gebäude mit Technologie und Annehmlichkeiten aus dem Neubau nachgerüstet.
Foto: Walter Mair
Foto: Mark Niedermann
Rezeption, Bar und Ausgabeküche bestehen aus Kreissegmenten, die mit eloxiertem Strukturblech verkleidet sind. Sie werden durch lineare Körper aus dunklen Spionspiegeln flankiert, um Lichtbrechungen und Reflexionen zu erzeugen. Zusammen bilden die farbige Möblierung, die Deckenleuchtringe und die Pflanzen eine Patchwork-artige Gestaltung, in der vorzu Elemente erweitert, erneuert oder ersetzt werden können.
Die Idee einer offenen Bürolandschaft, die durch einfach bewegliche Objekte zoniert wird und den Austausch zwischen den Mitarbeiter*innen fördern soll, ist nicht mehr neu. Vielfach wurde sie in der Schweiz bereits erfolgreich umgesetzt – zum Beispiel von Diener & Diener für die Swiss Re in Zürich oder vom Büro Hildebrand für die Hapimag. Christ & Gantenbein ist gemeinsam mit INCHfurniture eine überzeugende Umsetzung gelungen, die sich nun im Arbeitsalltag bewähren muss. Denn nicht immer nutzen die Angestellten die neue Umgebung nachher auch tatsächlich so flexibel und kommunikativ, wie von Gestalter*innen und Firmenleitungen erhofft. Auch die architektonische Eingliederung des Neubaus zwischen die übrigen Bauten des Campus und die Öffnung für die Öffentlichkeit gefallen.