Identifikation durch Ornamentik
Lussi + Partner AG
30. november 2023
Blick auf die Südostfassade mit gedecktem Haupteingang und Vorfahrt (Foto: Franz Rindlisbacher)
Lussi + Partner haben das Heilpädagogische Zentrum Innerschwyz gestaltet. Daniele Savi erklärt, wie es dabei gelungen ist, regionale Traditionen aufzugreifen und eine behagliche Atmosphäre zu schaffen – trotz zeitlichen und ökonomischen Drucks.
Herr Savi, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Das Entwerfen eines heilpädagogischen Schulzentrums erfordert eine besondere Sensibilität und Empathie. Die grösste Herausforderung bestand darin, den speziellen Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden, was eine enge Zusammenarbeit mit den Betreibern in allen Phasen des Projekts unverzichtbar machte. Trotz des zeitlichen und ökonomischen Drucks war es uns ein Anliegen, die räumliche und äussere Gestaltung des Schulzentrums als unterstützende Umgebung für die Schülerinnen und Schüler zu konzipieren.
Dabei spielten die räumliche Anordnung, die Wegführung, die Lichtverhältnisse, die Farbgestaltung und die Auswahl der Materialien eine entscheidende Rolle. Ziel war es, Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln und trotz der strengen Vorgaben eine gewisse Leichtigkeit zu suggerieren.
Insbesondere im äusseren Erscheinungsbild strebten wir mit der einfachen und ökonomischen Lösung einer aufgemalten Ornamentik in Form eines Rautenmusters danach, dem öffentlichen Charakter der Schule gerecht zu werden. Diese gestalterische Entscheidung sollte nicht nur ästhetisch ansprechend sein, sondern auch eine subtile Einladung und Offenheit vermitteln, die im Einklang mit der zugrunde liegenden pädagogischen Philosophie steht.
Detail der Holzbau-Fassade mit dem Grossen Mythen im Hintergrund (Foto: Predrag Bekcic)
Die Luftballone sind eine Kunst-und-Bau-Intervention des Künstlerduos Michael Meier & Christoph Franz (Foto: Michael Meier & Christoph Franz)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?
Die Farbgebung der Fassade in Grün korrespondiert mit der Farblandschaft der Umgebung, die von den grünen Hängen der Hausberge von Ibach und Schwyz geprägt ist. Mit seiner kompakten Volumetrie setzt das Gebäude gegen das heterogene und verstreute urbane Gefüge einen Akzent. Das neue Heilpädagogische Zentrum Ibach verkörpert in seiner Grösse und Präsenz eine Reminiszenz an die institutionellen Bauten, die einst entlang der Gotthardstrasse aufgereiht waren. In der Höhe gestaffelt, reagiert das Gebäude auf die umgebende Situation und vermittelt zwischen den unterschiedlichen Höhen der benachbarten Quartiere.
Entlang der Hauptstrasse zeugt die Ornamentik des Gebäudes von seiner Bestimmung als Bildungseinrichtung, wobei das Rautenmuster auf die weitverbreitete Tradition der Fassadenmalerei in Schwyz verweist. Als ökonomische Antwort verwebt sich die mit Ornamenten geschmückte Elementfassade geschickt mit den kulturellen Wurzeln der Region und schafft somit eine harmonische Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit.
Blick entlang der Gotthardstrasse (Foto: Franz Rindlisbacher)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?
Bereits im Rahmen des Gesamtleistungswettbewerbs waren die Bedürfnisse und Wünsche der Bauherrschaft sowie der Nutzerinnen und Nutzer detailliert festgehalten. Dennoch erwies sich die enge Zusammenarbeit in den weiteren Planungsphasen als von entscheidender Bedeutung. Verschiedene Anpassungen im Projektverlauf haben dazu beigetragen, den Entwurf weiter zu verfeinern. In der Gestaltung der Umgebung, im allgemeinen Innenausbau, in der Signaletik und insbesondere in der Farbgebung der Innenräume konnten zahlreiche wertvolle Anregungen seitens der Nutzerinnen und Nutzer erfolgreich in das Bauprojekt integriert werden.
Ess- und Aufenthaltsbereich mit angrenzendem Pausenplatz (Foto: Franz Rindlisbacher)
Grosszügige Treppe im Betonkern mit geschlossenen Brüstungen und Oberlicht (Foto: Franz Rindlisbacher)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?
Das Projekt wurde von Grund auf so konzipiert und dimensioniert, dass eine eingeschossige Aufstockung bei steigendem Platzbedarf mühelos realisiert werden kann. Bereits während der Planungsphase zwischen dem Wettbewerb und dem Vorprojekt wurde das Attikageschoss um zwei zusätzliche Schulzimmer erweitert, um vorausschauend eine Reservefläche zu schaffen. Die grosse Dachterrasse orientiert sich somit nur noch nach Südwesten und geniesst an bester Lage eine wunderbare Aussicht.
Breite Korridore als Aufenthalts- und Spielbereiche mit farbigen Garderobennischen (Foto: Franz Rindlisbacher)
Blick aus einem Schulzimmer Richtung Korridorzone. Pro Geschoss wechselt die Farbe der Garderobennischen, um die Orientierung im Gebäude zu unterstützen. (Foto: Franz Rindlisbacher)
Die Schulzimmer und Spezialräume sind bewusst in der Farbgebung zurückhaltend und warm materialisiert. Die aktivieren Zonen wie die Korridore, Ess- und Aufenthaltsbereiche sind farblich akzentuiert. (Foto: Franz Rindlisbacher)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?
Das Gebäude fügt sich nahtlos in unsere Sammlung von Schulbauten für diverse Lernstufen und Profile ein. In unserem architektonischen Repertoire finden sich grundsätzlich vielfältige Bauwerke, die sich durch ihre jeweilige Aufgabenstellung und die Charakteristika ihrer Umgebung voneinander unterscheiden. Bislang hat ein Holzbauprojekt dieser Grösse und Komplexität in unserem Schaffen gefehlt. Die erworbenen Erfahrungen schätzen wir als wertvollen Zugewinn und blicken mit Vorfreude der Realisierung des nächsten Holzbauprojekts entgegen.
Der überhohe Gymnastikraum befindet sich, um kostspielige statische Ausnahmen zu vermeiden, im dritten Obergeschoss. (Foto: Franz Rindlisbacher)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Die Entscheidung für den Holzbau hat massgeblich dazu beigetragen, dass das Schulzentrum sowohl äusserlich als auch im Inneren eine warme, behagliche und harmonische Atmosphäre ausstrahlt – eine Qualität, die für den Schulbetrieb von herausragender Bedeutung ist. Abgesehen von den ästhetischen Vorzügen überzeugt die Holzbauweise auch durch ihre ökologische Nachhaltigkeit. Nicht zuletzt konnte der enge Zeitplan dank der Vorfabrikation der Holzbauelemente präzise eingehalten werden. Der Wettbewerb wurde im Juni 2020 entschieden, und bereits im August 2022 konnte der vollendete Bau in Betrieb genommen werden.
Schwarzplan (© Lussi + Partner AG)
Grundriss Erdgeschoss (© Lussi + Partner AG)
Grundriss 3. Obergeschoss (© Lussi + Partner AG)
Grundriss 4. Obergeschoss mit Dachterrasse (© Lussi + Partner AG)
Querschnitt (© Lussi + Partner AG)
HZI Heilpädagogisches Zentrum Innerschwyz
Standort
Gotthardstrasse 116, 6438 Ibach
Nutzung
Heilpädagogische Schule
Auftragsart
Gesamtleistungswettbewerb im selektiven Verfahren
Bauherrschaft
Kanton Schwyz, vertreten durch das Hochbauamt, Rickenbach bei Schwyz
Architektur
Lussi + Partner AG Architekten ETH SIA BSA, Luzern
Leitender Architekt, Büropartner: Daniele Savi
Projektleitung: Simon Kellenberger
Mitarbeit: Laura Ceccon, Predrag Bekcic und Linda Matschulla
Gesamtleister
Halter AG, Kriens
Fachplaner
Landschaftsarchitektur: w+s Landschaftsarchitekten AG, Solothurn
Holzbau: Häring AG, Eiken
Bauingenieur: Synaxis AG Uri, Altdorf
Holzbauingenieur: Holzprojekt AG, Luzern
HLKS-Planung: W+P Engineering AG, Stansstad
Elektroplanung: R+B engineering ag, Brugg
Brandschutz: B3 Kolb AG, Biel
Bauphysik: RSP Bauphysik AG, Luzern
Bauleitung
Halter AG, Kriens
Fertigstellung
2022
Gesamtkosten BKP 1–9
ca. CHF 20 Mio.
Gebäudekosten BKP 2
BKP 2: CHF 12.7 Mio.
BKP 2 + BKP 6: CHF 16.2 Mio.
Gebäudevolumen
20'192 m3 (gemäss SIA 416)
Kubikmeterpreis
BKP 2: CHF 630/m3
BKP 2, 4, 5, 6: CHF 850/m3
Energiestandard
Minergie-A
Innenausbau: Minergie ECO
Verwendung von Schwyzer Holz
Kunst am Bau
Michael Meier & Christoph Franz, Zürich
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Holzbau: Häring AG, Eiken
Fotos
Franz Rindlisbacher, Zürich
Michael Meier & Christoph Franz, Zürich
Predrag Bekcic, Luzern