Vordenker, Städtebauer, Alien-Dompteur – zum Tod von Colin Fournier

Elias Baumgarten
12. 9月 2024
Mit ihrem Kunsthaus in der steirischen Landeshauptstadt Graz prägten Colin Fournier und Sir Peter Cook Österreichs Architektur. (Foto: © Christian Plach)

Rüsselartige Öffnungen, die bläulich schimmernde Medienfassade organisch geformt, zwei mechanische Laufbänder als Erschliessung – das Kunsthaus Graz ist eine Pionierleistung. Colin Fournier machte der «freundliche Ausserirdische», den er gemeinsam Sir Peter Cook entworfen hatte, berühmt. Das 2003 neben dem denkmalgeschützten Eisernen Haus aus den 1840er-Jahren eröffnete Museum ist Reibungsfläche und Inspirationsquelle für viele Architektinnen und Architekten – insbesondere aus Österreich. Nicht nur die neuartige Formensprache übt auf viele eine Faszination aus, vielmehr markiert der Bau auch eine Zeitenwende: Zwar wurde er noch mit dem Zeichenstift entworfen, doch die Umsetzung erfolgte bereits digital und viele der Arbeitsmodelle entstanden im 3D-Drucker. Die endgültige Blasenform des Museums wurde mithilfe von Computersoftware entwickelt und statisch optimiert. Ein Expertenteam führte die gesamte Planung in einem 3D-Modell zusammen. Die ausführenden Firmen stellten die Bauteile auf Basis dieses Datensatzes her. – Ein Vorgehen, das vieles vorwegnahm, was heute von den PR-Leuten der Baubranche zuweilen noch als Innovation gefeiert wird.

Eine beeindruckende architektonische Leistung ist auch, wie sich das Kunsthaus bei aller Extravaganz in die Altstadt einfügt. Wer schon in Graz war, kann bestätigen, dass der aussergewöhnliche Bau zwischen seinen historischen Nachbarn wie ein freundliches Wesen wirkt. Längst gehört das Kunsthaus zu den Wahrzeichen der Stadt. 2005 erhielt Colin Fournier das Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark für seinen Beitrag zu dem Projekt.

Das Kunsthaus schliesst an das historische Eiserne Haus an, einen denkmalgeschützten Bau, in dem weitere Ausstellungsräume untergebracht sind. (Foto: © Zepp-Cam, 2004, Graz)

Doch Fournier ist beileibe nicht nur der Architekt des Grazer Kunsthauses: Mit Bernard Tschumi gewann er Anfang der 1980er-Jahre den vielbeachteten Wettbewerb für den Parc de la Villette. Wie das Museum zählt auch die Anlage auf einem ehemaligen Pariser Schlachthof-Areal zu den prägendsten Bauprojekten der letzten Jahrzehnte. Der Grünraum mit seinen charakteristischen roten, dekonstruktivistischen Pavillons war beispielgebend für den Umgang mit Brachen in Europas Grossstädten.

Fournier, der wie Cook der Avantgarde-Gruppe Archigram angehörte, war ein leidenschaftlicher Architekturlehrer: 18 Jahre lang leitete er den Masterstudiengang Urban Design und einen Diplomlehrgang an der Bartlett School in London. Erst kürzlich beendete er eine vierjährige Gastprofessur an der Chinesischen Universität von Hong Kong. Auch als Stadtplaner war Fournier erfolgreich. Er arbeitete an Grossprojekten im Mittleren Osten, gestaltete zum Beispiel in Saudi-Arabien die Planstadt Yanbu für 200'000 Einwohner. 

Der Ausstellungsbesuch im Kunsthaus Graz endet auf der verglasten Aussichtsplattform. (Foto: © Universalmuseum Joanneum, N. Lackner)

«Seinem» Kunsthaus blieb Colin Fournier auch nach der Fertigstellung verbunden. Chefkuratorin Katrin Bucher Trantow sagt, der Brite sei immer eine Unterstützung beim Weiterdenken und Bespielen des Hauses gewesen: «Viel zu früh und mitten in der Planung für einen Vortrag im Kunsthaus ist er nun leider verstorben. Wir danken ihm für sein stets offenes Ohr, sein Vertrauen und seine performative Architektur, die sein Vermächtnis ist.»

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