Schulthess Gartenpreis für die Associazione dei castanicoltori della Svizzera italiana
Manuel Pestalozzi
31. 8月 2022
Selven mit Kastanienbäumen wie diese in Vezio im Tessin können als Nutzgärten betrachtet werden. Landschaftsgestalterische Eingriffe und Wirtschaftsbauten gehören zu ihnen. (Foto: Regula Steinmann / Schweizer Heimatschutz)
Der Schweizer Heimatschutz würdigt mit seiner Auszeichnung in diesem Jahr die Verdienste der Organisation um die Pflege der Tessiner Kastanienhaine. Sie zählen zum Kulturerbe des Südkantons.
Auf der Alpensüdseite standen Kastanien in vergangenen Tagen weit oben auf der Speisekarte. Während wir uns heute im Herbst auf feine Vermicelles freuen oder im Winter gebratene Marroni am Strassenstand zum Aufwärmen oder einfach des Genusses wegen verzehren, waren die Kastanien früher ein wichtiges Grund- und Notnahrungsmittel, etwa dann, wenn die Getreidevorräte zur Neige gingen. Die Wichtigkeit der Kastanienhaine zeigt sich auch auf den alten Schweizer Landeskarten; dort erhielten sie eine spezielle Signatur, so wie auch Rebberge oder Obstbäume. Es kann also keinen Zweifel daran bestehen, dass sie ein wichtiges Kulturgut sind. Die Signatur deutet auch darauf hin, dass die Kastanienbäume, die wie die Reben von den Römern in das Gebiet der heutigen Schweiz importiert wurden, gepflegt werden müssen. Sie sind nicht einfach Wildnis, sondern Teil der Kulturlandschaft.
Auf alten Landeskarten gab es für Kastanienwälder eine spezielle Signatur, wie dieses Beispiel zeigt. Dies gibt Hinweis auf ihre grosse Wichtigkeit. (Karte: swisstopo historic)
Der Pflege der Kastanienhaine ist der diesjährige Schulthess Gartenpreis gewidmet. Die Würdigung der Associazione dei castanicoltori della Svizzera italiana erinnert daran, dass die Pflege und Bewirtschaftung der Bäume und Selven sehr aufwendig ist und viel Handarbeit verlangt.
Die nun ausgezeichnete Organisation besteht erst seit 1999. Sie wurde gegründet, weil im späteren 20. Jahrhundert ein schleichender Verlust der Tradition des Unterhalts und damit die Verwilderung der Selven drohte. Erste Projekte zur Wiederherstellung der Kastanienhaine wurden damals in Angriff genommen, vielerorts wurden lokale Initiativen lanciert. Die öffentliche Hand schuf Möglichkeiten, diese Arbeit zu unterstützen. Und die Associazione dei castanicoltori della Svizzera italiana bündelt seit ihrer Gründung als gemeinsame Plattform das vielfältige Wissen um den Kastanienanbau in den Kantonen Graubünden und Tessin.
In Vezio zeigt sich auch, wie sehr die Kastanienbäume zur landschaftlichen Schönheit der Südschweiz beitragen. Sie sind ein wichtiger Baustein der Tessiner Identität. (Foto: Regula Steinmann / Schweizer Heimatschutz)
Sinnbildlich für die Tätigkeit der Vereinigung stehen zwei Selven in den Tessiner Gemeinden Cademario und Biasca, in denen alle bekannten Kastaniensorten des Südkantons als genetischer Pool für die Zukunft gepflegt und bewahrt werden. Vom Wissen, das in diesem Netzwerk versammelt ist, profitieren auch Organisationen, die sich in anderen Kantonen ebenfalls für die Kastanienkultur einsetzen. Die Verleihung des Schulthess Gartenpreises findet am Samstag, dem 22. Oktober 2022, in Cademario statt.