Leistungsschau

Elias Baumgarten
28. 2月 2019
Das DFAB House zeigt die Möglichkeiten, die digitale Entwurfs-, Konstruktions- und Bauverfahren heute bieten. Bild: Roman Keller
Alte Träume, neue Möglichkeiten

Seit bald zwei Dekaden glänzt Frank O. Gehrys fischförmige Skulptur El Peix golden im Hafen von Barcelona. 1992 wurde sie mithilfe eines Wireframe-Modells gestaltet und konstruiert. 2011 wurde Coop Himmelb(l)aus Martin Luther-Kirche in Hainburg in Österreich fertig. Ihr frei geformtes Dach wurde als plated structure aus Stahlblech ausgeführt – eine konstruktive und bauphysikalische Herausforderung und Pionierleistung, obschon gelegentlich Schwitzwasser von der Decken in den Kirchenraum tropft. Gezeichnet wurde die schwungvolle Struktur teils noch händisch. Und als in 2007 Zaha Hadids gekurvter Entwurf für die Hungerburgbahn in Innsbruck realisiert wurde, mussten die zweifach gekrümmten Gläser extra aus China eingeflogen werden – niemand in Europa konnte sie fertigen. Es zeigt sich: Der Traum von frei geformten und mehrfach gekrümmten Architekturen ist nicht mehr ganz neu. Doch seit den ersten Pionierbauten und Gehversuchen hat sich die Technik enorm entwickelt. Das DFAB House von Empa und Eawag in Dübendorf zeigt jetzt, was digitale Technologien inzwischen zu leisten vermögen. Mittlerweile eröffnen neue Software, Roboter und Fortschritte in der Materialforschung so grosse Möglichkeiten, dass die Forscher*innen der Empa, der Eawag und ETH-Professor Matthias Kohler, der das Projekt DFAB House mit initiierte und leitet, die Etablierung einer «digitalen Baukultur» in Bälde erwarten. Dann würden nicht länger nur einige wenige (repräsentative) Bauten frei geformt sein und mithilfe digitaler Verfahren erstellt werden, sondern alle Häuser.

Pfosten und Rippendecke sind entsprechend der auftretenden Belastungen geformt. Bild: Roman Keller
Die Schalung der geschwungenen Wand wurde von Robotern erstellt. Betoniert wurde hernach jedoch in Handarbeit. Bild: Roman Keller
Montage der filigranen Betondecke. Bild: Roman Keller
Wohnen im Prototyp

Das DFAB House besteht aus drei Stockwerken. Es ist voll ausgestattet und möbliert: In ihm sollen Gäste der Empa und der Eawag wohnen und so die Alltagstauglichkeit des Pionierbaus unter Beweis stellen. Im Mai schon sollen die ersten einziehen. Das unterste Geschoss verfügt über Betonpfosten, deren Querschnitt der jeweiligen Belastung entspricht: Ihr Volumen nimmt zu den Rändern hin ab und ist im Mittelteil am grössten. Die filigrane Rippendecke darüber ist ebenfalls in Abhängigkeit von den auftretenden Kräften geformt. An den dünnsten Stellen ist sie nur wenige Zentimeter stark. Die nötige komplexe Schalung wurde mit einem 3D-Drucker produziert, der bereits am Markt ist. Die Decke besteht aus mehreren Einzelteilen, die vorgefertigt und mithilfe eines Krans in Position gehievt und montiert wurden. Die organisch anmutende Konstruktion spart viel Gewicht und Material. Zoniert wird der Raum durch eine geschwungene Betonmauer. Deren Bewehrung, die zugleich als Schalung diente, wurde vor Ort von einem Roboter zusammengeschweisst. Das Betonieren selbst geschah dann in aufwändiger Handarbeit.

Die beiden Geschosse darüber werden von einer Holzkonstruktion gebildet. Auch sie ist frei geformt und wurde am Computer modelliert. Sie wurde mithilfe von Robotern erstellt. Weil die Aussenflächen an manchen Stellen mehrfach gekrümmt sind, entschied man sich für eine Haut aus zwei Membranen, deren Zwischenraum mit dem hochporösen Festkörper Aerogel gefüllt und so gedämmt wurde. Dieses Kleid ist lichtdurchlässig und taucht den Innenraum in weissliches Licht.

Die Holzkonstruktion besitzt eine Verkleidung aus zwei Membranen mit Aerogel-Dämmung. Bild: Roman Keller
Fertigung der Holzkonstruktion mittels Roboter. Bild: Roman Keller
Neue Ziele

An der Eröffnung wurde Matthias Kohler nach dem ökologischen Fussabdruck und auch den Kosten des Pionierbaus gefragt. Er zeigte sich überzeugt, dass digital entworfene und gebaute Häuser mittelfristig ressourcenschonender und günstiger sein werden, als solche, die auf traditionellem Wege gestaltet und erstellt wurden. Den Nachweis gilt es für ihn, die Forscher*innen der Empa und der Eawag sowie ihre Industriepartner in den kommenden Jahren zu führen. Nur dann besteht die Perspektive, dass sich eine «digitale Baukultur», von der Matthias Kohler an der Eröffnung sprach, etablieren kann, und sich die Formensprache unserer gebauten Umwelt wesentlich verändert könnte. Aufgestossen hat die Forschungsarbeit bereits jetzt neue Türen für jene Gestalter*innen, die sich aus ästhetischen Gründen für frei geformte Sonderkonstruktionen begeistern und diese bei ausgewählten Bauvorhaben umsetzen.

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