Calatrava in Grüningen
Manuel Pestalozzi
5. 9月 2018
Santiago Calatrava präsentierte sein Projekt im Schloss und einstigen Landvogtssitz von Grüningen. Bild: Manuel Pestalozzi
Das historische Städtchen Grüningen im Zürcher Oberland soll (endlich) eine Umfahrung erhalten. Am 4. September stellte Santiago Calatrava vor Ort sein Projekt vor, das erfolgreich aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist.
Gut gelaunt fanden die früh eingetroffenen Presseleute den global tätigen Stararchitekt- und Ingenieur neben dem Gipsmodell stehend vor. Sein Büro habe es selbst hergestellt, wie er betonte. Es zeigt das historische Städtchen, das auf einem kleinen Hügel steht und nach Süden und Westen vom steilen Tobel der Mönchaltorfer Aa begrenzt wird. Die schöne, einst wohl auch verteidigungstechnisch gute Lage bildet für den regionalen Verkehr zwischen Zürcher Oberland und Zürichseegebiet ein Hindernis. 1844 wurde im Tobel ein Damm aufgeschüttet, über den die Strasse bis heute mitten durch den historischen Ortskern führt. Er bietet nur eine Fahrspur, eine Ampelanlage regelt den stets stockenden Fluss.
Die aktuelle Verbindung nach Süden besteht aus einem Damm, der keinen Gegenverkehr mehr zulässt. Bild: Manuel Pestalozzi
Santiago Calatrava präsentierte seinen Vorschlag ausdrücklich als städtebauliches Projekt. Trotz einer guten Dokumentation seitens der Auftraggebenden (das Vorhaben hat in den letzten 15 Jahren zahlreiche Gutachten generiert) nahm sein Team eine gründliche Ortsanalyse vor. Mit erstaunlichem Detailwissen konnte er über die Eigenheiten des kleinen, vom Natur- und Heimatschutz mit Argusaugen bewachten Städtchens in der weiteren Agglomeration von Zürich plaudern. So weiss er, wo man in Grüningen die Enten quaken hört, wo jeweils ein Jahrmarkt stattfindet und wo einst die Erde für den Damm abgegraben und so die Topographie verändert wurde.
Das Projekt von Calatrava Valls SA umfasst eine Brücke und einen gedeckten Geländeeinschitt. Bild: Calatrava Valls SA
Das Projekt von Calatrava Valls SA ist eines von drei, welches dem Beurteilungsgremium im eingeladenen Wettbewerb vorgelegt wurden. Die anderen Vorschläge stammten von Teams mit Ingenieur- und Architekturbüros (dsp AG/Feddersen & Klostermann, Fürst Laffranchi/Jachen Könz). Diese führen den Verkehr von Süden auf der schon grob festgelegent Streckenführung zur Verzweigung der Strassen nach Wetzikon und Bubikon östlich des Städtchens. Dies tangiert den Friedhof. Calatrava Valls führt die Umfahrungsstrasse am südlichen Ende des Damms abwärts, zu einer relativ tief liegenden Bogenbrücke. Sie führt auf der anderen Seite des Tobels in einen überdeckten Geländeeinschnitt, der bei der Strasse nach Wetzikon endet. Die erwähnte Verzeigung und die dort geforderte Bushaltestelle wird über eine Art «Bretzel» in mehreren Windungen erreicht.
Die elegante Brücke wirkt diskret und liegt tiefer als die benachbarten Siedlungsgebiete. Bild Calatrava Valls SA
Der Vorschlag von Santiago Calatrava ist nach den ersten vorsichtigen Kostenschätzungen in etwa drei Mal teurer als die beiden anderen Projekte. Aber die Verantwortlichen in der Gemeinde und der Verwaltung des Kantons halten ihn für bewilligungstauglich. Bei den Konkurrenten hegten sie diesbezüglich grosse Zweifel. Natur- und Heimatschutz muss man sich etwas kosten lassen, lautet das Fazit der Projektpräsentation. Sie zeigte auch, dass die Doppelkompetenz Architektur/Ingenieurwesen gerade bei solchen Aufgaben sehr wichtig ist. Die Wegführung des Calatrava-Projekts, das auch, wie gefordert, eine Fussgängerbrücke als Dammersatz umfasst, zeigt, dass hier die Umfahrung mehr als eine Problemlösung für den Verkehr ist sondern als eine allgemeine Aufwertung des Strassen- und Wegnetzes von Grüningen verstanden wird, von welchem der Ort bei seiner künftigen Entwicklung profitieren kann.
Die bisher zuständige Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich, respektive dessen Amt für Verkehr, will das Projekt nun der Baudirektion übergeben, die eine Kreditvorlage an den Kantonsrat ausarbeitet. Läuft alles wie gewünscht, soll ca. 2026 Baubeginn sein.