Soziale Nachhaltigkeit: Räumliche Ordnungen als Ausdruck sozialer Praxen
Inge Beckel
30. 9月 2010
Soziale Nachhaltigkeit handelt von der Partizipation von und der Kommunikation unter Menschen. (Bild: flickr/e.n.)
Für Kurzentschlossene: Heute Abend findet in der Messe Luzern eine Tagung statt, veranstaltet von der Hochschule Luzern, Abteilung Technik & Architektur. Sie stellt sich der Frage: «Wie werden nachhaltige Bauten gesellschaftsfähig?» Inge Beckel sprach im Vorfeld mit Barbara Emmenegger, Projektleiterin und Dozentin am Institut für Soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern.
Was soziale Nachhaltigkeit denn eigentlich sei?, wollte ich am Anfang unseres Treffens an der Schule für soziale Arbeit in Luzern wissen. Nun, meinte Barbara Emmenegger, eine klare Definition gebe es wohl nicht. Schliesslich könne man die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit nicht numerisch erfassen oder messen – dies im Gegensatz zu jenen der ökonomischen Seite sowie mehrheitlich auch jenen der ökologischen Nachhaltigkeit. Denn, wie grundsätzlich im Feld der philosophischen Disziplinen üblich, werden in der Soziologie primär Diskurse geführt. Diskurse, wo gültige Positionen ausgehandelt, unter den beteiligten Gruppen debattiert, wieder verworfen und erneut verhandelt werden müssen.
Es zeigt sich, dass soziale Nachhaltigkeit viel und wohl vor allem mit Kommunikation zu tun hat. Um kommunizieren zu können, braucht es mehrere Personen oder Gruppen. Im Baugewerbe sind die unterschiedlichen Partner oder beteiligten Gruppen einerseits die Bauträger oder Investoren, weiter das Architekturbüro oder das interdisziplinäre Team und schliesslich, sofern bekannt, die künftigen Nutzer und Nutzerinnen. Oft sind Bauträger und später Nutzende dieselben, aber nicht immer – Tendenz steigend. Im Sinne sozial nachhaltiger Projekte sind folglich sowohl Architekten als auch Bauträger sowie möglichst Nutzer in den Planungs- und Bauprozess zu integrieren.
Frau Emmenegger, Ihr Thema heute Abend heisst «Herausforderung bei der Partizipation in Bauprojekten – soziale Nachhaltigkeit». Bedeutet soziale Nachhaltigkeit immer das Einbeziehen auch von Menschen, die von ausserhalb der Baubranche kommen?
Raum ist gewissermassen ein Zusammentreffen oder die Summe aus drei Faktoren. Dies ist einmal die bauliche Struktur, die Architektur im herkömmlichen Sinne. Für uns Menschen ist Raum aber auch gelebter Raum, der sozial produziert, dynamisch und also veränderbar ist. Schliesslich kommt noch die Imagination dazu, die gültige persönliche wie kulturelle Vorstellung von Raum.
Zurück zu Ihrer Frage. Sozialer Raum besteht immer aus allen Faktoren, die physische Materialität einer Baute ist nur einer der relevanten Teile. Demnach lässt soziale Nachhaltigkeit beim Bauen stets auch Menschen ausserhalb des eigentlichen Bauens am Entwicklungsprozess partizipieren.
Sie plädieren dafür, dass eine sozial nachhaltige Raumentwicklung sich an den Akteuren und Akteurinnen orientiert. Wer sind diese?
Grundsätzlich gilt es im Vorlauf jeden Bauprozesses zu überlegen, wofür ein Projekt genau geplant werden soll – mit welchen Zielen, aber auch mit welchen Mitteln? Hier muss entschieden werden, wie weit man sich auf das Umfeld, das geografische, kulturelle sowie das soziale, einlassen will – und entsprechend muss man überlegen, aus welchen Gruppen Vertreterinnen und Vertreter beizuziehen sind. Dabei ist sicherlich wichtig, dass dieser partizipative Prozess professionell vorbereitet und durchgeführt wird. Es geht nicht darum, alles durchwegs basisdemokratisch zu verhandeln. Das ist wohl nur in seltenen Fällen sinnvoll.
Man hat sich also Gedanken darüber zu machen, wer die Entscheidungsträger sind. Es geht um eine bewusste Reflexion über die Teilhabe des Umfeldes an einem Entwicklungsprozess. Wichtig ist, dass man die Menschen, die von einer planerischen oder baulichen Massnahme betroffen sind, ernst nimmt in ihren Wünschen, Ängsten, auch Ideen. Natürlich können nicht alle Einwände aufgenommen werden, doch es ist wichtig, diese zu kennen. Eines ist klar: Partizipation erhöht die Wahrscheinlichkeit, planerische – auch politische – Vorhaben effektiv umzusetzen – übrigens ganz im Sinne technischen wie wirtschaftlichen Effizienzdenkens!
Sie sprechen davon, dass Partizipation im Sinne sozialer Nachhaltigkeit eine Haltung verkörpert und weniger eine Art «Baustein» einer Methode ist, der additiv in den Prozess eingefügt werden muss. Es kommt also nicht einfach etwas dazu, das dann allenfalls noch kostet; es geht um eine Haltung, eine Einstellung.
Ja, das ist richtig. Man kann dies vielleicht auch so ausdrücken: Werden im Sinne eines sozialen Raumes neben engeren Fragen der Architektur auch die handelnden Menschen einbezogen, endet ein Baugrundstück nicht an der Parzellengrenze, sondern dehnt sich weit darüber hinaus, in der Regel über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus. Es ist mehr eine Haltung, dieses Umfeld partizipieren zu lassen, es gibt kein eigentliches Rezept dazu …
Eine Haltung kann man nicht verordnen. Um auf den Titel der Tagung zurückzukommen, der da heisst: Wie werden nachhaltige Bauten gesellschaftsfähig?, wie sollte man vorgehen, um eine Haltung, die Partizipation grundsätzlich miteinschliesst, zu fördern?
Ein wichtiger Faktor ist sicherlich die Ausbildung – hier ist solches Denken und Handeln zu erlernen und zu üben. Auch interdisziplinär zusammengestzte Teams befördern ein solches Bewusstsein, das Bewusstsein, dass es viele Menschen und Fachgebiete sind, die auf einen Planungs- und Bauprozess einwirken. Dann gilt es sich – persönlich, im beruflichen Alltag, auf Tagungen, mit Artikeln – stets auszutauschen. Womit wir wieder am Anfang des Gesprächs sind: In jedem Entwicklungsprozess, wozu solche der Architektur und des Städtebaus unmissverstänlich dazugehören, gilt es zu kommunizieren, zum richtigen Zeitpunkt mit den relevanten Partnerinnen und Partnern.