Raum aufgespannt

Thomas Geuder
5. novembre 2013
Beste Lage: Oppenheim mit gotischer Katharinenkirche im Hintergrund ist heute eine Stadt des Weins mit dem Deutschen Weinbaumuseum. (Foto: Christian Richters)

Zugegeben, über Fenster mit guten Wäremdämmwerten zu schreiben, fühlt sich irgendwie verwegen an. Neu an derartigen Fenster-Systemen jedenfalls ist meist im Prinzip nicht viel, weil es vieles schon gibt. Erwähnenswert ist manchmal die Form der Profile, die etwa eine noch schmalere Ansicht und dadurch noch mehr Durchsicht bieten. Interessant könnten die Werte auch noch für die verschiedenen Umweltzertifikate sein, damit der Projektentwickler später ein gutes Vermarktungsargument in der Tasche hat. Ganz pragmatisch – und nicht erst, seit die Energiewende das Energiesparen in das allgemeine Interesse gerückt hat – interessiert Otto Normalbewohner natürlich auch, wie viel Energie durch ein Fenster verloren geht, sprich: Heizenergie hinaus entweicht. Und wie viel Energie gewonnen werden kann, etwa durch solare Gewinne in den kälteren Jahreszeiten. Das Fenster ist schliesslich die dünnste und dazu noch transparenteste Schnittstelle der Aussenhaut zwischen drinnen und draussen und muss deswegen umso mehr leisten. So gesehen manifestiert sich im Fenster das komplexe Thema des Energiesparens, ja, der Energiewende quasi innerhalb weniger Zentimeter. Und da es für die richtige Produktkombination und -anordnung keine wirklichen Patentrezepte gibt, weil jedes Haus seine eigenen Rahmenbedingungen hat, ist hier die Planungsfähigkeit des Architekten und Planers umso mehr gefragt. Der muss die einzelnen Systeme und Anforderungen sorgfältig und sinnvoll aufeinander abstimmen. Mit einem (hoffentlich) hohen Anspruch an die Gestaltung.

Schüco AWS 75.SI besitzt Dichtungen mit Schaumkern, einen wärmegedämmten Glasfalz, höheren Schaumvolumenanteil und eine coextrudierte Mitteldichtung mit doppelter Aufnahmenut und Fähnchen. (Quelle: Schüco)

Wir möchten es trotzdem tun, das Schreiben über Fenster: zum Beispiel über das Aluminiumfenster-System AWS 75.SI von Schüco (SI steht übrigens für «Super Insulation»). Mit einem U-Wert von 1,3 W/m²K, einer Bauteiltiefe von lediglich 75 mm, relativ schmalen und dadurch schönen Profilansichten, einer Schalldämmung bis 48 dB sowie einer Dreifachverglasung bietet es im Prinzip alles, was sich ein Architekt wünscht. Sofern er nach einer Aluminium-Optik für seinen Entwurf sucht (selbst an diesem Punkt hat Schüco verschiedene Farben im Sortiment). Für die Architekten von Trint+Kreuder d.n.a aus Köln jedenfalls waren all diese «inneren» Werte letztendlich wichtig, als sie ihr Einfamilienhaus in Oppenheim planten. Schliesslich war bereits in der Entwurfsphase klar, dass es grosse Fensterflächen geben wird. Also musste ein ordentliches Produkt verwendet werden.

Die Dachform folgt der Vorgabe durch die bestehenden Kellergewölbe und spannt so den Wohnraum auf. (Foto: Christian Richters)

Die grossen Fensterflächen haben die Architekten erhalten, weil ihr Entwurf auf einer simplen wie poetischen Idee basiert: Im mittelalterlichen Stadtkern von Oppenheim, neben der gotischen Katharinenkirche befindet sich hinter hohen Mauern versteckt ein Grundstück mit den Resten einer Hofanlage oberhalb eines kleinen Weinbergs: Von der ursprünglichen Bebauung ragten seit Mitte des 19. Jahrhunderts nur vier Plateaus der Gewölbekeller aus dem Hang heraus. Kay Trint und Hanno Kreuder suchten einen behutsamen Umgang mit dieser Situation, und so beschränkten sie sich darauf, die Plateau-Flächen architektonisch in die Höhe zu heben und den so entstandenen Zwischenraum vollständig mit Glas gegen den Aussenraum abzugrenzen. Um diesen Akt des Schaffens von Raum durch Hochheben einer Ebene noch zu verdeutlichen, besteht das Gebäude optisch am Ende nur zwei Materialien: Beton und Glas. Das Glas sollte sogar zwischen der skulpturalen Betonkonstruktion und den bestehenden Plateaus so weit wie möglich verschwinden und nur die reine Funktion der Trennung von Innen und Aussen übernehmen. So versteckten die Architekten die Rahmenprofile im Boden bzw. in der Decke – natürlich mit den entsprechenden Revisionsstreifen, damit ein nachträglicher Austausch der Scheiben möglich ist. Ein grosszügiger Dachüberstand sorgt dafür, dass nur wenig Wasser an die Scheiben gelangt. Für eine Firma wie Schüco war dieser Bau sicherlich kein normaler Auftrag, schliesslich sollten die eigenen Produkte so eingebaut werden, dass man sie hinterher nicht sieht. Für die Architekten jedoch war das die einzig richtige Möglichkeit, ihre Entwurfsidee bis ins Detail konsequent durchzudeklinieren. Der Blick nach draussen auf Kirche und Weinberg jedenfalls gibt ihnen Recht.

Der alte Gewölbekeller besteht aus mehreren Räumen, die ineinander verschränkt oder durch Treppen verbunden sind. (Foto: Christian Richters)
Die Fensterprofile samt Glashalteleisten wurden bündig hinter den Oberflächen versteckt, damit der Blick ungestört über Oppenheim und Umgebung gleiten kann. (Foto: Christian Richters)
Der grosszügige Dachüberstand hält den Regen und die Sommersonne von Fenster und Innenraum fern. (Foto: Christian Richters)
Der Einbau der grossen Scheiben erfolgte noch vor Einbringen der Gipskarton-Decken und des Industrieestrichs. (Foto: Trint+Kreuder)
Sämtliche konstruktiven Elemente, die aussteifenden Betonscheiben und wenigen Stützen befinden sich aussen. Hinter diesen Tragelemente sollten die Fensterprofile versteckt bleiben. (Foto: Trint+Kreuder)
Lageplan
Grundriss Hauptgeschoss
Grundriss Gewölbekeller (Bestand)
In der Nacht wird deutlich, welche Transparenz die Innenräume haben – und welche Wärmedämmeigenschaften das verwendete Fenstersystem haben muss. (Foto: Christian Richters)
Den Haupteingang an der Strassenseite markiert der Bodenbelag vor der richtigen Tür. (Foto: Christian Richters)
Schüco International KG
Bielefeld, D

Hersteller-Kompetenz
Fenster-System AWS 75.SI

Projekt
Privates Wohnhaus
Oppenheim, D

Architekt
trint+kreuder d.n.a
Köln, D

Bauherr
privat

Bauakustik, Wärmeschutz, Energie
knp.bauphysik
Köln, D

Fertigstellung
2011

Fotografie
Christian Richters
trint+kreuder d.n.a

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