Geh-fühlend

Thomas Geuder
10. luglio 2013
Das neue Microsoft Briefing Center befindet sich im 1. Obergeschoss des Bürogebäudes von Microsoft Schweiz in Wallisellen bei Zürich. (Foto: David Franck)

Eltern kennen das Kinderlied: «Wozu sind die Füsse da, Füsse da, Füsse da / wozu sind die Füsse da, wozu sind sie da? / Die Füsse sind zum Stampfen da, Stampfen da, Stampfen da / die Füsse sind zum Stampfen da, dazu sind sie da.» Und so weiter, immer mit anderen Körperteilen. Was Kinder bei diesem Liedspiel lernen sollen, ist natürlich der Sprachwortschatz und sind verschiedene Bewegungsabläufe. Und: Es geht auch um das Sensibilisieren des eigenen Körpers als Wahrnehmungsapparat, mit dem sich die Umwelt abseits des Sehens erkunden lässt. Viele dieser neu erlebten Sinneseindrücke werden jedoch schon bald nur noch unbewusst wahrgenommen und sind dann Teil der Empfindung einer subjektiven Gesamtheit aus inneren und äusseren Reizen. Oder anders gesagt: Wer achtet schon ganz bewusst darauf, wie sich in einem Raum das Laufen anfühlt! Typische Fussgefühle wie Sand, Stein, Holz kennt man natürlich. Aber wie steht es mit dem Boden am Arbeitsplatz? Oder im Museum? Oder beim Finanzamt? Vom Boden wird immer ein gewisses Aussehen erwartet, aber vom Laufgefühl sprechen nur wenige, selbst Architekten nur selten. Komisch eigentlich, findet auch Otto Normalgeher, der in Zukunft noch genauer schauen wird, wie sich das Fussgefühl auf ihn auswirkt.

Und doch: Der Architekt ist schlussendlich derjenige, der all das planen kann. Das Geschehen am Fuss wirkt sich auf den gesamten Körper aus, auf die Haltung, die Bewegung und letztendlich auf die Reaktion, also auf das Verhalten. Soll man eher langsam über eine Fläche gehen, oder soll es eher praktisch und schnell zugehen? Ist der Auftritt hart und fest, oder darf es auch etwas weicher und kuscheliger sein? Diese und andere Fragen dürfen und müssen beim Thema Bodenbelag gestellt werden.

Beim Betreten des Briefing Centers gelangt der Besucher zunächst in die «MICROSOFT Kinect Welcome Zone», wo sich ihm die «Suface Bar» förmlich entgegenstreckt. (Foto: David Franck)

Kautschuk-Bodenbeläge etwa sind zwar nur ca. 3 mm dick, besitzen aber einen sehr hohen Gehkomfort. Das folgt aus den Eigenschaften des Materials, das dauerhaft elastisch, rutschhemmend und (beim Begehen ohne Schuhe) angenehm fusswarm ist und so jeden Schritt für die Gelenke zu einer kleinen, aber feinen Wohltat macht. Akustisch äussert sich das im Auftritt, der deutlich leiser stattfindet, als bei vielen anderen Bodenbelägen. Wir haben uns das einmal beim Klassiker norament der Firma nora aus der schönen Zweit-Burgen-Stadt Weinheim bei Heidelberg angeschaut: Die Basis bilden hier Natur- und Industriekautschuke, die mit Mineralien aus natürlichen Vorkommen und weiteren Komponenten wie umweltverträglichen Farbpigmenten (ohne Schwermetalle und andere toxische Inhaltsstoffe) gemischt, zu Rohlingen ausgezogen, gepresst und anschliessend unter Hitze und hohem Druck vulkanisiert werden. So entsteht ein Bodenbelag mit einer dichten und geschlossenen Oberfläche, der sehr belastbar und reissfest ist und ausserdem keine Weichmacher (Phthalate), Halogene (z. B. Chlor), PVC oder chlororganische Verbinden enthält – letztere sind zentrale Punkte beim Thema Raumluftqualität. Und (das darf an dieser Stelle ruhig noch gesagt werden): norament ist ein Produkt, das einige Umweltsiegel sowie (seit 2011) die europaweit anerkannte und begehrte Umweltproduktdeklaration (EPD) nach ISO 14025 erhalten hat. EPD umfassen alle Phasen des Produktlebenszyklus, von der Produktion über den Einbau, die Nutzung und Wartung bis zum Ende des Lebenszyklus eines Produkts im Gebäude. Innerhalb des «nora system blue» gewährleistet nora durch emissionsarme Bodenbeläge und Verlegewertstoffe sowie entsprechend qualifizierte Verleger höchste Qualitätsstandards. Was die Haltbarkeit angeht, so findet sich ein gutes Beispiel derzeit in der Neuen Staatsgalerie in Stuttgart, über deren legendären grasgrünem nora-Noppenboden aus Kautschuk seit 1984 (Architekt James Stirling damals: «Because I like it!») Millionen Besucherschuhe getreten sind und der nun, nach fast 25 Jahren der Benutzung, ausgetauscht werden muss.

Ein Lounge-/Kommunikationsmöbel und ein weicher Teppich laden den Besucher in der «Product Lounge» ein, sich ausgiebig mit den Microsoft-Produkten zu beschäftigen. (Foto: David Franck)

Differenzierter auf Raumzonen abgestimmt spielen die Architekten von COASToffice bei neuen Microsoft Briefing Center in Wallisellen bei Zürich mit dem Thema Fussgefühl. Ihre nicht ganz einfache Entwurfsaufgabe bestand darin, einen über Eck verlaufenden, schmalen Raum so einzuteilen, dass auf diesem – sagen wir einmal – etwas ungeschickt geformten Raum ein interaktiver Produktpräsentations- und Eventraum mit hoher Präsentations- und Nutzungsflexibilität entstehen sollte. Das geschieht natürlich baulich durch (Glas-)Wände und Möbel, aber auch durch einen bewussten Wechsel im Bodenbelag. Im gesamten Raum befindet sich der gehfreundliche normaent-Kautschuk-Belag, nur im Bereich der Produktpräsentationen lädt ein hochflooriger Teppichboden zum Verweilen auf den Sitzgelegenheiten ein. Hier, direkt nach dem ersten Eintreten in die «Welcome Zone», soll sich der Besucher zunächst einmal lösen von der Hektik der Stadt und zur Ruhe kommen, ehe es wieder geschäftig weiter geht – dann wieder auf Kautschuk-Boden. Dieses hin zu einem besonders weichen, wohltuenden Schreiten und wieder zurück zu einem angenehmen, Halt gebenden Laufen ist für die Raumwahrnehmung enorm wichtig, geht es doch darum, den Besucher quasi abzuholen und elegant in die Welt von Microsoft hinüberzuschubsen. Ganz unbemerkt gibt die Art des Bodenbelags hier dem Besucher eine Hilfestellung in Sachen Benutzung des Raums. Die monochrome Gestaltung, die sich als Hintergrund für die dynamisch wechselnden Farben der medialen Inhalte auf den Bildschirmen und der Kunden, Gäste und Mitarbeiter versteht, sowie die formale Gestaltung mit dynamischen Lounge- und Kommunikationsmöbeln tuen ihr Übriges zu diesem Raumgefühl. Eingesetzt haben die Architekten hier übrigens die Oberflächenstruktur «Hammerschlag», dem Namen nach einer Speziallackierung entlehnt, deren Lack beim Trocknen eine netzartig strukturierte Oberfläche erzeugt. Bleibt also nur noch die Frage an Otto: Hat‘s gewirkt? Er hat es nicht bemerkt. Dann haben die Architekten es offensichtlich richtig geplant.

Blick zurück Richtung Eingang: Die Möblierung und der Wechsel des Bodenbelags gliedern die «Product Lounge» in verschiedene Zonen, die dadurch verschieden genutzt werden. (Foto: David Franck)
Ob gemütlich sitzend, stehend oder am Tisch: Viele Gesprächsformen sind im Briefing Center möglich, wodurch auf unterschiedliche Kunden, Produkte, Gruppengrössen oder Präsentationsformen individuell reagiert werden kann. (Foto: David Franck)
Zonierung des Raums
Grundriss mit Möblierung
norament ist in vielen verschiedenen Oberflächen und Farben erhältlich – hier deswegen nur ein Auszug als Rundnoppe und als Hammerschlag. (Quelle: nora)
Zur Inspiration: Nahaufnahme von norament Hammerschlag in verschiedenen Farben (Quelle: nora)
Der Kautschuk-Boden norament trägt beim Microsoft Briefing Center wesentlich zur Raumwirkung bei – im Bild ist das nur schwer erkennbar ist, da es sich bei der Charakterisierung des Raums um das Gefühl beim Gehen handelt. (Foto: David Franck)
nora systems GmbH
Weinheim, D

Hersteller-Kompetenz
Kautschuk-Bodenbelag norament Hammerschlag

Projekt
Microsoft Briefing Center
Wallisellen, CH

Innenarchitekt
COASToffice architecture
Stuttgart, D

in Zusammenarbeit mit

RBSGroup
Zürich, CH

L2M3 Communicationdesign
Stuttgart, D

Bauherr
Microsoft Schweiz GmbH
Wallisellen, CH

Fertigstellung
2012

Fotonachweis
David Franck

Projektvorschläge
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Progetto in primo piano

ZPF Ingenieure

Universitäts-Kinderspital Zürich, Akutspital

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