Nachruf für Stanley Tigerman
Elias Baumgarten
5. giugno 2019
Stanley Tigerman bei einem Vortrag im Jahr 2007. (Foto: Lee Bey via Wikimedia Commons)
Stanley Tigerman ist verstorben. Seine bisweilen formal verspielte Architektur wirkt heiter und ausgelassen. Doch Tigerman hatte auch eine ernste Seite: Er war sozial in hohem Masse engagiert. Viele seiner Student*innen sahen in ihm deshalb ein Vorbild. Die US-amerikanische Architekturszene verliert mit ihm eine wichtige Leitfigur.
Soziales EngagementStanley Tigerman gestaltete 2007 für die Parcific Garden Mission ein Obdachlosenheim gross wie ein ganzes Quartier. Er war sozial überaus engagiert. Die gesellschaftliche Dimension seiner Bauten und Designs lag ihm am Herzen. 1984 gründete er gemeinsam mit Eva L. Maddox die Designschule Archeworks als Non-Profit-Projekt. Die Student*innen entwickelten zusammen mit Partnern aus der Industrie Lösungen für soziale und ökologische Gestaltungsfragen. 2009 positionierte sich Tigerman, der jüdischer Herkunft war, auch politisch: Er entwarf das Illinois Holocaust Museum and Education Center.
Das Holocaust Museum von Illinois (Foto: Eddau via Wikimedia Commons)
Formal verspieltSo ernst die Überlegungen hinter seinen Bauten oft waren, so heiter und verspielt wirken viele davon äusserlich. Heute würde man sie wohl unter dem Begriff Postmoderne subsumieren. Tigerman, der am Massachusetts Institute of Technology, dem Chicago Institute of Design, der University of Illinois und an der Yale studierte, wandte sich damit gegen die strenge und reduzierte Formensprache, die Ludwig Mies van der Rohe in seiner Heimatstadt Chicago lehrte und propagierte. Tigerman war mit seinem Stil über fünf Dekaden sehr einflussreich: Der Direktor der Architekturschule der University of Illinois baute in verschiedensten Ländern und war überdies erfolgreich als Designer tätig. So gestaltete er etwa für Alessi, Formica und Swid Powell. 1964 gründete er ein eigenes Architekturbüro unter dem Namen Stanley Tigerman and Associates Ltd., das er bis zu seinem krankheitsbedingten Ausscheiden im Jahr 2017 gemeinsam mit seiner dritten Frau, Margaret McCurry, als Tigerman McCurry Architects führte.
Auch im deutschen Sprachraum war Tigerman als Architekt aktiv. Anlässlich der Internationalen Bauausstellung, die 1984 in Berlin stattfand, entwarf er etwa das Haus 16C am Tegeler Hafen. In unserem nördlichen Nachbarland war er zudem seit 1997 Ehrenmitglied im Bund Deutscher Architekten (BDA).
Tigerman verstarb am 3. Juni 2019 nach längerer Krankheit im Alter von 88 Jahren. Sein Tod ist ein schwerer Verlust für die Architekturszene in den Vereinigten Staaten, ja der ganzen Welt.