Eine künstliche Wolke gegen die Sommerhitze
Manuel Pestalozzi
6. luglio 2022
180 Düsen erzeugen auf dem Zürcher Turbinenplatz einen feinen Sprühnebel. Dieser soll für eine merkliche Abkühlung des öffentlichen Raumes in der Umgebung sorgen. (Foto: Tabea Vogel)
Manche Plätze heizen sich an heissen Sommertagen unerträglich auf. Was kann dagegen unternommen werden? In Zürich wird aktuell die künstliche Nebelwolke Alto Zürrus getestet. Ein feiner Sprühnebel soll die Umgebung abkühlen.
Die Anzahl der Hitzetage, also Tage, an denen die Temperatur auf über 30 Grad Celsius steigt, hat in der Schweiz über das letzte Jahrhundert hinweg kontinuierlich zugenommen. Und Expert*innen gehen davon aus, dass diese Entwicklung mindestens fortdauern, sich vielleicht gar noch intensivieren wird. Gerade für die Städte heisst dies, dass dringend Wege gefunden werden müssen, die Aufheizung zu beschränken. Massnahmen können zum Beispiel eine stärke Begrünung und langfristig die intelligente Setzung von Gebäuden sein. In Zürich hat die Verwaltung die Fachplanung Hitzeminderung lanciert. Konkreter Auslöser war dafür der Hitzesommer des Jahres 2018. Die Verantwortlichen möchten die wichtigsten Handlungsfelder identifizieren, um das Stadtgebiet möglichst kühl zu halten. Ausserdem wird an konkreten Handlungsansätzen gearbeitet. Besonders im Fokus steht dabei der öffentliche Raum.
Die jüngste Idee auf diesem Gebiet heisst Alto Zürrus. Am 5. Juli wurde das Objekt auf dem Turbinenplatz in Zürich-West testweise in Betrieb gesetzt. Es handelt sich um eine künstlich erzeugte Nebelwolke. Der aus den meteorologischen Fachbegriffen Altostratus und Cirrus sowie dem Standort Zürich zusammengesetzte Name verrät dies bereits. In einer Höhe von gut fünf Metern über dem Platz wurde ein ringförmiges Rohr aus Aluminium installiert. Dieses ist mit Wasser gefüllt und steht unter Druck. Durch 180 Düsen dringt das Wasser so in der Form eines feinen Sprühnebels in den Platzraum. Die Tröpfchen sind dabei so klein, dass sie an heissen Sommertagen sofort verdunsten. Dadurch wird die Luft in der Umgebung abgekühlt – um bis zu 10 Grad Celsius. Die kühlere Luft sinkt sodann allmählich ab, sodass es auf dem Platz merklich kühler wird. Nun muss sich erweisen, ob sich dieser Mechanismus, der einfache physikalische Gesetzmässigkeiten ausnutzt, in der Praxis tatsächlich bewährt und ob er wirklich für ein angenehmeres Klima sorgen kann.
Die Wolkeninstallation von Diller + Scofido für die Arteplage Yverdon an der Expo 02 lässt sich nun als Pionierprojekt für die Kühlung des öffentlichen Raumes lesen. (Foto: Manuel Pestalozzi)
Verschiedene Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren steuern die künstliche Wolke. Man geht bei der Stadt Zürich davon aus, dass sie an etwa 44 heissen und trockenen Tagen betrieben wird. Sie verbrauche jährlich ungefähr ein Zehntel so viel Wasser wie ein herkömmlicher Trinkbrunnen, heisst es von der Dienstabteilung Grün Stadt Zürich des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements.
Abgesehen von der Frage nach der Effizienz hat die Idee ein beträchtliches gestalterisches Potenzial, das über den Spassfaktor hinausgeht. Das Projekt lässt einen an die Expo 02 zurückdenken, deren rundes Jubiläum bis jetzt kaum Erwähnung gefunden hat. An der Arteplage Yverdon wurde damals nach einem Entwurf des Architektenteams Diller und Scofidio aus New York eine künstliche Wolke geschaffen. Die dafür errichtete Struktur, die an das Tensegrity-Prinzip erinnerte, war gewiss einer der Höhepunkte der Schau und hat, so könnte man es heute rückblickend interpretieren, den Bedarf nach einer Kühlung des öffentlichen Raumes vorausgesehen.
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