Dichte-Hedonismus
Manuel Pestalozzi
5. giugno 2017
«Es si alli so nätt» - Architektur durchbricht tradierte Haushaltsformate. Gemeinschaftsbecken Siedlung Hardturmstrasse AKA Kraftwerk1, Zürich, von Stücheli Architekten. Bild: Andreas Hofer
Der Neue Mensch reloaded. Seit dem 18. Jahrhundert wird Architektur entwickelt, welche ein bestimmtes Zusammensein ermöglichen soll. Mit ihr befasst sich eine Ausstellung im Vitra Design Museum.
«Together! Die Neue Architektur der Gemeinschaft» heisst die Schau in Weil am Rhein, die von Ilka und Andreas Ruby sowie und dem Architekturbüro EM2N aus Zürich kuratiert wurde. Die Kollaboration startete schon vor Andreas Rubys Antritt als Direktor des unweit von Weil, in Basel, betriebenen S AM Schweizerisches Architekturmuseum, wie an der Pressekonferenz zur Eröffnung bekannt gegeben wurde. So kann sein Output aktuell in zwei quasi benachbarten Häusern begutachtet werden.
Neue Architektur für neue Wohnformen, das ist nichts Neues. Kollektive Gemeinschaften unter einem Dach wurden bereits im 19. Jahrhundert entwickelt, mit dem Erstarken des Sozialismus und des Genossenschaftsgedankens widmeten sich zahlreiche Architektinnen und Architekten Entwürfen, welche kleine Haushaltungen zu einem grösseren Ganzen kombinieren wollten. Durchschlagender Erfolg war diesen oft autoritären Konzepten nirgends beschieden, der Begriff «Familie» setzte sich beim Wohnbau auf breiter Front durch.
Eigens für die Ausstellung baute das Architekturbüro EM2N aus verschiedenen aktuellen Entwürfen unterschiedlicher Büros ein «Quartiermodell». Bild: Hannes Henz
Der neue Anlauf
In den letzten Jahren wurde neu Anlauf genommen. Seit dem Aufbruch von 1968 geisterten beständig Konzepte für das gemeinschaftliche Wohnen durch die Köpfe. Im Gegensatz zu früheren Anstrengungen gaben sie sich weniger paternalistisch oder autoritär – an der Pressekonferenz zur Ausstellung fiel dazu das Stichwort Hedonismus – und setzen sich neuerdings als Verdichtungsmassnahme, wenn nicht -rezept in Szene. Es brauchte zwei Generationen, bis diese Experimente in einem städtebaulich relevanten Massstab Früchte tragen konnten. Die Schweiz darf sich rühmen, einen wesentlichen Beitrag an diese jüngere Entwicklung geleistet zu haben. Dieser nimmt in der Ausstellung denn auch eine Stellung ein, die das entsprechend würdigt.
Neben einem historischen Rückblick bietet die Ausstellung mitunter eine von EM2N realisierte Installation aus 21 grossformatigen Modellen heutiger Wohnbauprojekte, die so zueinander in Beziehung gesetzt wurden, dass sie eine eigenes kleines Stadtquartier ergeben. Ein 1:1-Modell einer sogenannten Clusterwohnung darf die Besucherin betreten und gemeinschaftliche Bereiche sowie private Räume durchstreifen.