Oft geht es beim Bau von Krankenhäusern um Prozessoptimierung und Wirtschaftlichkeit, doch zunehmend steht bei der Planung der Räumlichkeiten auch das Befinden von Patient*innen und Personal im Vordergrund. Lange Zeit galt Heilung nicht als ganzheitlicher Prozess. Heute weiß man, dass die Atmosphäre des Ortes, die Gestaltung der Bauten und Räume sowie die sorgfältige Planung der umgebenden und integrierten Grünanlagen wesentlich sind und zur Genesung beitragen. Viele der großen Spitalkomplexe, die in den vergangenen Jahrzehnten gebaut wurden, ermöglichen beste Versorgung und effiziente Abläufe. In ihnen geht jedoch schnell der menschliche Maßstab verloren, was Patienten verängstigen kann.
Wenn eine angenehme Atmosphäre im Krankenhaus generell erstrebenswert ist, ist sie im Kinderspital entscheidend. In ihm geht es nicht nur darum, alle Aspekte der Gesundheitsversorgung zu erfüllen. Räume müssen vielmehr so konzipiert werden, dass Kinder und Jugendliche sich wohlfühlen und vertrauensvoll mit den Medizinerinnen und dem Pflegepersonal zusammenarbeiten. Damit dies gelingt, suchen Planende nach der geeigneten Mischung aus Funktionalität und Geborgenheit, geben bauliche Orientierungshilfen und gestalten die Räume und Aufenthaltsbereiche abwechslungsreich und stimmungsvoll, wo immer möglich. Werden heute Krankenhäuser für Kinder geplant, rücken Architektinnen und Architekten diese von Beginn an als die eigentliche Bauherrschaft in den Mittelpunkt, was erfreulicherweise immer wieder an aktuellen Projekten zu sehen ist.
Ein gelungenes Beispiel dafür ist das neue Kinderspital Zürich, in dem ab November Patient*innen behandelt werden. Der große Neubau mit insgesamt 200 Betten sorgt für internationales Interesse: Geplant von Herzog & de Meuron aus Basel, nimmt das dreigeschossige Gebäude ein etwa 200 mal 100 Meter großes Grundstück ein. Notwendig war der Neubau schon lange, denn im bisherigen Kinderspital im Wohnquartier Hottingen kämpfte man bereits seit vielen Jahren mit Kapazitätsproblemen, langen Wegstrecken und ungenügenden Räumlichkeiten. Die Ursprünge des Spitals liegen in einem kleineren Gebäude von 1874, das immer wieder erweitert und umgebaut wurde. Entsprechend schwierig war es, Abläufe in den Häusern gesamthaft neu zu denken.
Im Neubau in Zürich-Lengg ist das möglich, denn diesen plante die private Eleonorenstiftung, die das Kinderspital betreibt, erstmals von Grund auf. Dank eines im Jahr 2009 beschlossenen Landabtauschs – der Kanton trat Flächen am neuen Ort ab und erhielt dafür das Grundstück des alten Kinderspitals – konnte 2011 ein Architekturwettbewerb durchgeführt werden. Das siegreiche Projekt wurde in den vergangenen zehn Jahren weiterentwickelt und, statt wie zuvor etappenweise, in einem Guss gebaut. Weniger Freude lösten hingegen die gestiegenen Kosten für das Gebäude aus: Statt der ursprünglich veranschlagten 600 Millionen Franken wurde der Neubau schlussendlich um 160 Millionen Franken teurer – mit Nachtragskrediten hatte der Kanton das Kinderspital für Neubau und laufenden Betrieb unterstützt.
Die Entscheidung der Architekt*innen für eine niedrige Akutklinik trägt dem kindlichen Maßstab Rechnung; die mit Holzlamellen und Vor- und Rücksprüngen gestaltete Fassade lässt den Bau zudem vertraut wirken, im Detail fast wie ein Ferienhaus. Bereits der Eintritt in das Gebäude ist völlig anders, als man es von Spitälern kennt: Man durchquert keine neutralen Glasschiebetüren, stattdessen führt der Weg ins Innere durch ein stilisiertes Portal mit weit geöffneten, zweigeschossige Türen. Hinter diesem liegt ein runder, begrünter Hof, der zu den Eingängen des Krankenhauses und des Restaurants überleitet.
Im Erdgeschoss sind die Behandlungsbereiche wie Poli- und Tageskliniken untergebracht, die einzelne Fachkliniken reihen sich entlang der Haupterschließung. Mehrere begrünte Innenhöfe lassen entlang dieser inneren Straße Tageslicht in alle drei Geschosse und helfen bei der Orientierung im Gebäude. Die Poliklinik erstreckt sich bis ins erste Obergeschoss, in dem sich auch Büros befinden. Um die Wege im großen Haus kurzzuhalten, verbinden mehrere kleine Treppenhäuser die jeweiligen Kliniken direkt mit der Bettenstation.
In der obersten Etage befinden sich die Patientenzimmer, die wie einzelne Hütten die Fassade säumen. Auch in ihnen sind verspielte Elemente zu finden: Die abgeschrägten Holzdecken verstärken den Eindruck, im eigenen Baumhaus zu sein, und durch ein rundes Guckloch können die kleinen Patienten unentdeckt die Umgebung beobachten. Die Zimmer sind mit 24 m2 so dimensioniert, dass jeweils zwei Patientenbetten Platz haben. Da im Kinderspital genauso Säuglinge wie Jugendliche behandelt werden, ist diese Kleinteiligkeit hilfreich, um Altersgruppen voneinander getrennt zu betreuen.
Für das Wohlbefinden der Patienten ist das Mobiliar entsprechend gewählt: Eine tief gesetzte und breite Bank am großen Panoramafenster lädt zum Spielen und zum Beobachten der Umgebung ein. Da für kranke Kinder auch der Kontakt zu Eltern oder anderen Begleitpersonen wichtig ist, gibt es für sie zusätzliche Übernachtungsmöglichkeiten im Zimmer.
Wie erhofft, ist der Eleonorenstiftung mit dem Kinderspital in Zürich-Lengg ein Neustart gelungen. Auch große logistische Probleme konnten mit ihm gelöst werden, zum Beispiel wird die Notfallstation jetzt endlich separat vom Allgemeinbereich erschlossen. Und auch die angegliederte Forschung, deren Abteilungen bislang an verschiedenen Standorten im Stadtgebiet waren, befindet sich neuerdings in einem zweiten Neubau auf einem nördlich angrenzenden Grundstück. Diese direkte Nachbarschaft ermöglicht kurze Wege und eine schnelle Abstimmung zwischen den Laboren und dem medizinischen Personal im Akutspital. Das zylinderförmige, ganz in Weiß gehaltene Gebäude nimmt neben den Laboren Forschungsbereiche auf, der Saal im Erdgeschoss wird für Lehre und Veranstaltungen genutzt. Hier spielt ebenso das Tageslicht eine wichtige Rolle und wird durch kreisrunde Aussparungen im Dach und in allen Etagen bis in den Vortragssaal geführt.
So unterschiedlich beide Gebäude architektonisch gestaltet sind, eint sie die Orientierung der Planenden an den jeweiligen Nutzerinnen und Nutzern. So kann dank der wohldurchdachten Gestaltung nicht nur das Personal künftig in einer zeitgemäßen Umgebung arbeiten. Auch Patienten und Angehörige haben die Möglichkeit, das emotional belastende Krankenhausumfeld als hellen und freundlichen Ort des Gesundwerdens zu erleben.
Dieser Artikel erscheint im Rahmen des Themenspecials »Healing Architecture«. Darin diskutieren wir mit wichtigen nationalen und internationalen Fachleuten darüber, mit welchen Kriterien in Gesundheitsbauten eine hohe Aufenthaltsqualität geschaffen werden kann. Zudem stellen wir Projekte vor, in denen diesem Thema bereits ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Bereits erschienen sind:
– Aufenthaltsqualität im Krankenhaus: Wirtschaftliche Aspekte der Krankenhausplanung
– Heilende Räume gestalten: Fokus Europa
– Mit Krankenhausarchitektur globale Herausforderungen meistern
– Digitalisierung im Gesundheitsbereich. Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Gernot Marx
– Mathias Wambsganß über das richtige Licht für Krankenhaus und Pflege
– Feinfühlige Räume – Bauen für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik