Elegant in Form gebracht

Auteur
Thomas Geuder
Publié le
févr. 6, 2013

Zur Architektur gehören der rechte Winkel und die gerade Wand wie ... nun ja: die Butter zum Brot. Architekturbüros wie 3deluxe (Gewinner des «Bau des Jahres 2012» auf German-Architects) aber verweigern sich solchen Gesetzmässigkeiten und lassen die Formen frei fliessen, ermöglicht durch ausgefeilte Technologien und frei modellierbare Materialien.
Frei gedachte Formen für eine freidenkende Kreativagentur: Für Syzygy in Frankfurt am Main entwarfen 3deluxe die neuen Geschäftsräume. (Foto: Sascha Jahnke) 
Anhänger der klaren Kante und des exakt abgesteckten Raums dürfen (und sollen!) jetzt zwar weiter lesen, könnten bei diesem Praxis-Bericht jedoch Dinge sehen, die nicht ganz ihrem architektonischen Ideal entsprechen. Denn diesmal geht es um die freie Formensprache, um kontinuierliche Räume und um organische Architekturwelten. Derartige «Blob-Architekturen» poppen ja immer wieder auf in der Welt der Architektur und rufen nicht selten ein Donnergrollen in der Szene hervor – und das schon seit Jahren. Warum das so ist, weiss man nicht so genau. Sicher ist aber, dass die freie, organische Form in der Architektur nur von wenigen Architekturbüros wirklich gelebt wird. Und für die ist es oftmals mühsam, einen Bauherrn zu finden, der genug innere Freiheit besitzt, dem Architekten den Mut und Willen zur freien Form zuzugestehen. Schliesslich – so denkt er sich – könnte das, was der Gestalter sich da erdenkt, ja nur verspieltes Mittelmass sein, oder schlimmer noch: ein Trend, der in zwei Jahren schon wieder vorüber ist! Die Erfahrung aber hat gezeigt, dass die blobbende Architektur irgendwie immer «in» ist – und das ganz bestimmt schon seit über 20 Jahren. Ganze Architektengenerationen sind mittlerweile mit Blob gross geworden, und so darf man sich angesichts hinreichender Erfahrungen einige Fragen stellen: Was stellt ein organisch geformter Raum mit dem Menschen an? Bewegen wir uns anders in ihm? Verhalten oder Fühlen wir uns anders? «Sind» wir gar anders in einer Umgebung der fliessenden Form und Linie?
Entstanden ist in dem Gründerzeitbau eine 22 Meter lange Raumskulptur, die viele Möglichkeiten der Bespielung zulässt. (Foto: Sascha Jahnke) 
Die computergestützte Planung hat es seit Anfang/Mitte der 1990er-Jahre ermöglicht, die Architektur noch dreidimensionaler zu denken als zuvor. Durch innovative Materialentwicklungen konnten diese Ideen dann in eine gebaute Realität gebracht werden. Eines der beliebtesten Materialien in diesem Bereich ist der Acrylstein HI-MACS des koreanischen Herstellers LG Hausys. Er besteht zu etwa 70% aus Natursteinpulver, zu etwa 25% aus Acrylharz und zu etwa 5% aus Naturpigmenten. Es gibt ihn in über 100 Farben, wobei das Material durchgefärbt ist und somit das Ausstehen nicht durch Beschädigungen leidet. Durch seine porenfreie Oberfläche ist der Acrystein eben, hygienisch und pflegeleicht, unempfindlich gegen Flecken, wärmeresistent und wasserundurchlässig. Bemerkenswert ist auch, dass HI-MACS eine nur geringe Entflammbarkeit besitzt, zertifiziert nach DIN 4102-1 Klasse B1. Andere Zertifikate in den Bereichen der Hygiene und der Umwelt vervollständigen die Eigenschaften des Materials. Grund genug für LG Hausys, auf die Materialqualität 15 Jahre Garantie zu geben.
Die organische Freiform lässt vielfältige Ein- und Durchblicke zu. (Foto: Sascha Jahnke) 
Interessant für Otto Normalplaner wird es aber, wenn HI-MACS erhitzt wird. Dann nämlich wird der Werkstoff so elastisch, dass er sich fast wie Knete in jede beliebige Form legen oder pressen lässt. Thermoelastizität nennt das der Fachmann. Der eleganteste Weg ist die Thermoverformung per Vakuum, bei der eine erhitzte HI-MACS-Platte durch ein Vakuum auf eine Form gepresst wird und bei Abkühlung diese annimmt. Aber auch präzise Ausschneidungen per CNC-Fräse zum Beispiel für Hinterleuchtungen sind kein Problem. So verwundert es nicht, dass die Architekten von 3deluxe aus Wiesbaden sich dieses Materials angenommen haben, um ihre Ideen von Form und Raum zu verwirklichen. 3deluxe machen seit Jahren auf sich aufmerksam durch eine Architektursprache, die (fast) keinen üblichen Konventionen und vermeintlichen Gesetzmässigkeiten in der Architektur folgt und im Gegensatz dazu die freie Form proklamiert. Wie beispielsweise mit der Frankfurter Dependence von Syzygy, einer börsennotierten Kreativagentur für digitale Medien, wo 3deluxe ein umfassendes Gestaltungskonzept verwirklichen und den Raumbestand eines kernsanierten Gründerzeitbaus zum Teil grundlegend transformieren konnten. Hier entstand auf 950 Quadratmetern eine inspirierende Arbeitsumgebung, die kommunikative und kreative Offenheit ausstrahlt und so die zukunftsorientierte Unternehmenskultur von Syzygy zum Ausdruck bringen soll. Kernstück des Entwurfs ist eine 22 Meter lange Raumskulptur, die den Empfang und den angrenzenden Aufenthaltsbereich umschliesst und so eine Raum-in-Raum-Situation bildet. Diese organische Form hebt sich deutlich von der Bestandsarchitektur ab, wodurch immer wieder spannungsvolle räumliche Schnittmengen entstehen. Öffnungen und Perforierungen in der Form verschärfen diesen Effekt zusätzlich. Die ganz in Weiss gehaltene Freiform ist nicht nur optischer, sondern auch kommunikativer Mittelpunkt der Agentur. Sie vereint Zonen für informelles Arbeiten und Rekreation in einer fliessend geformten Lounge-Landschaft und eröffnet dort wartenden Besuchern interessante Einblicke in das Agenturleben, etwa durch die Projektion neuer Denkansätze, Projektzwischenstände oder Inspirationsquellen mittels eines gestikgesteuerten Beamers auf die Freiform. Neben einem Besprechungsbereich und dem Empfang gibt es dort ausserdem die Garderobe und eine Kaffeebar. Das Logo der Firma ist elegant in den Tresen integriert als hinterleuchteter Schriftzug.

3deluxe haben hier eine multifunktionale Formlandschaft geschaffen, die – und das gibt es nicht oft bei derartig formalen Architekturen – auch räumlich spannende Zusammenhänge erzeugt. Diese Art der Architektur kommt an, wie zuletzt die Leser des eMagazins von German-Architects.com zeigten, die das Projekt «Kaffee Partner» in Osnabrück von 3deluxe zum «Bau des Jahres 2012» wählten. Gratulation an dieser Stelle von uns und natürlich auch von Otto!   tg
Neben dem Empfangstresen und einer Garderobe bietet die Raumskulptur … (Bild: 3deluxe) 
… vielfältige Möglichkeiten, sich formell oder informell zu begegnen. (Bild: 3deluxe) 
Die weissen Wandflächen können gleichzeitig als Projektionsfläche für Präsentationen genutzt werden. (Foto: Sascha Jahnke) 
Zwischen Alt- und Neubau entstehen spannende Raumzonen, die teilweise mit Pflanzen bespielt sind. (Foto: Sascha Jahnke) 
3D-Grundriss 
Film: HI-MACS Imagefilm mit zahlreichen Anwendungsbeispielen. (Dauer: 3:11)
Film: So funktioniert die Thermoverformung im Vakuumverfahren. (Dauer: 4:03 min)
Der Acrylstein kann direkt vor Ort einfach wie Holz verarbeitet werden. (Foto: Dominik Lammer / SYZYGY) 
Das Farbsortiment von HI-MACS umfasst über 100 Farbtöne in vielen Texturen: Das Spektrum reicht von einer feinen Sand-Struktur über lichtdurchlässige Töne bis hin zum grobkörnigen Granit-Dekor, das der Optik von wertvollem Naturstein ähnelt. (Bild: Hi-Macs) 
Auch als Fassadenverkleidung kann HI-MACS eingesetzt werden, wie beispielsweise hier beim Pan-gyo Haus in Korea, entworfen von Office 53427 (Foto: Yongkwan Kim) 
LG Hausys Europe GmbH
Petit-Lancy, CH

Hersteller-Kompetenz
HI-MACS
Natural Acrylic Stone

Projekt
SYZYGY Office Frankfurt
Frankfurt am Main, D

Architektur
3deluxe
Wiesbaden, D

Bauherr
SYZYGY Deutschland GmbH

Innenausbau, Möbelbau
Kessler Innenausbau GmbH
Heinrichsthal, D

Medientechnologie, Licht
Modus-i
Frankfurt am Main, D

Fertigstellung
2012

Fotonachweis
Sascha Jahnke
3deluxe
Dominik Lammer / SYZYGY
Yongkwan Kim


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