Zweite Gebäudehaut
Thomas Geuder
27. mai 2014
Zentrales Thema der WasserWunderWelten ist – man vermutet es fast – das «Wasser», das an diesem Ort omnipräsent ist und auf vielfältige und entdeckungsfreudige Weise behandelt werden soll. (Foto: Michael Huber, wasserwunderwelten.at)
Europas grösste Wasserfälle bei Krimml im Salzburger Pinzgau sind seit Kurzem um eine Attraktion reicher: Die WasserWunderWelten, deren Gebäudeform vom Wasserfall inspiriert ist. Die Dachentwässerung funktioniert jedoch weitaus weniger tosend.
Orte wie die Landschaft um die Krimmler Wasserfälle sind Inspiration pur. Das Wasser, das sich über Gesteinsschichten und Felsformationen seinen Weg sucht, kraftvoll und tosend, Aufmerksamkeit erregend und kantig – diese Schroffheit war für Thomas Oswald von fleos architektur und Atelier Edgar Schreiner aus Salzburg eine Ideengrundlage für die Formensprache des Wasserfallzentrums. Ein weit auskragendes Dach dient nicht nur als teilweiser Schutz für die Aussichtsterrasse, sondern korrespondiert mit dem Naturschauspiel Krimmler Wasserfälle. Es faltet sich mehrfach von seinem höchsten Punkt hinab bis in jenen Bereich, in dem ein Wasserbecken als vom Architekten gewollter Bruch zwischen dem Neubau und dem Bestand, dem Haus des Wassers, angelegt worden ist. So entsteht unter dem 650 m² grossen Dach vor allem ein 460 m² grosser, raumhoch verglaster Raum, der den Blick in die Natur und direkt zu den Wasserfällen freigibt und definiert. Um den Bezug zur umgebenden Landschaft noch zu verstärken, wurde als sichtbares und raumprägendes Material unbehandeltes Holz gewählt, das durch seine Sorptionsfähigkeit für ein optimales Raumklima sorgen soll. Runde Stahlstützen tragen die aufwändige Dachkonstruktion. Dabei lassen die Architekten sämtliche Tragelemente sichtbar und möglichst roh, um dem Besucher, der später in die Natur geht und dort die Naturgewalten betrachtet, bereits hier mit einer (laut Architekten) «Semantik der Baustoffe» zu begegnen.
Ein «unsichtbares» Entwässerungssystem sorgt dafür, dass das Dach seine prägnante Gestalt erhält. (Foto: Michael Huber)
Das geht bis ins Detail: Selbst die Lichtschalter fügen sich diesem weissen Thema. Ideal für diese Aufgabe war da die Serie LS 990 von Jung, seit über 40 Jahren ein Klassiker, deren klassische Form mit schmalem Rahmen zur Architektur des House on the Cliff passt. Das Material Duroplast (bekannt durch seine hohe Stabilität und deswegen verwendet etwa auch beim Trabbi) gibt ihr das nötige Hochwertige Gefühl beim Berühren. Sämtliche Räume sind damit ausgestattet.
Die Aussenhaut besteht zum Teil ebenfalls aus Holz, hauptsächlich jedoch aus Aluminiumtafeln in Bronce metallic, die durch ihre Materialeigenschaft dem feuchten Klima durch die Wasserfälle hervorragend trotzen kann. Sie sind als Verbundplatten eingesetzt, was im Vergleich zu anderen Materialien vor allem Vorteile Verhältnis von Gewicht zu Stabilität bedeutet – immerhin muss hier im Krimmler Achental mit hoher Schneelast und erheblichem Windsog bzw. -druck gerechnet werden. Der mehrschichtige Dach- und Fassadenaufbau setzt sich zusammen aus einer Schichtholz-Unterkonstruktion, worauf eine Dampfsperrschicht aufgeflämmt wurde. Auf der verlegten Wärmedämmung erfolgte die Verlegung eines Gleitbügeldachs aus Aluminium, das jedoch nur das Unterdach und somit die wasserführende Gebäudehaut bildet. Per Abstandshalter befindet hierauf eine Montagekonstruktion, auf der schliesslich die Aluminiumverbundplatten von Prefa aufgenietet wurden. Sie bestehen aus zwei einbrennlackierten Aluminiumblechen mit einer Stärke von 0,5 mm, die beidseitig im Schmelzfixierverfahren auf einen Polyethylenkern aufgebracht werden. Diese chemische wie mechanische Haftvermittlung bewirkt eine sehr gute Ablösebeständigkeit der Blechhaut. Die Vorderseite ist mit Polymerharz beschichtet, die Rückseite mit einem Schutzlack, der für einen zusätzlichen Korrosionsschutz sorgt. Die Platten sind mit einem Abstand von 25 mm zueinander verlegt, wodurch das Wasser schliesslich zur wasserführenden Dachhaut gelangt und von hier aus über in die Fassade integrierte Dachrinnen abgeführt wird. Somit ist die Entwässerung nicht sichtbar und das Dach er- bzw. behält seine prägnante Form. Für die Ausführung dieser handwerklich hochwertigen Verarbeitung des Aluminiummantels ist übrigens die Sprenglerei Heribert Hörl aus Uttendorf – mittlerweile geführt von Sohn David – verantwortlich, die dafür mit dem Salzburger Handwerkspreis 2013 ausgezeichnet wurde. Wir gratulieren herzlich!
Der Schneeschutz ist ebenfalls an dem Unterdach befestigt und unauffällig in den Entwurf der Aluminiumhülle integriert. (Foto: Michael Huber, wasserwunderwelten.at)
Schmale Stahlstützen, auf denen das Holzdach aufliegt, schaffen zusammen mit den Oberflächen von Boden und Decke eine gewisse materielle Schroffheit. (Foto: Michael Huber)
Lageplan
Grundriss Galeriegeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Details
Während des Baus noch gut zu erkennen: Das Unterdach, auf das dann die Aluminiumverbundplatten als zweite Gebäudehaut aufgebracht werden. (Foto: FLEOS architektur)
Dem gesamten Raumgefüge vorgelagert ist ein Holzterrasse, die Ausgangspunkt für den Wasserfallweg ist und als Ort zum Verweilen gedacht ist. (Foto: Michael Huber)
Die Bedruckung der Scheiben ist mit dem Naturschutz abgestimmt und dient vor allem dem Verhindern von Vogelschlag. (Foto: Michael Huber)
Im Hintergrund ein Teil der Ideenstifter für die Architekten: die Krimmler Wasserfälle, die mit einer Fallhöhe von 380 m die höchsten Wasserfälle Europas und die fünfthöchsten der Welt sind. (Foto: Michael Huber, wasserwunderwelten.at)
WasserWunderWelten
Krimml, AT
Hersteller
Prefa Aluminiumprodukte GmbH
Lilienfeld, AT
Kompetenz
Aluminiumverbundplatte Reynobond
Wettbewerb/Architektur/Multimedia/Generalplanung
FLEOS architektur ZT-KG
Saltzburg, AT
zusammen mit
Atelier Edgar Schreiner
Salzburg, AT
Bauherr
GROHAG
Saltzburg, AT
Dachbauarbeiten
Sprenglerei Heribert Hörl
Uttendorf, AT
Fertigstellung
2013
Fotografie
Michael Huber
FLEOS architektur
wasserwunderwelten.at
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