Nachhaltig diskutiert

Thomas Geuder
8. avril 2014
Inmitten einer Kiefern-Lichtung im belgischen Hechtel-Eksel soll das Treehouse Raum für kreative Ideen bieten. (Foto: Markus Bollen)

Die Herstellung von Papier hat im Prinzip per Definition viel mit der Auseinandersetzung mit ökologischen und nachhaltigen Fragen zu tun. Kaum ein Hersteller engagiert sich nicht auf eine Art im Umweltschutz. Einen weiteren Schritt gehen wollte da der internationale Papierproduzent Sappi: Zusammen mit drei weiteren Kooperationspartnern hatte er die Vision eines Tagungshauses, in dem verschiedene Arbeitsgruppen über Umweltschutz und Nachhaltigkeit diskutieren zu können. Ein solch prestigeträchtiger Ort konnte natürlich nicht irgendein Konferenzzentrum aus Beton und Glas sein, und so entschied man sich, gemeinsam mit dem Architekten Andrea Wenning, der sich seit Jahren auf Baumhäuser im Tourismus- und Gewerbebereich spezialisiert hat, an der Vision eines besonderen Objektes an einem speziellen Ort zu arbeiten. Als Bauplatz dafür wurde eine Lichtung mit einzelnen schönen Kiefern in der Kommune Hechtel-Eksel in Belgien unweit der deutschen Grenze ausgemacht. Andreas Wenning plante schliesslich zwei Baukörper, die über einen kurzen Treppenlauf miteinander verbunden sind. Sie ruhen auf 19 frei angeordneten Stahlstützen, die mit Bohrschrauben im Erdreich gegründet sind, um so wenig wie möglich in die Natur einzugreifen. Der Treppenaufgang ist über Stahlseile und baumschonende Verankerungen an eine der Kiefern gehängt. In der unteren Kabine sind eine Café-Lounge, der Sanitärbereich, eine Pantry und der Technikraum untergebracht. Im oberen Baukörper befindet sich der Konferenzbereich mit grossen Polsterflächen auf drei Seiten und freiem Ausblick auf den Wald durch grosse, teilweise organisch gerundete Fensterflächen. Eine Raumgrafik mit Ästen, Zweigen und Blättern führt die Naturlandschaft im Inneren fort. «Walk the talk» nennt Sappi das Projekt, bei dem nicht nur über Nachhaltigkeit geredet, sondern diese eben auch gelebt werden soll.

Die obere Ebene, der exklusive Konferenzraum zwischen den Bäumen, bildet das Herzstück des Baumhauses. (Foto: Markus Bollen)

Einen wichtigen Beitrag zu dieser grosszügigen architektonischen Geste leistet der Umgang mit dem Licht im Innenraum. Da das Gebäude zur Hälfte unterirdisch liegt und das Erdgeschoss zudem umgeben ist von einer alten, erhalenswerten Begrenzungsmauer, konnten die Architekten nur mit natürlichem Licht aus Oberlichtern arbeiten, was raumsensorisch natürlich keine wirklich gute Alternative darstellt. Umso zentraler ist also die Ausgestaltung des Kunstlichts, das von der Münchner Lichtplanerin Gabriele Allendorf entworfen wurde. Sie entwickelte für jede Raumsituation eine individuelle Lösung, die sich weit fernab von Standardlösungen bewegt. Im Foyer etwa wird durch Lichtvouten am oberen Wandabschluss die Decke grosszügig erleuchtet, wodurch die ansonsten nur von einem Oberlicht «gestörte» Decke federleicht auf den Wänden zu lagern scheint. Ein ähnliches Lichtspiel erwartet den Besucher im dahinter folgenden Kreuzgang, dessen umlaufender Deckenstreifen diesmal von im Winkel zwischen Boden und Wand liegenden Lichtstreifen beleuchtet wird. Ihr Abstrahlwinkel ist so eingestellt, dass das Licht die Wände nicht streift. Licht aus der umlaufenden, unteren Raumkante gibt es auch in der von hier aus erreichbaren Kapelle St. Maria. Im Inneren wird sie als homogener Körper bzw. Raum wahrgenommen, dessen Oberflächen nicht durch aufgesetzten oder hängenden Leuchten gestört wird. Für die Lichtplanerin sollte es darum gehen, den Raum so weit wie möglich in seiner Natürlichkeit und Klarheit zu erhalten. So wird auch hier die Decke (diesmal in spitzer Satteldachform) hell, gotisch anmutend erleuchtet. In der Kapelle verbergen sich noch weitere Raffinessen: Die von dem renommierten Künstler Johannes Schreiter entworfenen Fenster in der Nord- und der Südfassade sind in den Laibungen mit senkrechten Lichtbändern versehen, mit denen sich das Morgen- und das Abendlicht simulieren lässt, passend zur Morgen- bzw. Abendmesse, reicht das natürliche Licht von aussen einmal nicht zur Inszenierung der kunstvollen Fenster. Die Fassade der Kapelle aus tiefschwarzem Basalt wird ebenfalls von Lichtbändern im Boden beleuchtet, wodurch der wassergestrahlte Stein geheimnisvoll zu schimmern beginnt.

​Diesem Anspruch muss natürlich auch die technische Ausstattung des Gebäudes entsprechen: Für die Beheizung und die Klimatisierung wurde eine Wärmepumpe eingesetzt, die sich im Erdreich befindet und die Wärmeenergie mittels eines flüssigen Mediums über eine Stahlstütze nach oben transportiert – im Sommer zu Kühlung, im Winter zum Vorheizen der Innenräume. Die Beleuchtung des Baumhauses erfolgt über Leuchten des Stuttgarter LED-Pioniers Nimbus, dessen hier verwendete Module teilweise mit Präsenz- und Tageslichtsteuerung ausgestattet sind. «Wichtig war es uns auch, Leuchten bester Qualität in durchgängiger Optik im Innen- und Aussenbereich einzusetzen», erläutert Andreas Wenning. «Die zeitgenössische Architektur und das moderne, individuelle Interieur wirken zunächst einmal sehr ungewohnt in einem so naturnahen Gebäude wie einem Baumhaus. […] Das Wechselspiel Moderne–Natur war aber durchaus gewollt, ebenso der erhabene Standpunkt auf 5,50 bis 6,50 Meter Höhe, der den Beratungsgruppen physisch und psychologisch einen besseren Überblick erlaubt. Während wir in wenig liebevoll gestalteten, reduziert-sachlichen Räumen die Kommunikation auf ein Minimum beschränken, stimuliert eine naturnahe Atmosphäre mit organischen Formen Wohlgefühl, Konzentration und Kommunikationsbereitschaft“, erklärt er. „Erst in einem authentischen Umfeld können Ideen entstehen, die Menschen und Unternehmen wirklich weiter bringen. Und zu erhellenden Ideen und Geistesblitzen gehört natürlich auch eine komfortable und formschöne Beleuchtung!» Dem können wir nichts hinzufügen.

Das Treehouse kann übrigens von jedem auf der Homepage www.the-treehouse.be gebucht werden.

Quasi das Foyer des Baumhauses: Die Kaffeeküche mit Toilette befindet sich auf der unteren Ebene. (Foto: Markus Bollen)
In der Toilette können die Besucher auf den mit Tafellack beschichtete Wandflächen ihren kreativen Ideen mit Kreide freien Lauf lassen. (Foto: Markus Bollen)
Längsschnitt
Grundriss
Das für Nimbus typische Design passt sich zurückhaltend in den prägnanten Entwurf des Treehouses ein. (Foto: Nimbus)
Im Modul Q 36 IQ werden die Funktionen der Präsenz- und Tageslichtsteuerung (PDLS.next) durch eine integrierte Steuerung verknüpft. (Foto: Nimbus)
Lichtcharakteristiken von Q36 … (Foto: Nimbus)
… und Q49. (Foto: Nimbus)
Die Raumgrafik mit Ästen, Zweigen und Blättern führt die Naturlandschaft im Inneren fort. (Foto: Markus Bollen)
Die grundlegende Entwurfsidee beruht auf der Faltung eines Blattes, wodurch die beiden Räume umschlossen und Innen- und Aussenraum miteinander verbunden werden. (Foto: Markus Bollen)
Die Kapellenfenster sind ein Entwurf des renommierten Künstlers Johannes Schreiter. (Foto: Gabriele Allendorf Light Identity)
Sie lassen sich durch Lichtbänder in den Fensterlaibungen in ein Morgen- oder Abendlicht tauchen. (Foto: Gabriele Allendorf Light Identity)
Die mit teifschwarzem Naturstein verkleideten Stirnseiten der Kapelle werden mit Streiflicht beleuchtet. (Foto: Gabriele Allendorf Light Identity)
Projekt
The Treehouse
Hechtel-Eksel, BE

Hersteller
Nimbus Group GmbH
Stuttgart, D

Kompetenz
Modul Q49
Modul Q49 Aqua
Modul Q36 IQ mit integrierter Präsenz- und Tageslichtsteuerung

Architekt
baumraum, Andreas Wenning
Bremen, D

Bauherr
Sappi Europe SA
Brüssel, BE

mit
Proximity BBDO
Gemeinde Hechtel-Eksel
Flemish Forest and Nature Agency

Fertigstellung
2013

Fotografie
Markus Bollen
Nimbus

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