Wolf-Preis für Momoyo Kaijima und Yoshiharu Tsukamoto

Manuel Pestalozzi
2. mars 2022
Das Gae House von Atelier Bow-Wow in Tokyo zeigt beispielhaft, wie sich auf engem Raum Wohnqualität schaffen lässt. (Foto © Takashi Homma)

 

Bereits seit 1978 schreibt die Wolf Foundation aus Israel ihren Preis aus. Sie möchte damit herausragende Dienste zugunsten der Menschheit honorieren. Zu fünf wissenschaftlichen Kategorien gesellen sich dabei drei, die der Kunst gewidmet sind, darunter neben der Musik und der Plastik auch die Architektur. 2022 wurde neben Momoyo Kaijima und Yoshiharu Tsukamoto auch Elizabeth Diller ausgezeichnet. 2019 wurde diese Ehre bereits Moshe Safdie zuteil, 2016 Phyllis Lambert. Die Architektur – als Kunstgattung verstanden – spielt im Auszeichnungsreigen der Wolf Foundation somit eine wichtige Rolle. In ihrer Begründung macht die Stiftung aber deutlich, dass im Schaffen von Kaijima und Tsukamoto mit ihrem Büro Atelier Bow-Wow Architektur weit über die Kunst hinausreicht: Sie lobt, dass die beiden Forschung, Lehre und Praxis zur Weiterentwicklung der Disziplin nutzen. Auf diese Weise würden sie aufzeigen, wie sehr Kunst, Wissenschaft und die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft auf Werten beruhen, die immer wieder kritisch hinterfragt werden müssen.

 

Momoyo Kaijima vor einer Schnittperspektive des Nora House (Foto © ETH Zürich, Zeichnung © Atelier Bow-Wow)

An der ETH Zürich ist die Freude natürlich gross, dass eine ihrer Professorinnen diesen renommierten Preis erhält. Momoyo Kaijima befasst sich an ihrem Lehrstuhl mit Architectural Behaviorology (architektonische Verhaltensforschung). In einer Mitteilung erinnert die Hochschule daran, dass das architektonische Schaffen von Kaijima und Tsukamoto stark von der Auseinandersetzung mit ihrer Heimatstadt Tokyo geprägt ist. 2001 veröffentlichten die beiden die vielbeachteten Bände «Made in Tokyo» und «Pet Architecture», in denen sie die Stadt jenseits von Wolkenkratzern und Hochglanzbauten beschreiben. Im Fokus stehen kleine Häuser und anonyme Gebäude, die sonst kaum Beachtung finden, für Tokyo aber in Wahrheit charakteristisch sind. Ihre besondere Aufmerksamkeit erhalten Gebäude, die auf den ersten Blick nicht konventionellen ästhetischen Vorstellungen entsprechen, aber eine hybride, flexible Funktionalität aufweisen. Sie zeigen, welche Rolle auch kleinste architektonische Interventionen bei der Aneignung der Stadt durch ihre Bewohner*innen spielen können.

«Architectural Behaviorology» leistet wichtige Dienste, geht es darum, den Gegensatz zwischen öffentlichen und privaten Räumen zu hinterfragen. 2010 veröffentlichten Kaijima und Tsukamoto ein Manifest mit diesem Titel. In ihm bedienen sie sich theoretischer und methodischer Ansätze aus der Ethnografie, Sozialgeografie und Philosophie und machen sie für die Architektur nutzbar. Das Resultat ist eine Designstrategie, deren Ziel es ist, lokale Ressourcen zu kultivieren und zugänglich zu machen. Aufsehen erregten auch die sogenannten «Micro Public Spaces», eine Reihe von Ausstellungen, mit denen öffentliche Plätze reaktiviert und aufgewertet werden. Die Kombination von globalem Anspruch und regionalen oder lokalen Spezialitäten zwingt zu einem Spagat, für den es Übung und Mut braucht.

 

Mit dem 2001 veröffentlichten Band «Made in Tokyo» erweckten Momoyo Kaijima und Yoshiharu Tsukamoto international Aufmerksamkeit für ihre Anliegen. (Foto © ETH Zürich)

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