Von wegen Schrott: Holcim Award in Gold für eine Aufstockung aus gebrauchten Bauteilen

Elias Baumgarten
23. novembre 2021
Foto © Holcim Foundation

1988 entschied die Firma Sulzer, ihren Produktionsstandort mitten in Winterthur aufzugeben. Dieses Ende war zugleich ein Neubeginn und der Startschuss für ein Pionierprojekt: Als eines der ersten Schweizer Industriegebiete überhaupt wurde das 220000 Quadratmeter grosse Gelände transformiert. Heute ist das Sulzer-Areal ein durchmischtes Stadtquartier mit Wohnungen, Restaurants, Geschäften, Bildungseinrichtungen, Verwaltungsbauten und Büros – und ein Ort der Kunst und Kultur. 

Auf einem der alten Industriebauten, er steht am Lagerplatz, befindet sich eine ganz besondere Aufstockung: Ihre Fassade besteht aus alten Blechen, die vormals zu Gebäuden in Winterthur und Zürich gehörten. Jedes ihrer Aluminium-Isolierfenster sieht anders aus, denn alle waren bereits in anderen Häusern verbaut. Konstruiert wurde der Aufbau aus Stahlträgern, die einst zur Coop-Verteilzentrale auf dem Lysbüchelareal in Basel gehörten. Aussen führt eine Treppe empor, die früher am Zürcher Bürogebäude Orion verbaut war. Neben wiederverwendeten Bauteilen wurden auch natürliche Materialien wie Lehm, Holz und Stroh eingesetzt. Entworfen hat den K.118 genannten Bau der Stiftung Abendrot das Team von baubüro in situ, das nun für das Projekt erneut ausgezeichnet wurde.

Foto © Holcim Foundation
«Wir freuen uns, dass die internationale Jury diese ungewöhnliche Arbeit als wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Bauweise mit dem Hauptpreis ausgezeichnet hat. Unser radikaler Ansatz stellt den Entwurfsprozess auf den Kopf und das Selbstverständnis des Architekturschaffens infrage. Wir arbeiten weiterhin mit voller Kraft daran, ein sozialverträgliches Bauwesen zu entwickeln, das die planetaren Grenzen respektiert.»

baubüro in situ 

Der Aufbau ist wichtig, weil er zeigt, wie Baumaterialien einer neuen Verwendung zugeführt werden können. Es wäre schon heute vermeidbar, dass die Bauwirtschaft derart viel Abfall produziert, würden die Ansätze von baubüro in situ vermehrt aufgegriffen und weiterentwickelt. Das Projekt bietet interessante Antworten auf die Frage, wie wir besser und intelligenter mit knappen Ressourcen umgehen können. Dieser Meinung war jetzt auch die Jury der Holcim Awards: Sie lobte das Projekt als nahezu perfekte Anwendung von Zirkularität im Bauen und ehrte es folgerichtig mit dem Nachhaltigkeitspreis in Gold. Ein wunderbares Signal, das zeigt, dass es in der Schweiz interessante Ansätze in Sachen Klimaschutz gibt, die internationale Anerkennung erfahren.

4742 Arbeiten aus 134 Ländern waren insgesamt für den renommierten Preis eingereicht worden. Die Auszeichnung in Silber ging an Edgar Mazo und Sebastian Mejía, die für ein Landschaftsprojekt in Bogotá ausgezeichnet wurden. Bronze vergab die Jury an Aziza Chaouni für ein Kulturzentrum in Marokko. Ausserdem geehrt wurde ein Aufforstungsprojekt von ODDO Architects in Vietnam.

Die Jury der Holcim Awards 2021:
 
Hashim Sarkis (Vorsitzender), Marilyne Andersen, Maria Atkinson, Meisa Batayneh Maani, Angelo Bucci, Bruce Gibbons, Anne Lacaton, Brinda Somaya und Mun Summ Wong

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