Grohe lud zum Wohnbaudialog

Manuel Pestalozzi
20. mai 2016
Auf der Bühne des Saals im Kunsthaus Zürich wurde über globale Wohnfragen diskutiert. Bilder: Manuel Pestalozzi

Seit 2009 veranstaltet Grohe diese Foren, in denen sich Architekturschaffende zu relevanten Themen austauschen. Zum ersten Mal geschah dies am 19. Mai in Zürich. Man wählte sich ein wahrlich anspruchsvolles Thema aus: Wohnungsbau neu denken – zwischen Existenzminimum und Luxus. Sabine Gotthardt, die bei Grohe den Bereich «Business Development Architecture & Real Estate» leitet, steckte den Rahmen ab: Immer mehr Menschen leben in Städten, bis 2050 sollen sich 80 Prozent der Zweibeiner dort niedergelassen haben. Deshalb muss neuer Wohnraum geschaffen werden (in dem man auch duschen können möchte). Und dieser wird auch mit zunehmender Intensität erstellt, nicht zuletzt auch in Zürich.
 
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung war der Bezug zur Schweiz eher bescheiden, aber es handelt sich ja auch um ein globales Thema. Die Referenten – auch unter ihnen suchte man vergebens nach einer einheimischen Fachkraft – zeigten in ihren Kurzvorträgen, wie sie mit dem Thema Wohnbau aktuell umgehen. Der angekündigte Christoph Ingenhoven aus Düsseldorf liess sich durch seinen Mitarbeiter Michael Reiss vertreten. Dieser präsentierte unter anderem das Projekt «Marina One», ein Wohn- und Geschäftskomplex in Singapur, der ein ganzes Geviert einnimmt. Besondere Aufmerksamkeit erhielten die gute Durchlüftung der Grossstruktur und die Dschungelvegetation, die dort Wurzeln schlagen soll.

Die duschende Schönheit und der Professor. Kees Christiaanse präsentierte einen inspirierenden Überblick auf die aktuellen Wohnbedürfnisse rund um den Globus.

Mit ETH-Professor Kees Christiaanse kam immerhin ein Architekt zum Zug, der von der Schweiz aus wirkt. Sein Büro KCAP Architects and Planners gibt es in Rotterdam, Zürich und Shanghai. Er erinnerte daran, dass die Ressource Stadt nicht unerschöpflich ist. Ausserdem weiss er, dass sich die grössten Bevölkerungsballungen nicht in Innenstädten sondern eher in Gebieten ereignen, die auch landwirtschaftlich genutzt werden. Deshalb heisst die grosse Herausforderung nicht Stadt sondern urbanisierte Landschaften. Die Tätigkeit der Architekten habe etwas von jener von Cultural Impresarios. Die getroffenen Massnahmen haben oft einen unerwarteten und nicht wirklich architektonischen Charakter. So besteht die Hauptaufgabe einer Entwicklung von Siedlungsgebieten unter Umständen in der Suche nach einfachen, günstigen Mitteln gegen die Mückenplage.
 
Magnus Kaminiarz von Magnus Kaminiarz & Cie. Architektur stellte zwei Wohnhochhäuser im Zentrum Frankfurts vor. Von der Nutzung her sind sie in «Mainhattan» Neulinge. Wichtiges Anliegen ist die De-anonymisierung des Bautyps. Dies geschieht etwa mit gestalterischen Massnahmen in Lobbies, die als Gemeinschaftsraum genutzt werden sollen, und bei den Briefkastenanlagen. Einer der beiden Projekte wird in der Fassade durch begrünte Wände gegliedert. Auch wenn das geplante Grün «Baumarktqualität» haben soll, handelt es sich nicht um Wohnraum für das Existenzminimum.
 
Mark Jenewein von LOVE architecture aus Graz gab dem von Christianse geforderten Cultural Impresario ein Gesicht. Das Büro bemüht sich bei ihren Bauaufgaben um kostengünstigen Wohnraum und eine gute soziale Durchmischung. Man hat keine Hemmungen, auch kostengünstige und eher verpönte Bauelemente wie Plasticfenster einzuplanen, der wechselnde Ausbaustandard ermöglicht das Nebeneinander ganz unterschiedlicher Qualitätsansprüche. Auch das Verhältnis zwischen Privatsphäre und öffentlichem Bereich scheint das Team von LOVE intensiv zu beschäftigen, wie die gezeigten Um- und Neubauprojekte aus Österreich und Deutschland andeuteten.
 
Abschliessend lud Moderator Mathieu Wellner die Referenten noch aufs Podium für eine kurze Diskussionsrunde. Mit seinen Fragen versuchte er den aktuellen Bedürfnissen näher auf den Grund zu gehen und der Dringlichkeit der anstehenden Wohnbauaufgaben etwas auf den Zahn zu fühlen. Die Antworten aus der Runde fielen allerdings ziemlich disparat aus. Es gibt keine globale Zielrichtung, die sich auf einen Nenner bringen lässt, so musste für das Publikum im Kunsthaussaal das Fazit des Abends lauten. Die treibenden Kräfte sind anonym, den Architekturbüros fällt die Rolle zu, oft ziemlich vage, alles andere als «ganzheitliche» Vorstellungen und Wünsche zu vollstrecken. Leider kamen die Verschiebungen bei der Interpretation von Begriffen wie «Sesshaftigkeit» oder «Permanenz» nur am Rande zur Sprache. Gerade hier könnten sich Architektinnen und Architekten mit neuen Modellen des Bauens, des Zusammenlebens und – warum nicht? – der Erstellung neuer Hierarchien einen Beitrag zur Zukunftsdiskussion leisten.

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