Eine neue Sicht auf die Welt der Waren
Susanna Koeberle
22. mai 2020
Die «Bar Non Lieu» bezeichnen breadedEscalope als «Micro Architecture». (Foto: Joachim Krenn)
Eine Ausstellung in der Galerie Freihausgasse im österreichischen Villach präsentiert die Arbeit des Kollektivs breadedEscalope. Performatives Handwerk sowie Installationen und Objekte prägen das ungewöhnliche Schaffen des Trios.
Zusammengefunden haben Sascha Mikel, Michael Moser und Martin Schnabl 2007 in London. Seither arbeiten sie als breadedEscalope im Team und hinterfragen mit ihrer Tätigkeit auf kritische und humorvolle Weise kulturelle und gesellschaftliche Systeme – dazu gehört auch das Design selber. Die drei Gestalter verstehen sich als «functional-art-collective» und unterwandern schon nur durch diese schwierig zu fassende Bezeichnung klare Zuweisungen. Sie arbeiten zwischen Wien und Kärnten und sind auch sonst in vielen Welten zuhause. Auch in der Schweiz waren ihre Arbeiten schon wiederholt zu sehen. 2012 waren einige Entwürfe in der Ausstellung «wood loop» im Gewerbemuseum Winterthur ausgestellt, 2013 wurden sie von happen projects nach St. Moritz eingeladen und schufen für die Schau «neu/vertraut» in verschiedenen Performances mehrere Stücke. Eine Version ihres «Original Stools» entstand in der Olympia-Bobbahn. Sowohl die Produktion des Hockers, eine Fahrt der zerlegbaren Kugel den legendäre Bob Run hinunter, wie auch das eine Öffnen der Kugel, bei dem das Innere, eine flexible Silikonform, freigelegt wurde, sind mir in bleibender Erinnerung. Auch das Kunsthaus Baselland zeigte 2014 eine Werkschau ihres Schaffens. Die drei Gestalter forderten Menschen aus Basel und Umgebung auf, Gegenstände des alltäglichen Lebens in einer Sammelstelle im Kunsthaus abzugeben. Anschliessend wurden diese vor Ort in einem speziellen Verfahren zu einem gemeinsamen, neuen Objekt verdichtet, dem «Basel-RePresent».
Blick in der Ausstellung: Im Vordergrund ist der Stuhl «Olymp» zu sehen. (Foto: Joachim Krenn)
Das Performative, das diesen Handlungen eigen ist, hat deswegen mehr mit dem Schaffen von Kunst zu tun als mit der Herstellung von Design – wobei das nicht als Wertung zu verstehen ist. Vielmehr als um das Entwerfen von funktionalen Objekten steht die Infragestellung von Produktionsprozessen als solchen im Fokus der Arbeit von breadedEscalope. «Die Grenzen werden bewusst diffusionsoffen gehalten und eine vermeintliche Funktionalität ist hierbei ein notwendiges Beiprodukt, auf das die Arbeiten nicht reduziert werden sollten», sagt Ilya Borisch in seiner Einleitung zur Begleitpublikation der Ausstellung «Studionongrata, die unberührbare Ausstellung», die aufgrund der Corona-Pandemie bis Ende Juni 2020 verlängert wurde. Dass der Titel die passenden Umstände gefunden habe und nicht umgekehrt, wie breadedEscalope festhalten, ist dabei nicht ganz untypisch. Denn der Zufall, die Improvisation und das Chaotische werden bewusst zugelassen und mutieren dadurch zu Koautoren.
Michael Moser, Martin Schnabl und Sascha Mikel (Foto: Joachim Krenn)
Ihre Performances verstehen die drei Gestalter als Form des Storytellings. Bei «Love me Bender» etwa wird ein Kochtopf flugs zur Dampfbiegemaschine. Wie bei den «RePresent»-Stücken laden breadedEscalope dadurch Materie mit Emotionen auf. Das kann auch dazu führen, dass sich Verbraucher*innen vermehrt mit dem ideellen Wert von Gebrauchsgegenständen auseinandersetzen. Dass sie dabei auch an ihre eigene Kreativität erinnert werden, ist das Verdienst der Arbeit von breadedEscalope. In ihren Workshops versuchen sie, «subversives Denken zu fördern, Erfahrungen zu teilen und Gegenkonzepte zu entwerfen», wie sie sagen. Die Erkenntnis, dass sich Objekte nie in ihrer Zweckmässigkeit erschöpfen, sondern stets auch Sinn transportieren, betont bereits Roland Barthes (1915–1980) in seinem Aufsatz «Semantik des Objekts». Die Objekte von breadedEscalope öffnen uns die Augen für die komplexen Systeme der Warenwelt und bieten alternative Sicht- und damit auch Denkweisen. Gerade in der aktuellen Krise ist eine kritische Überprüfung gesellschaftlicher Konventionen – etwa unseres Konsumverhaltens – notwendiger denn je.
Die kleinen Objekte («Detournement») in der Vitrine bestehen aus Fundstücken, Weggeworfenem und Müll. (Foto: Joachim Krenn)
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