Calatrava-Brücke über den Hochrhein

Manuel Pestalozzi
4. mai 2020
Die neue Brücke soll rund 400 Meter unterhalb der bestehenden Bahnbrücke bei Eglisau den Rhein überqueren. (Visualisierung: zvg Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich)

Eglisau ist ein historisches Städtchen im Kanton Zürich. Es liegt am rechten Ufer des Hochrheins, der sich hier tief ins Terrain eingegraben hat und von steilen Böschungen flankiert wird. Etwas weiter flussabwärts, westlich der Stadt, wurde in den Jahren 1895 bis 1897 ein imposantes Brückenwerk für die Eisenbahn errichtet; zwischen Natursteinbögen überwindet ein Stahlfachwerk in rund 50 Metern Höhe den Rhein. Der Verkehr auf der Hauptstrasse, die von Zürich nach Schaffhausen führt, wird bis heute durch die Ortschaft zum Fluss hinabgeführt und über eine Brücke geleitet, die 1919 eröffnet wurde. Entworfen haben sie die bekannten Architekten Gebrüder Pfister. Sie planten übrigens auch das Wasserkraftwerk Eglisau, welches den Pegelstand hob und diesen «Ergänzungsbau» erst notwendig machte.

Knifflige Aufgabe

Die Verkehrsbelastung ist stark, Eglisau ist im ISOS eingetragen und verfügt über zahlreiche schützenswerte Bauten. So war schon lange klar, dass die Stadt eine Umfahrungslösung braucht und dass dies eine heikle Aufgabe ist, zumal es viel schützenswerte Natur in der Umgebung gibt. Geplant wird schon seit Jahrzehnten. Die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) und die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EKD) kamen 2015 in einem gemeinsamen Gutachten zu dem Schluss, dass die bis dahin ausgearbeiteten Varianten zur Umfahrung als schwerwiegende Beeinträchtigung der lokalen Schutzobjekte einzustufen seien. Jedoch schlossen sie eine verträglichere Lösung nicht grundsätzlich aus. Vor diesem Hintergrund galt es, in einem vorgegebenen engen Planungsraum eine geeignete Brücke über den Rhein zu entwerfen.

Der Standort der neuen Strassenbrücke befindet sich zwischen der Bahnbrücke und dem Kraftwerk. Er liegt in unbewohntem Gebiet, die Linienführung verläuft am rechten Flussufer durch den Wald. «Mit einer Querung westlich des bestehenden Eisenbahnviaduktes ergibt sich eine ausreichend abgesetzte Linienführung, die aus Sicht Natur- und Landschaftsschutz bewilligungsfähig scheint und die auch bezüglich des Lärmschutzes kaum besondere Massnahmen verlangt», steht im Bericht des Preisgerichts.

Elegante Rücksichtnahme

Wie schon bei der Umfahrung von Grüningen, einer historischen Kleinstadt im Zürcher Oberland, konnte sich auch hier das Büro von Santiago Calatrava mit seinem Entwurf im Wettbewerb durchsetzen. Insbesondere die elegante und doch zurückhaltende Erscheinung sowie die grosse Rücksichtnahme auf die Umgebung und die schutzwürdige Landschaft vermochten zu überzeugen, heisst es in der Pressemitteilung der kantonalen Volkswirtschaftsdirektion. Das Projekt besteht aus einer Rahmenbrücke, die aus einem Bogen über den Rhein und den unmittelbar anschliessenden Feldern gebildet wird, sowie aus Vorlandbrücken als Durchlaufträger mit vier Spannweiten auf der Südseite und einer Spannweite auf der Nordseite. Der Rhein wird mit einer Bogenspannweite von 165 Metern überquert. Im Bereich der Rheinquerung ist die horizontale Linienführung gerade, in den Vorlandbereichen geht sie in Kurven über. Der Überbau besteht aus einem Hohlkasten aus Stahl mit konstanter Höhe und einer darüber in Verbund wirkenden Fahrbahnplatte in Stahlbeton. Die Doppelbögen der Bogenbrücke sind als rechteckige Stahlkastenprofile mit variabler Höhe konstruiert.

Der Entwurf wirkt elegant und zurückhaltend zugleich. Durch die Distanz zur Eisenbahnbrücke und zur Stadt kann die Konstruktion quasi in freier Natur ihre ästhetische Wirkung entfalten. Bei der Annäherung von der unbewaldeten Südseite wird sich die Brücke auch den Passagier*innen der sie überquerenden Fahrzeuge darbieten und für sie nicht, wie es leider oft der Fall ist, unsichtbar bleiben. Mit dem Entwurf ist der Grundstein für ein spannendes Umfahrungsprojekt gelegt. Wird es sämtliche Hürden überwinden? Lassen sich alle Einwände überkommen? Es mag gelingen. Hoffen wir es! Bis dahin werden in Eglisaus Kraftwerk wohl noch manche Millionen an Kilowattstunden aus dem Hochrheinwasser turbiniert.

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