Postmoderne 2.0

Jenny Keller
26. février 2015
Eine Adidas-Kollektion, die von der Memphis-Gruppe um Sottsass inspiriert ist: Adidas ZX 9000 - PoMo Pack «Memphis Group». Bild: Adidas

Angefangen hat es mit zwei Todesfällen. 2007 starb Ettore Sottsass, der Architekt und spätere Designer und dann wieder Architekt, der mit der Design-Gruppe «Memphis» den heiteren Teil der Postmoderne eingeläutet hat. 2014 folgte dann Hans Hollein, der österreichische Architekt, der 1985 den Pritzker-Preis erhalten hat. Und zur Publikation der traurigen Nachricht vom Tode Holleins verwendeten alle das Bild eines Hauses, dessen Fassade diagonal von einer spiegelnden Fläche zerschnitten wird (Haas Haus in Wien, 1987-1990). Zwischen diesen Todesfällen hat es sich leise aber stetig ausgebreitet wie die «Bakterien» auf Sottsass' Laminat-Möbeln: das Revival der Postmoderne.

Haussmanns brechen Zumthors Strenge mit ein paar 45-Grad gedrehten Spiegeln. Und das im Jahre 2015! Bild: Kunsthaus Bregenz

Zurück war und ist der Stil – nicht die Epoche, die ist vorbei – vor allem im Gespräch, in Ausstellungen («Postmodernism. Style and Subversion 1970-1990», 2012 Landesmuseum Zürich, Mario Bottas «Carte Blanche» 2014/15 im Architekturforum Zürich, die Kooperationen von Fredi Fischli und Niels Olsen vom gta mit Robert und Trix Haussmann oder die aktuelle Installation «Reflexion und Transparenz» der Haussmanns im Kunsthaus Bregenz) und auf Turnschuhen, also in der Mode. Es gibt ausserdem eine gut frequentierte Facebook-Gruppe mit Namen «Postmodernism Appreciation Society».

Die Haussmann-Monographie von Fischli/Olsen zwischen den beiden letzten Apartamento-Ausgaben mit eindeutigem Inhalt. Bild: jk

Man hat auch das Gefühl, Architekten schämten sich nicht mehr ihrer Erstlingsbauten, das Blaue Haus von Herzog & de Meuron (Oberwil, 1979-1980) war pötzlich auf der Website der Architekten zu finden, nachdem es eine Zeitlang verschwiegen wurde. Und nach der Mode breitet sich der neue alte Trend auch im Interior Design aus. Man blättere nur in den letzten beiden Ausgaben des hippen Apartamento-Magazins.

Oliver Elser, Kurator am Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt (DAM) hat die «Postmodernism Appreciation Society» auf Facebook vor einem Jahr gegründet, in Zusammenhang mit einer Ausstellung zum 30. Jahrestag der Einweihung des DAM und zwar mit «postmodern-ironischem Augenzwinkern». Er sagt: «Die ‹Postmodernism Appreciation Society› war als Ergänzung, Update und als Test gedacht: Gibt es heute wieder ein Interesse an der postmodernen Architektur?» Nach einem rasanten Start und heute 1419 Mitgliedern, die täglich nicht nur «gruselige» Beispiele aus den 1980er-Jahren posten, sondern auch neue Projekte – zum Beispiel das Pixel House von Mass Studies in Korea aus dem Jahre 2010, oder den Jazzcampus in Basel von Buol & Zünd von 2013 – war Elser klar, das Interesse an der postmodernen Architektur ist (wieder) da. Auch in der Wissenschaft beginne man, Ereignisse wie die erste Architekturbiennale 1980 in Venedig mit der «Strada Novissima» oder das Werk von Hans Hollein oder Ricardo Bofill aufzuarbeiten, sagt er. Das sei schliesslich der Lauf der Dinge, denn «jede Generation entdeckt neu, was 30 bis 40 Jahre zuvor passiert ist.»

Blick in den Jazz-Campus Basel von Buol & Zünd. Bild: Georg Aerni

Über dem Esstisch meiner Kindheit hing ein Spiegel, der wie von einem überdimensionierten Pinselstrich an die Wand gemalt worden ist. Der Spiegel hängt noch immer da, auch wenn sich seit 1986, als die Wohnung von meinen Eltern eingerichtet worden ist, einiges verändert hat. Dieser Spiegel wurde dort montiert, damit die Gäste am Esstisch, die nicht direkten Blick auf den Rhein hatten, den Fluss auch sehen konnten, erklärte mein Vater mir einmal. Philosophisch gesehen passt der Spiegel zu meinem heutigen Blick auf die Postmoderne, ist er doch vom Look ziemlich postmodern und widerspiegelt er die Inhalte, für die die postmodernen Architekten und Künstler nach dem rigiden Raster der weissen Moderne einstanden: Man wollte sich vom totalitären Neuerungswahn und dem Fortschrittlichkeitswahn der Moderne lösen und eine Vielfalt an Perspektiven nebeneinander möglich machen.

Die Postmoderne sei, als würde man in einen zerbrochenen Spiegel blicken, sagt auch Glenn Adamson, Kurator der Ausstellung «Postmodernism. Style and Subversion 1970-1990», die 2012 aus London nach Zürich kam. Es sei damals um die Selbstreflexion gegangen und um eine neue Freiheit. Kulturpessimisten mögen anmerken, dass davon im Zuge des Revivals der Postmoderne nur die Freiheit geblieben ist, die man im Interior Design oder der Architektur gerne Eklektizismus nennt, und das neue Gewand so das «anything goes» vergangener Jahre wieder salonfähig macht.

Interior-Design-Inspirationen auf designsponge.com. Bild: Lesley Unruh

Als Kulturoptimist hofft man, dass mehr dran ist. In der Architektur war die Postmoderne stilbildend. Historische Zitate wurden bunt gemischt, Häuser kriegten ein Gesicht, und die strenge Profession durfte für kurze Zeit das Leben etwas leichter nehmen und plante mit einer Prise Ironie. Äusserlich. Inhaltlich war die Postmoderne vor allem die rebellische Antwort auf die rigiden Raster der Moderne mit ihrem Neuerungswahn. Der vorherrschende Fortschrittsgedanke wurde ausgetauscht durch einen Sinn für die Gemeinschaft und eine soziale Verantwortung der Architekten gegenüber dem Individuum, dem Menschen. Und was heute im Kontext der Frage eines Revivals wichtig scheint: Es ging nicht um den Look oder einen Stil. Der kam danach und wird heute wiederentdeckt oder zitiert. Ich überlege mir auch, den hässlichen Novilon in Bad und Küche unserer Mietwohnung durch einen schwarz-weiss-karierten Bodenbelag (auch Novilon!) zu ersetzen. Ich bin aber noch nicht so weit, auch den Spiegel meiner Mutter abschwatzen zu wollen. Wer weiss, vielleicht kommt das noch.

Die Siedlung Hammer 1 in Basel von Diener&Diener Architekten, 1978-1981. Bild: via archinform.net

Das Revival der Postmoderne, die Postmoderne 2.0, ist zum Glück mehr als nur ein auf ihr Aussehen reduziertes, flaches Abbild einer geistigen Strömung. Diese Vermutung teilt wohl auch der Vorstand des Architekturforums Zürich, der die «Carte Blanche» an Mario Botta vergeben hat. Und Oliver Elser sieht im Revival den zweiten Anlauf zu einem endlich unverkrampften Umgang mit der Baugeschichte und die Überwindung architektonischen Tabus. «Und es geht darum, endlich zuzugeben, dass wir in der städtebaulichen Diskussion, zumindest in Europa, noch voll in der Postmoderne stecken.», sagt er und verweist auf ein Interview mit ihm im art-Magazin, wo er sagt, die Moderne sei gleichbedeutend mit Auto, Siedlung und Einfamilienhaus, die Postmoderne hingegen habe umgeschwenkt auf Fussgänger, Innenstadt und Etagenwohnung.
 
Wir stellen also fest: die vor rund 40 Jahren subversive Idee ist heute, in ihrer zwar manchmal nur bildlichen Wiederholung, mehr als Fassade – oder Turnschuh.


Aktuelles zum Thema
Nur noch bis zum 28. Februar: Carte Blanche XII: «Mario Botta - Einen sakralen Raum bauen» im Architekturforum Zürich

Die Installation «Reflexion und Transparenz» der Haussmanns im Kunsthaus Bregenz, KUB Arena bis 06. April 2015

Designsponge: http://www.designsponge.com/2014/07/trend-watch-postmodern-revival.html
 
Edition Patrick Frey, Fredi Fischli/Niels Olsen: Trix + Robert Haussmann
 

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