Architekt Klaus Vogt
Juho Nyberg
14. mai 2015
Der als erstes erlernte Beruf des Bootsbauers scheint in fast allen Arbeiten Klaus Vogts hindurch. Sei es in der geschickten Anwendung und Verarbeitung von Sperrholz bei seinen Möbeln oder formal beim Entwurf, etwa seiner Diplomarbeit.
Zu Beginn der 1960er Jahre prägte das Automobil zunehmend den Schweizer Alltag. Das imposante Wirtschaftswachstum der ersten Nachkriegsjahrzehnte zeigte sich unter anderem auch in der rasant steigenden Zahl von Fahrzeugen, die schon bald die Ein-Millionen-Grenze erreichte. Parallel dazu wurden die ersten Autobahnen gebaut, und das Auto als neues – erstmals individuelles motorisieres – Verkehrsmittel beeinflusste auch die Freizeitgestaltung der Schweizerinnen und Schweizer. Neue Autobahnabschnitte waren Ausflugsziele, und auf der Rückreise begleitete das Radio Beromünster ab 1961 die Autofahrer mit Hinweisen, die von auf Hochhäusern stationierten Reporterinnen und Reportern aktuell weitergegeben wurden.
Die damalige Aktualität des Themas unterstreicht, dass die Zeitschrift Werk im selben Jahr eine Auswahl der Arbeiten publizierte. Von den drei gezeigten Entwürfen sticht der von Klaus Vogt hervor: Ein flaches, pavillioneskes Hauptgebäude beherbert die administrativen Räume, der Zugang zum Areal erfolgt durch ein in der Mitte des Gebäudes gelegenes Drive-Through. Die Anmeldung kann also ohne Verlassen des Fahrzeugs erfolgen. Nach Passieren der Durchfahrt gelangt man auf den zentralen Platz der Anlage, an dessen Rändern Baumgruppen und Fahrzeugunterstände schlaufenförmig angeordnet sind. Grünflächen und ein Fussweg schaffen zusätzliche Distanz zwischen den Abstellplätzen und den Wohneinheiten. Als selbständige Einheiten konzipiert, reihen sie sich locker um den zentralen Platz.
Von weitem betrachtet erinnert die Anlage an einen Steg mit daran vertäuten Booten. Zu diesem Eindruck trägt zum einen die Nähe zum See bei, zum anderen die kühne Form der Wohneinheiten, die mit ihren gewölbten Schalen an umgedrehte Bootsrümpfe denken lassen. Die Form verweist auch auf die Schalentragwerke des Schweizer Bauingenieurs Heinz Isler, dessen erstes grösseres Werk ebenfalls 1962 in Zuchwil entstand und dem modernen Baustoff Beton bisher ungekannte Formen und eine neue Eleganz verlieh. Um den Ausdruck des gewählten Materials auch im Modell angemessen vermitteln zu können, rückte Vogt rasch von seiner ursprünglichen Idee, die Modelle aus Holz zu fertigen, ab. Stattdessen baute er Formen aus Holz, mit denen er sich nach Niederurnen aufmachte, um sich im Eternit-Werk die Teile für sein Diplommodell fertigen zu lassen. Dank der bereits in den 1950er Jahren angefangenen Zusammenarbeit zwischen seinem Lehrer Willy Guhl und der Eternit bestand eine wohlwollende Beziehung zwischen dem Werk und der Kunstgewerbeschule Zürich. Nach einer kurzen Vorstellung seiner Idee entstanden die Wand- und Deckenelemente für Klaus Vogts Modell.
Im Ergebnis präsentiert sich das Modell als sehr lebendige und gut verständliche Abbildung des Entwurfs. Es geht dabei weit über den üblichen Abstraktionsgrad eines gewöhnlichen Architekturmodells hinaus. Die durchdachte und geschickte Materialwahl vermittelt auf Anhieb ein sehr realistisches Bild des Projektes. Besonders schön kommt die materielle Differenzierung von Schale und Inhalt durch den Kontrast von Holz und Eternit/Beton zur Geltung. Der Entwurf Klaus Vogts wirkt mit seiner eigenständigen Form und der schnörkellosen, der Funktionalität verpflichteten Struktur auch über 50 Jahre nach seiner Entstehung modern.
Wer sich mit seinem Wagen nicht in den von den Reportern beobachteten Reiseverkehr einreihen, aber auch nicht auf die automobile Freiheit verzichten wollte, fand vielleicht in einem der ebenfalls gerade entstehenden Motels eine geeignete Reise- und Urlaubsdestination. Alleine schon die neue Wortschöpfung aus Motor und Hotel versprach ein noch nie dagewesenes Erlebnis. Entgegen der Funktion amerikanischer Motels als Schlafstätte auf langen Reisen wurden ihre Schweizer Pendants eher als Orte für Kurzurlaube angelegt, mit entsprechender Ausstattung.
Das Interesse an dieser neuartigen Beherbergungsform erreichte auch die Studenten der Kunstgewerbeschule Zürich, wo die Fachklasse Innenausbau des Jahres 1962, zu deren Schülern auch Klaus Vogt zählte, die Diplomaufgabe erhielt, am unteren Bodensee in Glarisegg ein Motel zu entwerfen. Auf der Grundlage von zwei Exkursionen konnten erste Erkenntnisse zu diesem neuen Thema gesammelt werden, die danach in intensiven Diskussionen innerhalb der Klasse vertieft wurden, wie Klaus Vogt sich erinnert. Die Ausgabe des Diplomthemas erfolgte darüber hinaus mündlich, entsprechend weit waren die Parameter gesetzt. Vogt erinnert sich mit Freude an die Gespräche und das gemeinschaftliche Arbeiten innerhalb der Klasse, deren acht Teilnehmer sich aus unterschiedlichsten Richtungen zusammengefunden hatten, um die Ausbildung bei Willy Guhl zu erlangen.
Kurzbiografie Klaus Vogt
Klaus Vogt wird 1938 in Winterthur geboren. Schon in jungen Jahren erwacht das Interesse an Wasser und Schiffen und lässt den Heranwachsenden davon träumen, Matrose zu werden. Die Lehre als Bootsbauer bei der Werft Portier in Meilen führt ihn auf anderem Weg zur Schifffahrt.
Nach abgeschlossener Lehre bewirbt sich Klaus Vogt bei Hans Fischli und Willy Guhl an der Kunstgewerbeschule. Seine selbst hergestellten Hobel und Kellen erregen Guhls Aufmerksamkeit, der sich für die Aufnahme Vogts einsetzt. Gegen Ende seiner weiten Ausbildung entstehen erste Möbelentwürfe aus Holz und Stahl, ein für die Diplomarbeit entworfener Stuhl wird weiter entwickelt als Schulhausmobiliar für Dolf Schneeblis Gymnasium in Locarno.
Assistenzstellen an der ETH Zürich bei Bernhard Hoesli und Dolf Schneebli folgen in den 1970er Jahren, zugleich entsteht die Architekturgemeinschaft FFV Fosco-Fosco-Vogt. Klaus Vogt lebt und arbeitet in seinem selbst entworfenen Haus in Scherz AG.
Einen tiefen Einblick in das Schaffen von Klaus Vogt vermittelt das Buch «Klaus Vogt – Protagonist der Schweizer Wohnkultur», erschienen im Niggli Verlag.