Bauingenieur Markus Landgraf: «Wir wollen bis 2040 klimaneutral sein»
Leonhard Fromm
28. agosto 2022
Seit Januar dieses Jahres ist Markus Landgraf Vorstand der deutschen Baufirma Züblin. Der Bauingenieur ist verantwortlich für die Zentrale Technik. (Foto © Ed. Züblin AG)
Markus Landgraf ist Vorstand der Stuttgarter Ed. Züblin AG. Das vor allem in Deutschland und den Beneluxstaaten tätige Bauunternehmen hat zuletzt im Hoch- und Ingenieurbau über vier Milliarden Euro umgesetzt. Wo sieht der 52-Jährige die Firma in Sachen Nachhaltigkeit?
Wie alle Beiträge in der Rubrik Praxis wurde dieser Artikel von unserem deutschen Partnermagazin auf german-architects.com übernommen.
Herr Landgraf, warum gelingt es noch bei zu wenigen Bauten, den CO2-Fussabdruck entscheidend zu reduzieren?
Markus Landgraf: Wir brauchen Bauherren, die ihr Projekt nachhaltiger umsetzen möchten. Oftmals mangelt es noch am Bewusstsein und am technischen Wissen potenzieller Auftraggeber für all diese zugegebenermassen komplexen Themen. Zum anderen hat die Politik lange Zeit andere Prämissen gesetzt, etwa besonders hohe Sicherheitsstandards. Viele Normen sind veraltet, neue Entwicklungen noch nicht rechtssicher einsetzbar und so weiter. Hier muss deutlich mehr Geschwindigkeit aufgenommen werden.
Wie kann Züblin als Bauunternehmen dazu beitragen?
Wir wollen unser Know-how und unseren Einfluss in der Branche nutzen, um schneller zu einem ressourcenschonenden, klimaneutralen Bauwesen zu kommen. Der Züblin-Strabag-Konzern hat seit 2021 eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie verankert und mit konkreten Massnahmen und ehrgeizigen Zielen hinterlegt: Wir wollen bis 2040 klimaneutral sein.
Intelligentes und nachhaltiges Bauen beginnt bei der Planung, weshalb wir diesen Bereich massiv ausgebaut und weitere Kompetenzen erworben haben. Bei Züblin liegt der Fokus auf der Beratung unserer Kunden. Das hat Tradition, weil wir schon immer Alternativen offeriert haben, wie man effizienter, langlebiger, aber auch schneller bauen kann. Mittlerweile rücken wir bei unserer Beratung die Nachhaltigkeit und den Lebenszyklus eines Bauwerks in den Fokus: Wie können wir für unsere Kunden ökologischer bauen und langfristig Kosten vermeiden.
Was hilft Ihnen dabei und woran arbeitet Ihre Firma derzeit vorrangig?
Aktuell hilft uns fast alles: die EU-Taxonomie, die Pariser Klimaziele, die CO2-Steuer, der Baustoff- und Fachkräftemangel und die wachsende Bereitschaft vieler Entscheider, angesichts der Zukunftsszenarien jetzt endlich Verantwortung zu übernehmen und zu handeln.
Wir investieren in Photovoltaik, stellen unseren Fuhrpark auf Fahrzeuge mit Elektroantrieb um, optimieren und digitalisieren unsere Bauprozesse, achten bei der Logistik auf Regionalität und vieles mehr. Zudem kooperieren wir mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Bereich nachwachsender Baumaterialien und neuer Verfahren, um zum Beispiel durch veränderte Konstruktion und den Einsatz von Ingenieur-Know-how bei Betonbauten die Hälfte an CO2 einzusparen. Es gibt Projekte, bei denen wir als Generalunternehmen 80 Prozent des Abrissmaterials wiederverwerten und den Neubau komplett kreislauffähig errichten. Das erworbene Wissen und Können geben wir dann an unsere Belegschaft weiter.
Wie setzt sich die CO2-Bilanz von Züblin anteilig zusammen?
Damit beschäftigen sich unsere Fachleute. Sie fragen sich etwa, wie viele Bagger, Radlader oder Lkw wir einsetzen und wie viele hunderttausend Liter Diesel wir dafür pro Monat verbrauchen. Unser Ziel ist es, aus diesem Wissen konkrete Massnahmen abzuleiten, etwa spritsparende Bedienweisen, Regionalität in der Logistik oder Umrüstung auf Elektromobilität. In unserer Verwaltung wollen wir bis 2025 klimaneutral sein. Und da etwa 70 Prozent unserer Wertschöpfung externe Nachunternehmen und Lieferanten erbringen, insbesondere im Bereich Baumaterial, erfassen wir auch hier entlang der gesamten Wertschöpfungskette zunehmend alle Emissionen und setzen uns Ziele, diese Emissionen zu reduzieren.
An welcher Position steht die Nachhaltigkeit im Ranking Ihrer Herausforderungen?
Ganz sicher ist sie unser Hauptanliegen, allerdings ist damit eng die weitere Umsetzung der Digitalisierung verknüpft. Wenn uns Building Information Modeling (BIM) dokumentiert, was wo im Gebäude verbaut wurde, wird das Bauwerk zum Materiallager. Die digitale Verknüpfung all dieser Bauwerke liefert uns bei ihrer Demontage in einigen Jahrzehnten wichtige Informationen, was wo wiederverwendet werden kann.
Was das Bewusstsein für ökologische Nachhaltigkeit angeht, gibt es innerhalb Europas leider noch ein Nord-Süd-Gefälle. Deutschland und die Beneluxstaaten, wo wir überwiegend tätig sind, erlebe ich aber diesbezüglich als homogenen Markt.