Den Bogen gespannt
Susanna Koeberle
2. noviembre 2016
Das Van Wassenhove Haus von Juliaan Lampens wurde 1974 fertig gestellt und gilt als eines der Meisterwerke des belgischen Architekten. Bild: Filipp Dujardin
Die Brüsseler Galerie Maniera lädt Architekten und Künstler ein, Möbelstücke zu entwerfen. Ein Besuch vor Ort.
Dass Architekten häufig auch begabte Möbelgestalter sind, ist bekannt. Allerdings scheint diese Doppelaktivität heutzutage eine Seltenheit zu sein oder manifestiert sich eher im privaten Wirken der heutigen Baumeister. Vielleicht hängt dieser Rückgang auch damit zusammen, dass Design durch seine Omnipräsenz an Relevanz eingebüsst hat. Was man auch daran sieht, dass Design heute vor allem in der Kategorie Lifestyle abgehandelt wird und im Gegensatz zur Disziplin Architektur kaum Eingang in die Feuilletons findet. Was natürlich ein Fehler ist.
Manchmal muss man einfach nachhelfen, um solche disziplinenübergreifende Tätigkeiten anzukurbeln. Genau das tun Amaryllis Jacob und Kwinten Lavigne mit ihrer 2014 gegründeten Galerie Maniera in Brüssel. Beide kommen ursprünglich aus der Kunst und arbeiten teilweise heute noch in diesem Bereich. Sie verwirklichten ihre Idee, Architekten und Künstler mit dem Entwurf von Möbelstücken zu beauftragen, um sie dann in limitierter Edition aufzulegen. Damit möchten die beiden die vielfältigen Synergien zwischen Architektur, Kunst und Design ausloten. Zu Beginn war die Galerie bei ihnen zu Hause domiziliert, im April dieses Jahres bezog das Paar eine Location in einem ehemaligen Bürogebäude aus den 60er-Jahren unweit des Galerien-Viertels Sablon. Unter «ihren» Architekten und Künstlern befinden sich mehrere belgische Namen wie etwa Architecten De Vylder Vinck Taillieu, Office Kersten Geers David Van Severen oder Bas Princen. Aber auch international bekannte Architekten wie Bijoy Jain von Studio Mumbai oder das holländische Büro Studio Anne Holtrop haben Designstücke für Maniera gemacht. Das Schweizer Mehrfachtalent Christoph Hefti hat mehrere Teppiche für die Brüsseler Galerie entworfen, weitere Schweizer Kreative werden 2017 folgen.
Der amerikanische Designer Jonathan Muecke hat sich während seines einwöchigen Aufenthaltes im Haus zu fünf Entwürfen (darunter zwei Leuchten) inspirieren lassen, die er unter dem Namen «Arc-Series» vereint. Bild: Filipp Dujardin
Den Dialog zwischen Architektur und Design fördern sie mit ganz bewussten Aktionen. Dieses Jahr luden sie den amerikanischen Designer Jonathan Muecke, selber ein ausgebildeter Architekt, zu einer Residency nach Belgien ein. Der einwöchige Aufenthalt sollte an einem aussergewöhnlichen Ort stattfinden und zu kreativem Schaffen anregen. Die Wahl des Designers fiel auf das Van Wassenhove Haus des Architekten Juliaan Lampens (*1926). Dieses 1974 fertig gestellte Haus gilt als eines der Meisterwerke des belgischen Brutalisten. Lampens folgte bei seinen Entwürfen einem strengen Konzept des offenen Grundrisses. Das Haus verschliesst sich auf drei Seiten gegen Aussen und offenbart sein Innenleben nur auf der zum Garten ausgerichteten Fassade. Das Innere ist geprägt durch radikale Kargheit. Ausgehend von diesem Raumgefühl schuf Jonathan Muecke eine Serie von fünf Entwürfen. Diese funktionieren als «offene Objekte» wie Amaryllis Jacob bei unserem Besuch in der Galerie erklärt, als präzis konzipierte Stücke (der Designer konzentriert sich jeweils auf ein Material), die zugleich dem Betrachter je nach Blickwinkel ein neues Gesicht zeigen. Insofern gleichen sie der Architektur Lampens. Als Ergänzung zu Mueckes Entwürfen reeditierte Maniera ein Daybed des Architekten.