Angenehme Bescheidenheit
Manuel Pestalozzi
22. noviembre 2023
Ein Industriebau auf dem Gelände soll umgebaut werden, ein kleines Wohnhaus bleibt erhalten, und ein Neubau wird die Anlage ergänzen. Insgesamt sollen auf der heutigen Brache 50 Wohnungen entstehen. (Visualisierung: VINN)
In Erlach am Bielersee soll die Brache des einstigen Ätzwerks der Firma Gravuretec zum Wohnquartier umgestaltet werden. W2H Architekten haben gemeinsam mit dem Büro Hänggi Basler Landschaftsarchitektur den Studienauftrag gewonnen.
Einstige Industrieanlagen zu Stadtquartieren umzubauen, ist eine wichtige Architekturaufgabe – gerade wenn wir künftig den Flächenverbrauch gering halten und das Vorhandene konsequent weiternutzen möchten. Und in der jüngeren Vergangenheit sind bereits beispielgebende Projekte gelungen, etwa die Transformation des Sulzer-Areals in Winterthur oder die Umgestaltung des Gundeldinger Felds in Basel. Auch die Gravuretec-Brache in Erlach soll nun umgestaltet werden. Das Gelände liegt am Stadtgraben, einer Strasse, die die historische Altstadt mit dem kleinen Hafen am Bielersee verbindet.
Die Berninvest AG hat das Areal von der Gravure Immobilien AG gekauft. Ihr Ziel ist eine Wohnanlage. Mit der Gemeinde hat sie eine Planungsvereinbarung abgeschlossen, und voriges Jahr fand ein gut besuchter Workshop zur künftigen Entwicklung der Industrieanlage statt. Heuer schliesslich wurde ein Studienauftrag lanciert, zu dem vier Teams aus Architekt*innen und Landschaftsarchitekturbüros eingeladen waren.
Am meisten überzeugen konnte dabei das Projekt des Teams aus den Büros W2H Architekten und Hänggi Basler Landschaftsarchitektur. Die fünfköpfige Jury empfahl es einstimmig zur Weiterbearbeitung.
Oft werden bei solchen Projekten die alten Industriebauten abgebrochen und durch neue Wohn- und Geschäftshäuser ersetzt. Dieses Vorgehen verschleisst grosse Mengen an Ressourcen und opfert geschichtliche Zeugnisse. Nicht so in Erlach: Der Gewerbebau der Gravuretec soll erhalten bleiben und zu einem Mehrfamilienhaus umgebaut werden. Darüber hinaus wird ein kleines Wohnhaus als erhaltenswert eingestuft, es bleibt ebenfalls. Im rückwärtig freigewordenen Bereich ist ein neuer Wohnbau mit vier Geschossen geplant. Gestalterisch gleicht sich der Neubau den bestehenden Bebauungs- und Grünraumstrukturen an. Wie die Bestandsbauten ringsherum soll das neue Haus ein Satteldach erhalten. Entstehen werden insgesamt rund 50 Wohnungen und vielfältig nutzbare Aussenbereiche.
Das Vorhaben beschränkt sich aber nicht nur auf die Brache; auch die Aufwertung des Stadtgrabens gehört zum Projekt. Dieser soll zu einer Promenade gestaltet werden. Im Zuge dessen ist zum Beispiel geplant, zusätzliche Bäume zu pflanzen.
Das Projekt wirkt auf angenehme Art bescheiden. Die neue Überbauung scheint nicht überrissen für die Kleinstadt, die nie ans Eisenbahnnetz angeschlossen wurde. Auch tritt die neue Anlage nicht in Konkurrenz zum historischen Ortskern. Der Massstab der vorhandenen Bebauung bleibt gewahrt. Die Verdichtungsmassnahme fällt also mild und ortsverträglich aus. Die Gemeinde plant, die Überbauungsordnung gegen Ende des kommenden Jahres zu erlassen.