Gestapelt nicht gereiht
Teresa Mörtl
31. octubre 2024
Bei dem Neubau sind zwei Sporthallen übereinandergestapelt. Dennoch überragt er die umliegenden Wohnbauten nicht und passt gut ins Quartier. (Foto: Ladina Bischof)
Mit der neuen Doppelsporthalle des Bildungszentrums für Technik in Frauenfeld haben kit | architects eine vorbildliche Lösung für die Bauaufgabe gefunden: Der zweistöckige, teils abgesenkte Holzbau ist so unkonventionell wie überzeugend und nachhaltig.
Bis zum Spätherbst 2023 mussten die rund 1000 Schülerinnen und Schüler des Bildungszentrums für Technik (BZT) in Frauenfeld für ihren Sportunterricht in die umliegenden Hallen des Militärs ausweichen. Da diesen in naher Zukunft jedoch der Abbruch droht, hat der Kanton im Rahmen einer Bedarfsabklärung die Notwendigkeit für den Bau zweier schuleigener Sporthallen festgestellt und für deren Umsetzung einen offenen Projektwettbewerb ausgeschrieben.
Im Bereich der Fensterbänder bleibt die Holzkonstruktion sichtbar. (Foto: Ladina Bischof)
Ein helles Band aus gestrichenen Holzlatten gliedert die Fassade und macht die Stapelung der Hallen von aussen ablesbar. (Foto: Ladina Bischof)
Aus den 73 eingereichten Beiträgen überzeugte das Zürcher Architekturbüro kit | architects mit dem Projekt «Doppeldecker», dessen Name eindeutig Programm ist. Der kompakte Neubau im Oberwiesenquartier überragt trotz seiner zwei übereinander liegender Sporthallen die umliegenden Wohnbauten nicht, da das untere Geschoss abgesenkt ist. Vielmehr gliedert sich der Kubus wie selbstverständlich in das Siedlungsgebiet ein und beansprucht dabei die kleinstmögliche Bodenfläche. Letzteres ermöglicht die unübliche Überlagerung der beiden Sporthallen, wodurch mehr Freiflächen um das Gebäude erhalten bleiben. Auch besteht die Option einer späteren Hallenerweiterung.
Die kompakte Gestaltung und die Anordnung der Sporthallen erhöhen gleichzeitig die Zweckmässigkeit. Die beiden identisch gestalteten Geschosse sind durch ein Foyer erschlossen, das zugleich als Treffpunkt und Warteraum für die Besuchenden dient. Mit der offenen Grundrissgestaltung im Erdgeschoss umgehen die Architekten dabei das typische Bild unzähliger Korridore, erlauben kurze Wege, eine einfache Orientierung sowie direkte Blicke vom Foyer in die untere Halle. Das ostseitig verglaste Eingangsgeschoss schafft Ein- und Ausblicke, lässt Innen- und Aussenraum ineinander übergehen und gewährleistet einen hohen Tageslichtanteil im Inneren. Die beiden Treppenhäuser liegen an den kürzeren Stirnseiten und führen zu den Garderoben, die sich direkt auf dem Niveau der jeweiligen Turnhalle befinden.
Die untere Sporthalle ist ins Terrain abgesenkt. So bleibt das Bauwerk von aussen gesehen niedrig und beansprucht gleichzeitig nur wenig Grundfläche. (Foto: Ladina Bischof)
Die Innenräume werden geprägt von Holzoberflächen und der sichtbaren Konstruktion. (Foto: Ladina Bischof)
Nachhaltiger EindruckDer Neubau besticht nicht nur hinsichtlich seiner Funktionalität sowie der grosszügigen Raumorganisation, sondern auch durch seine besondere Konstruktion. Diese beruht auf einem einfachen quadratischen Raster, das die innere Organisation und Raumaufteilung vorgibt und sich im äusseren Erscheinungsbild fortsetzt.
Sowohl die Tragkonstruktion als auch die Fassade sind aus Fichtenholz, das zum Grossteil aus dem kantonalen Staatswald stammt. Das regionale Holz weisst eine weitere Besonderheit auf: Die Bäume waren vom Borkenkäfer befallen. Das sogenannte Käferholz ist jedoch in seiner Tragfähigkeit nicht eingeschränkt und kann daher für die Konstruktion verwendet werden. Insgesamt 565 von rund 600 Quadratmetern Holz stammen aus dem Staatswald. Dies minimiert die Transport- und Herstellungsketten und reduziert dadurch den ökologischen Fussabdruck des Neubaus. Die Verantwortung für den Umwelt- und Klimaschutz endet jedoch nicht mit der Fertigstellung, dafür ist das Schulhaus ein gutes Beispiel: Die klare, regelmässige Konstruktion erlaubt einen vollständigen Rückbau durch das Zerlegen in einzelne Elemente und damit die Wiederverwendung der Bauteile.
Apropos Konstruktion: Die eingesetzte Holz-Beton-Verbunddecke stellt eine weitere Besonderheit für diese Bauaufgaben dar. Im Gegensatz zu einer Deckenkonstruktion aus Stahlbeton ist sie leichter und weist eine tiefe Eigenfrequenz auf. In Sporthallen ist dies bei durch Bewegungen ausgelösten Schwingungen ein Vorteil.
Foto: Ladina Bischof
Die Decke ist eine Verbundkonstruktion aus Holz und Beton. Sie ist leichter als eine herkömmliche Betondecke und weist eine niedrige Eigenfrequenz auf, was in Sportbauten vorteilhaft ist. (Foto: Ladina Bischof)
In dem Neubau herrscht eine behagliche Atmosphäre. (Foto: Ladina Bischof)
Stimmiges GesamtbildDer Holzbau ist auch an der Fassade sichtbar. Zwischen den umlaufenden Fensterbändern der beiden Turnhallen liegt eine Schalung aus Fichtenholz. Die sägerohen Bretter unterschiedlicher Breite nehmen den Rhythmus der Tragstruktur auf und erzeugen eine lebendige Oberfläche mit Tiefenwirkung. Sie sind in einem hellen Farbton gestrichen und geben dem geometrischen Volumen angenehme Proportionen. Dort, wo die Fensterbänder verlaufen, bleibt die Konstruktion sichtbar.
Im Gegensatz zur gestrichenen Holzfassade sind die Oberflächen innen roh belassen und lediglich mit einem transparenten UV-Schutz behandelt. Dies führt den Nutzenden Materialwahl und Konstruktion vor Auge und verleiht dem offenen Innenraum gleichzeitig eine angenehme Raumwirkung. So wird ein helles und freundliches Ambiente geschaffen und mit der material- sowie konstruktionsgerechten Ausführung an die Funktion als Zweckbau angeknüpft. Stark beanspruchte Teile der Konstruktion sind aus robustem Eschenholz, das farblich der Fichte ähnelt und damit optisch kaum einen Unterschied macht. Auch bei den Betonbauteilen wurde ein Bezug zum Holz hergestellt: Der Weisszement-Beton im massiven Gebäudekern wurde mit einer Schalung aus Holzbrettern ausgeführt und zeigt noch deren Maserung.
In Sporthallen ist zudem die Akustik ein wesentliches Thema. Gelochte Akustikpaneele an den Decken, die den Schall grösstenteils absorbieren und den Lärmpegel dadurch reduzieren, sorgen diesbezüglich für eine gute Atmosphäre.
Foto: Ladina Bischof
Die farbigen Fliesen der Sanitärräume und Garderoben bilden einen Gegenpol zu den vielen Holzoberflächen. (Foto: Ladina Bischof)
Mit dem Holz als Hauptmerkmal wirken die Sporthallen in Materialwahl und Farbigkeit auf den ersten Blick sehr ruhig. Einen Kontrast setzen dagegen die Garderoben und Sanitärräume, die sich unerwartet farbenfroh von der dezenten Gesamterscheinung abheben: Ihre strahlend blauen Fliesen setzen ein Highlight im Inneren und spiegeln zudem die Zweckmässigkeit des Gebäudes wider.
Spielen, Toben und Auspowern: Nicht nur in den beiden lichtdurchfluteten Sporthallen wird angestaute Energie um- und freigesetzt sowie sich körperlich betätigt. Auch das Gebäude selbst wird zum Energieproduzenten: Die Photovoltaikanlage speist den solar erzeugten Strom in das lokale Energienetz ein. Dank Materialwahl, Konstruktion und ökologischer Stromerzeugung kann sich der Neubau mit dem Minergie-A-Zertifikat schmücken.
«Gutes Bauen Ostschweiz» möchte die Diskussion um Baukultur anregen. Die Artikelserie behandelt übergreifende Themen aus den Bereichen Raumplanung, Städtebau, Architektur und Landschaftsarchitektur. Sie wurde lanciert und wird betreut durch das Architektur Forum Ostschweiz (AFO). Das AFO versteht alle Formen angewandter Gestaltung unserer Umwelt als wichtige Bestandteile unserer Kultur und möchte diese in einer breiten Öffentlichkeit zur Sprache bringen.
Theresa Mörtl studierte Architektur an der Universität Innsbruck. Nach ihrer Masterarbeit absolvierte sie ein Praktikum bei Detail in München und wechselte im November 2019 zu Modulør. Seit August 2021 fungiert sie als Chefredaktorin bei dem Fachmagazin.