Sunny Side Up
MET Architects Basel
11. mayo 2023
Foto: Ruedi Walti
MET Architects Basel haben den Theatersaal der Basler Berufsfachschule zu neuem Leben erweckt. Thomas Thalhofer erklärt, wie das Team dabei gestalterisch auf den Bestand aus den 1960er-Jahren reagierte.
Herr Thalhofer, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Öffentliche Investitionen unterliegen seit jeher einer besonderen Aufmerksamkeit. Wirtschaftliche Erwartungen an öffentliche Bauaufgaben können nach unseren Erfahrungen am ehesten erfüllt werden, wenn nicht nur die Anforderungen einer spezifischen Gruppe berücksichtigt werden, sondern eine breite Öffentlichkeit einen Nutzen davonträgt. Zwei Fragen haben uns darum zentral beschäftigt: Mit welchen baulichen Massnahmen kann ein sehr auf Zweckmässigkeit ausgerichteter Theatersaal umgebaut und erneuert werden, und mit welchen Ausdrucksmitteln lässt sich der ursprünglich nur für die Schule geplante Saal zu einem innerstädtischen Veranstaltungsort transformieren?
Beim Blick durch die grosse Fensterfront wird die städtische Dichte ringsherum spürbar. (Foto: Ruedi Walti)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?
Die 1961 vom Zürcher Architekten Bernhard Weiss erbaute Berufsfachschule war – ganz im Sinne der vorherrschenden architektonischen Haltung zur Entstehungszeit – funktional gestaltet und in ihrer Farb- und Materialverwendung sehr einfach und nüchtern gehalten. Durch die zwischenzeitlich erfolgten Umbauten wurde die ursprüngliche räumliche Klarheit stark beeinträchtigt. Für die Umgestaltung der Innenräume war vor allem unsere Interpretation des barocken Theaters ausschlaggebend. Wie beim Theater selbst ging es uns um die Schaffung eines Ortes für Emotionen und neue Perspektiven in unserer kontrollierten Welt. Wir wollten die Räume in Bewegung bringen, überraschen und einen lustvollen Rahmen für öffentliche (Theater)Veranstaltungen bieten.
Die höhere Personenbelegung bedingte einen zusätzlichen vertikalen Fluchtweg. Dafür wurde die Öffnung der Guckkastenbühne leicht verschoben und eine Fluchttür ergänzt, hinter der eine neue halbgewendelte Betontreppe zum Steinenbachgässlein hinabführt. Der Notausgang ist zugleich Bühneneingang, und die neue gefaltete Holzfassade signalisiert: Hier passiert etwas. Der Hinterhof-Charakter des Steinenbachgässleins, der auch aus dem Theatersaal zu erkennen ist, wird umgedeutet: Die Gasse wird als neuer innerstädtischer Ort belebt.
Die Balkonbestuhlung wurde vollständig überholt und neu aufgepolstert. (Foto: Ruedi Walti)
Die Guckkastenbühne erstrahlt in neuem Glanz. (Foto: Ruedi Walti)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?
Vom Wettbewerbsgewinn im Jahr 2016 über die Kreditgenehmigung 2020 bis zur Fertigstellung 2022 vergingen sechs Jahre, die von drei unterschiedlichen Schulleiter*innen und sich dynamisch entwickelnden Anforderungen geprägt waren. Dass das Projekt auf diesem langen Weg nicht an Stringenz eingebüsst hat, ist letztlich auch der Projektleiterin aufseiten der Bauherrschaft zu verdanken. Mit ihrem unermüdlichen Einsatz für die Belange aller Beteiligten und ihrer Geduld, sämtliche Projektideen von uns Architekt*innen aufzunehmen und zu bearbeiten, hat sie massgeblich zum Erfolg des fertiggestellten Theatersaals beigetragen.
Die neue Garderobe beim Haupteingang (Foto: Ruedi Walti)
Inwiefern haben Sie die Verwendung von zirkulären Baustoffen angestrebt?
Die ursprüngliche Anzahl der Sitzplätze auf dem Balkon musste aufgrund der Fluchtwege reduziert werden. Die bauzeitlichen, mehrheitlich noch gut erhaltenen Klappsitze wurden vollständig überholt, aufgepolstert und in das neue Farbkonzept des Saals eingebunden. Die überzähligen Sitze konnten im Sinne eines Ersatzteillagers für die Zukunft vor Ort eingelagert werden. Die Bauherrschaft hat dieses Vorgehen von Anfang an unterstützt und war begeistert, dass die «neuen alten» Sitze auch ohne Quietschgeräusche von der Geschichte des Saals berichten.
Blick aus dem Foyer in den neu gestalteten Saal (Foto: Ruedi Walti)
Durchgang vom oberen Foyer zum Balkon des Theatersaals (Foto: Ruedi Walti)
Wie verlief der Entwurfs- und Planungsprozess?
Bei einem Umbauprojekt gibt es fortlaufend Anpassungen an neue Erkenntnisse, die der Bestandsbau bis dahin im Verborgenen gehalten hat – insbesondere, wenn das Gebäude einer Zeit des reduzierten Ausdrucks entstammt. Egal, ob es sich dabei um konstruktive Schwächen, unbekannte Materialien oder überraschende Raumzusammenhänge handelt, immer geht es letztlich darum, den eigenen Entwurf respektive das gewählte Vorgehen für äussere Einflüsse offenzuhalten. Dann gelingt es, neue, auch unvorhergesehene Erkenntnisse aus dem historischen Bestand zu integrieren und weiterzuverarbeiten.
Der Schminkraum des Theaters (Foto: Ruedi Walti)
Beschäftigten Sie sich im Büro mit den Tendenzen des zirkulären Bauens und der sozialen Nachhaltigkeit?
Wer würde diese Frage heute noch ernsthaft mit einem Nein beantworten? Soziale Nachhaltigkeit und zirkuläres Bauen sind altbekannte Themen des Bauens im Bestand. Unser Büro beschäftigt sich seit seiner Gründung 2009 mit den Werten des Weiterbauens auf allen Ebenen eines Projekts. Dabei nehmen wir eine positive Veränderung in der Haltung unserer Bauherrschaften und Auftraggebenden wahr: Früher war es mitunter aus wirtschaftlichen Überlegungen und dem Wunsch nach dem sichtlich «Neuen» erheblich schwieriger zu vermitteln, welche Qualitäten zum Beispiel in der Wiederverwendung ausgebauter Materialien liegen können oder wie sich eine neue Nutzung unter Berücksichtigung der räumlichen Angebote des Bestands integrieren lässt. Heute profitieren wir in unserer Arbeit nicht nur von den aktuellen Tendenzen der Nachhaltigkeit, die sich hoffentlich vom Zeitgeistigen zum Alltäglichen entwickeln werden, sondern vor allem von der Fähigkeit, das «Alte» identitätsstiftend und atmosphärisch in das «Neue» zu verwandeln.
Situation (© MET Architects Basel)
Schnitt (© MET Architects Basel)
Deckenspiegel (© MET Architects Basel)
Grundriss 1. Untergeschoss (© MET Architects Basel)
Grundriss 2. Untergeschoss (© MET Architects Basel)
Sanierung Theatersaal Berufsfachschule (BFS) Basel
Standort
Kohlenberggasse 11/Steinenbachgässlein 18, 4051 Basel
Nutzung
Theatersaal
Auftragsart
Wettbewerb im Einladungsverfahren
Bauherrschaft
Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel Stadt, Dienststelle Städtebau & Architektur, Hochbau
Architektur
MET Architects GmbH SIA BSA, Basel
Roula Moharram, Thomas Thalhofer, Karolina Zgardzinski (projektverantwortlich) und Eugenia Zucchello (projektverantwortlich)
Fachplaner
Elektro: Eplan AG, Reinach
Sanitär und Heizung: Bogenschütz AG, Basel
Lüftung: Herrmann Partner GmbH, Basel
Bühnentechnik: Alder Eisenhut AG, Ebnat Kappel
Medientechnik: Eotec AG, Muttenz
Brandschutz: Bürgin Brandschutz, Seltisberg
Bauleitung
Martini Schäfer Baumanagement GmbH, Basel
Fertigstellung
2022
Gesamtkosten BKP 1–9
2.5 Mio.
Gebäudekosten BKP 2
1.85 Mio.
Gebäudevolumen
3200 m3
Kubikmeterpreis
578 CHF/m3
Energiestandard
Minergie ECO, keine Zertifizierung
Fotos
Ruedi Walti
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