Wie ein gutes Buch
Ein Gebäude zu erfahren bereitet vor allem dann Freude, wenn sich hinter einer anmutigen Grossform auch attraktive Details verbergen. So etwa beim neuen Gebäude der Musikhochschule in Karlsruhe, aus der Feder von Architekten.3P Feuerstein, Rüdenauer & Partner.
Sie kennen das: Manchem Gebäude ist schon von weitem anzusehen, was es auch in der Nähe sein wird. Beim Durchwandern kann es nicht mehr überraschen, weil es in der Detailebene nichts mehr zu erzählen hat. Dabei gäbe es schon an der Gebäudehülle doch einige Möglichkeiten der Gestaltung, etwa bei der Oberflächenstruktur oder der Farbgebung. Architektur jedenfalls macht am meisten Spass, wenn ein Gebäude einen hohen Detaillierungsgrad besitzt und sich Stück für Stück immer wieder neu «erfindet» – ähnlich einem guten Buch. Otto Normalarchitekturjournalist ist diese Planungstiefe sogar am liebsten, weil sich so die Leidenschaft des Architekten für die Kunst des Bauens offenbart.
Besonders vielfältig sind die Gestaltungsmöglichkeiten beispielsweise bei Keramiken. Gesehen hat man da zwar schon einiges; schmerzlich in Erinnerung etwa sind komplett mit simplen, einfarbigen und glatten Fliesen verkleidete Gebäude. Praktisch zwar, zumeist aber nicht schön. Deswegen wahrscheinlich wird jeder Bauherr aufschrecken, wenn er hört, dass sein Architekt eine Keramikfassade plant. Bei innovationsfreudiger Zusammenarbeit zwischen Architekt und Hersteller aber kann richtig Gutes entstehen. Wie etwa bei dem Hersteller für Keramikfassaden Möding, der gemeinsam mit den Architekten.3P aus Karlsruhe eine Fassadenkeramik als Sonderanfertigung entwickelt hat, die in Farbe, Struktur und Oberfläche besonderen Variationsreichtum bietet. Das vor allem in besagtem Detaillierungsgrad: Von weitem betrachtet ist wirkt eine mit der Keramik verkleidete Fassade wie eine schwarze Fläche. Tritt man näher, wird eine senkrechte Struktur erkennbar, die der Fassade durch einen unterschiedlich breiten Schattenwurf sowie durch verschiedene Farbtöne Leben einhaucht. Ganz nah betrachtet erkennt man schliesslich eine zwar glatte, dennoch unebene Oberfläche, die zwischen Schwarz, Braun und Silber vielfältig changiert. Sehr schön!
Technisch gesehen ist diese Fassadenkeramik eine Sonderform des Produkts Moeding Alphaton. Wunsch der Architekten war, eine dunkle Farbe und eine vertikale Struktur zu erhalten, wobei die Wand am Ende auf keinen Fall glatt schwarz sein sollte. Entstanden sind ca. 25 cm breite und 1,25 hohe Platten mit einer vertikalen, polygonalen Struktur, die ein vielfältiges Licht- und Schattenspiel erzeugt. Den Feinschliff liefert dann die mehrfarbige Glasur. Sie enstand bei einer sehr hohen Brenntemperatur und einer langen Brennzeit im Einmal-Brennverfahren in einem 120 m langen Brennofen. Glasur und keramisches Grundmaterial gehen bei diesen Bedingungen eine sehr feste Verbindung ein, wodurch spätere Glasurabplatzungen praktisch ausgeschlossen sind. Eine ideale Oberfläche also für die Verwendung im Aussenbereich.
Entwickelt haben Möding und Architekten.3P diese Fassadenkeramik speziell für den Neubau der Musikhochschule in Karlsruhe, ein neuer Multimediakomplex mit Konzertsaal, Proberäumen sowie Verwaltungsräumen. Städtebaulich setzt er die ringförmige Bebauung fort und vervollständigt so das campusähnliche Ensemble. Auffällig in der Grossform ist neben einer längs verlaufenden, das Gebäude in zwei Volumina teilenden Lichtfuge mit Galerien, Aufenthaltsplattformen und Erschliessung der trichterförmige Einschnitt in der Fassade zum Campus. Der vermittelt zwischen Aussenraum und Foyer und stellt einen Bezug zu Campus und Gebäudebestand her. Die Nordseite wurde analog zum angrenzenden Bestand als Putzfassade gestaltet, an den drei anderen Seiten ist das Gebäude mit besagter Fassadenkeramik verkleidet und als hinterlüftetes und wärmegedämmtes System ausgebildet. Die different angeordneten dunklen, trapezoiden Keramikbaguettes verleihen der grossen Fassadenfläche eine sich je nach Lichteinfall verändernde Lebendigkeit, die in jeder Entfernung eine hohe Spannung erzeugt, weil man sie auf den ersten Blick zwar nicht sieht, dennoch aber deutlich spürt.
Marklkofen, D
Hersteller-Kompetenz
Fassadenkeramik Sonderanfertigung
Unterkonstruktionssystem Alphaton Gen '06
Projekt
Hochschule für Musik
Karlsruhe, D
Architekt
Architekten.3P
Feuerstein, Rüdenauer & Partner
Stuttgart, D
Bauherr
Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Karlsruhe
Karlsruhe, D
Fassadenplanung
Frahammer Fassadentechnik GmbH
Pöttmes, D
Fertigstellung
2013
Fotonachweis
Architekten.3P
Moeding Keramikfassaden
Projektvorschläge
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