Spiel mit Farbe
Thomas Geuder
14. January 2014
Die neue Sporthalle der Stadtteilschule Bergedorf ist einem bestehenden Gebäudeensemble aus ein- bis dreigeschossigen Flachdachbauten aus den 1970er-Jahren angegliedert. (Foto: Ralf Buscher)
Die Entscheidung für markante Farben im Gebäude ist eine grundsätzliche – und sollte frühzeitig getroffen werden. BKS Architekten zeigen bei der Sporthalle mit Kulturforum in Hamburg Bergedorf, dass kräftige Farben nicht zwingend wahllos bunt wirken, sondern durchaus harmonisch sein können.
Linoleum ist wohl einer der bekanntesten Bodenbeläge und obendrein schon vor über 150 Jahren erfunden, seinerzeit im Jahr 1860 von dem Briten Frederick Walton. Seitdem hat der elastische Bodenbelag gezeigt, dass er viele Gesichter haben kann, von Teppichmustern in den Anfangsjahren über abstrakte und geometrische Muster etwa von Peter Pehrens oder Willi Baumeister bis hin zu unifarbenen, marmorierten oder völlig freien Mustern heute. In Farbe und Muster jedenfalls ist heute mit Linoleum vieles machbar. Interessant vor allem für unsere heutige Zeit ist, dass Linoleum (natürlich) ohne Weichmacher hergestellt wird, weil es vorwiegend aus umweltfreundlichen Inhaltsstoffen besteht: Leinöl, Harz, Holzmehl, Kork, Kalksteinpulver und Jute. Das hat ihm Umweltsiegel wie den «Blauen Engel» eingebracht – manch einer soll Linoleum sogar schon verspeist haben, wenn auch nur in kleinen Mengen, des Geschmacks wegen selbstverständlich. Spannend sind auch die hygienischen Eigenschaften: Linoleum ist antistatisch, leicht fungizid und bakteriostatisch, wodurch ein Bakterienwachstum gehemmt wird. Zu guter Letzt besitzt Linoleum ein gutes Rückstellvermögen, die Eigenschaft also, sich nach einer Verformung selbständig in seine Ausgangsform zurückformen. Die EN 548 verlangt hier bei Linoleum-Bodenbelägen einen maximalen Resteindruck von 0,2 mm.
Im Innenraum wird die Sporthalle von einem kräftigen Rot dominiert, einem Linoleum-Boden in der Farbe «Lava Red». (Foto: Ralf Buscher)
So eignet sich Linoleum nicht nur für zu Hause oder in Krankenhäusern, sondern auch in Sporthallen, wo es bekanntlich hart zur Sache gehen kann. Und das nicht nur für den Menschen: Ein Sportbodenbelag muss sich neben den üblichen Tritte und Stösse einiges gefallen lassen. Bänke und Sportgeräte werden aufgestellt, Mattenwagen und Tibühnen darüber gezogen, und wenn die Sporthalle auch als Mehrzweckhalle genutzt wird, können es auch mal Stiche von Pfennigabsätzen oder Zigarettenglut sein. Linoleum als Sportboden indessen unterscheidet sich nicht sehr vom normalen Linoleum. Der wichtigste Unterschied ist die Oberfläche, dessen Griffigkeit nicht zu hoch sein darf, um die Gelenke und Bänder zu schonen, aber auch nicht zu niedrig, damit das Spiel nicht zur Rutschpartie wird. Da ist bei dem Material, das zur Aushärtung in einer Kammer «reift» viel Kenntnis und Fingerspitzengefühl gefragt.
Der dunklen, fast schwarze, unregelmässig und reliefartig vermauerte Klinkerfassade ist ein Zitat von BKS Architekten an die handwerkliche Backsteintradtition. (Foto: Ralf Buscher)
Im Jahr 2009 wurde die Sporthalle Stadtteilschule Hamburg-Bergedorf durch einen Brand stark beschädigt und musste abgerissen werden. An ihre Stelle folgte nun ein Gebäude, in dem sowohl Sport- als auch Kulturveranstaltungen stattfinden können. Für BKS Architekten aus Hamburg eine anspruchsvolle Aufgabe, mussten doch zwei unterschiedliche Raumideen – «ein Funktionsraum und ein Fantasieraum» (BKS) – zusammen in einem Projekt realisiert werden. So haben die Architekten ein ein- bis zweigeschossiges Gebäude entworfen, in dem die verschiedenen Funktionsbereiche als Volumina additiv einander zugeordnet sind, was nicht zuletzt eine Reaktion auf die vorhandene bauliche Heterogenität ist. Aussen gibt sich das Gebäude durch den fast schwarzen, kohlegebrannten Klinker noch sehr monoton, dennoch selbstbewusst. Transparente Fensteröffnungen aber ermöglichen einen neugierigen Blick ins Innere. Der wird nicht enttäuscht: Kräftige Farben sorgen hier nach Wunsch der Architekten für Lebensfreude und Dynamik. Der Kulturraum ist lichtdurchflutet und hell, in Schwarz und Weiss gehalten, akzentuiert durch weinrote, akustisch wirksame Samtvorhänge. Die Flure sind in frisches Grün getaucht, die Umkleidekabinen in starkes Blau. Die Halle besitzt Prallwände aus Eichenholz, die Belichtung erfolgt mit viel Tageslicht durch die transluzenten Fensterbänder an den Längsseiten. Beim Sportboden aus Linoleum «haben wir uns für Linodur Sport in «lava red» entschieden, wegen des warmen Rottons, der zusammen mit der Holzverkleidung am besten zu der von uns gewünschten Raumstimmung passte», erklärt Henning Scheid, Projektleiter bei BKS. Als Unterkonstruktion dient ein Trockenunterbau aus einer Feuchtigkeitsabdichtung, einer Nivellierschüttung und einer Dämmung. «Unser Wunsch war ein anregendes und sensibles Gebäude, in dem man gerne gewinnt und lachend verliert, mutig übt und stolz präsentiert, in dem nicht das Perfekte zählt, sondern das Individuelle und Charakterliche.» Dem haben weder unser Freund Otto Normalarchitekturliebhaber noch wir etwas hinzuzufügen.
Vielfältige Öffnungsvarianten in der Fassade geben dem Baukörper vor allem gegenüber den Bestandsbauten einen individuellen Charakter. (Foto: Ralf Buscher)
Grosse Fensterflächen ermöglichen einen neugierigen Blick ins (gegenüber der schwarzen Fassade) farbenfrohe Innere. (Foto: Ralf Buscher)
Der «Fantasieraum», in dem vielfältige Veranstaltungen denkbar sind, ist farblich wie formal eher neutral entworfen. (Foto: Ralf Buscher)
Materielles Verbindungsglied zwischen beiden Räumen ist das Holz im Veranstaltungsraum am Boden und in der Sporthalle an der Wand. (Foto: Ralf Buscher)
Frisches Grün entspannt die Gemüter auf dem Weg von oder zu den Umkleidekabinen. (Foto: Ralf Buscher)
Ein sattes Blau hingegen hüllt die Sportler in den Umkleidekabinen ein und erzeugt gleichzeitig eine optische Tiefe. (Foto: Ralf Buscher)
Grundriss Obergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Linodur Sporlinoleum ist in 13 Farbtönen erhältlich: drei zarte Blau- und Grüntöne sowie lebendige Nuancen im Gelb-Rot-Spektrum, drei neutrale Grau-Beige-Strukturen sowie ein tiefes Schwarz. (Quelle: Armstrong DLW)
Stützenfreie Langfenster flankieren das Spielfeld im oberen Bereich – erst in zweiter Ebene dahinter befindet sich das eigentliche, transluzente Fenster samt Stützkonstruktion. (Foto: Ralf Buscher)
Dreifeldsporthalle mit Kulturforum
Hamburg Bergedorf, D
Hersteller
Armstrong DLW GmbH
Bietigheim-Bissingen, D
Kompetenz
Sportlinoleum Linodur Sport
Architektur
BKS Architekten
Lübbeke und Hamburg, D
Projektteam
Henning Scheid (Projektleitung), Susanne Gorka, Mirko Schröder, Birgit Schuby, Bernd Rickers, Martin Hilker
Bauherr
Schulbau Hamburg
Hamburg, D
Nutzer
Stadtteilschule Bergedorf
Hamburg, D
Sportboden
EUROP Sportboden GmbH
Weterkappeln, D
Statik
AHW Ingenieuere GmbH
Münster, D
Haustechnik
IPV GmbH
Reppenstedt, D
Freianlagen
Planungsgruppe Haß
Rellingen, D
Brandschutz
hpp Berlin GmbH
Berlin, D
ENEV
KAplus Ingenieurbüro
Eckernförde, D
Raumakustik
Thilo Jensen
Barsbüttel, D
Vermessung
Gerhard Kruse
Pinneberg, D
Fertigstellung
2012
Fotografie
Ralf Buscher
Armstrong DLW
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