Umweltfreundlich, sozial nachhaltig und wirtschaftlich – der Kanton Tessin verfolgt in Bellinzona grosse Ziele
Elias Baumgarten
28. March 2024
Visualisierung: © EOC Kantonale Spitalverwaltung
Eingebettet in eine neue Parklandschaft am Fluss Ticino, soll ein neues Spital entstehen. Die Anlage von Michele Arnaboldi und Michele Gaggini ist als neues Stück Stadt mit Restaurant, Konferenzräumen und Kinderkrippe gedacht.
Dass in Bellinzona ein neues Spital gebaut werden soll, ist schon länger klar: Das Ende der 1930er-Jahre von Augusto Jäggli (1911–1999) entworfene und im April 1940 eingeweihte Krankenhaus San Giovanni am Hang oberhalb der Stadt bereitet nämlich Probleme. Es genügt heutigen Anforderungen nicht und lässt sich ausserdem kaum erweitern. So wurde 2015 bereits eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, die mögliche Standorte untersuchte. Schliesslich fiel die Wahl auf eine grosse unbebaute Wiese zwischen der Innenstadt und dem Ortsteil Giubiasco. Doch das Militär nutzte das Grundstück am Fluss Ticino bis anhin für Übungen, und so musste man sich zunächst mit Bern über eine Ersatzfläche einigen, die schliesslich mit einem Grundstück neben dem ehemaligen Alptransit-Infozentrum in Pollegio gefunden wurde.
So viel zur Vorgeschichte. Ende Januar nun wurde der Architekturwettbewerb für das neue Spital entschieden, und bis vor wenigen Tagen waren die Vorschläge im Rahmen einer Ausstellung in Bellinzona zu sehen. Gewinnen konnten der leider inzwischen verstorbene Michele Arnaboldi und Michele Gaggini. Die Jury entschied sich einstimmig für ihr Projekt «Il profumo dei tigli». Insgesamt waren 29 Entwürfe eingereicht worden.
Das Gründstück zwischen der Innestadt Bellinzonas und dem Ortsteil Giubiasco wird in zwei Etappen bebaut werden. Es verbleibt eine Reserve von 33'000 Quadratmetern. (Visualisierung: © EOC Kantonale Spitalverwaltung)
Die Innenräume des modular aufgebauten Komplexes aus Recyclingbeton sollen so einladend wie möglich wirken. (Visualisierung: © EOC Kantonale Spitalverwaltung)
Doch was zeichnet den Vorschlag der Tessiner Architekten aus? Das neue Spital soll ein echter Stadtbaustein werden: In einen öffentlichen Park am Fluss eingebettet, wird es nicht nur über die übliche Cafeteria verfügen, sondern auch über ein Restaurant, eine Kinderkrippe und verschiedene Konferenzräume. Baumbestandene Fusswege werden von der Stadt her am Krankenhaus vorbei zum Fluss führen. Eine neue Haltestelle des Regionalzugs TiLo, die demnächst gebaut wird, soll dieses Konzept noch stärken.
Dank der Lage inmitten eines neuen Parks werden Patientinnen und Patinenten von ihren Krankenzimmern aus Bäume sehen können. Das soll ihre Genesung begünstigen – genau wie die hellen Zimmer. Michele Arnaboldi und Michele Gaggini liessen sich beim Entwerfen von der Idee leiten, dass sich Pflegekräfte und Patienten in ihrem Spital wohlfühlen sollen. Entsprechend wirken die Innenräume auf den Visualisierungen freundlich, Pflanzen und Holzoberflächen sollen sie noch einladender machen.
Die Anlage wird mit ihrer Struktur grüne Höfe fassen. Der Umwelt zuliebe wird sie aus Recyclingbeton gebaut und ihre Dächer werden, wo immer dies möglich ist, begrünt sein. Gestaltet ist der Komplex ausserdem modular, was spätere Umbauten und vor allem Erweiterungen wesentlich erleichtern soll. Umweltfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit waren denn auch neben der städtebaulichen Setzung die wichtigsten Gründe, warum Michele Arnaboldi und Michele Gaggini den Wettbewerb gewinnen konnten, wie im Jurybericht nachzulesen ist.
Das neue Krankenhaus wird in eine Parklandschaft am Fluss Ticino eingebettet. Bisher war das grosse Grundstück am Rande der Tessiner Kantonshauptstadt nicht bebaut. (Visualisierung: © EOC Kantonale Spitalverwaltung)
Allerdings: Bei allem Lob ist noch vieles an dem Entwurf zu überarbeiten. Die Rede ist unter anderem von der Überprüfung der Abläufe, kürzeren Wegen zwischen den Stationen, einer Verfeinerung der Fassadengestaltung und einer Nutzung der Dachgärten. Der Kanton jedenfalls wünscht sich, dass der Neubau ein Vorzeigeprojekt wird, das ökologisch, sozial und medizinisch Massstäbe setzt. Rund 380 Millionen Franken sollen dafür ausgegeben werden.
Wie eingangs angedeutet, wird der Komplex das alte Krankenhaus San Giovanni in zehn bis zwölf Jahren ersetzen. Was mit Letzterem danach geschieht, ist ungewiss: Gerüchte besagen, Alterswohnungen oder Forschungslabors für Biomedizin könnten dort Platz finden. Die Bauarbeiten indes sind in zwei Etappen geplant: Zunächst soll bis 2030 eine 95'000 Quadratmeter grosse Anlage entstehen, bis 2050 ist dann ein weiterer 75'000 Quadratmeter grosser Teil geplant. Auf dem Grundstück verbleibt damit noch eine Reserve von 33'000 Quadratmetern. Das neue Regionalkrankenhaus, in dem auch Herzspezialisten arbeiten werden, die zurzeit nur in Lugano verfügbar sind, wird zukünftig die grösste Gesundheitseinrichtung im Tessin sein.