Deutschland erneuert die Residenz seiner Botschaft in Tel Aviv. Gefordert war ein umweltfreundlicher Lowtech-Bau

Katinka Corts
31. August 2023
1. Preis: Gustav Düsing, wolff:architekten und Architekten für nachhaltiges Bauen mit emmerik garden design and research (Visualisierung: © GRAU visuals)

2045 (zunächst sollte es 2050 sein) ist laut Deutschlands Bundesregierung das Jahr, in dem der Gebäudebestand («nahezu», heisst es auch) klimaneutral gestaltet beziehungsweise umgestaltet sein soll. Im Rahmen der Förderinitiative «EnEff.Gebäude.2050» werden darum modellhafte Innovationsprojekte gefördert, die aufzeigen, wie die Energieeffizienz und der Anteil erneuerbarer Energien gesteigert werden können. Das ambitionierte Vorhaben «Energiewendebauen» des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz beeinflusst ebenso die Bauvorhaben der Bundesrepublik im Ausland, und so fand sich auch im ausgelobten Wettbewerb des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR) für die Residenz der Deutschen Botschaft im israelischen Herzliya, das nördlich von Tel Aviv liegt, der Wunsch nach einem Lowtech-Gebäude, das «robuste, wartungsarme, bauliche Lösungen gegenüber technischen Lösungen vorzieht». Die teilnehmenden Planungsteams waren also angehalten, im Rahmen der Wettbewerbsbearbeitung dies «unter Berücksichtigung der örtlichen klimatischen Parameter» sicherzustellen. 

Dieses Modell von Modellbau Milde aus Berlin zeigt das Siegerprojekt und den Kontext. (Modellfoto: Ulrike Ludwig und Winfried Mateyka, Berlin)
Lageplan (© Gustav Düsing, wolff:architekten und Architekten für nachhaltiges Bauen mit emmerik garden design and research)

Am besten gelungen ist dies laut Jury der Gemeinschaft um Gustav Düsig. Die Planer*innen gestalten das bestehende Gebäude und den Garten ringsherum so um, dass ein Möglichkeitsraum entsteht und zugleich der Residenzcharakter bewahrt bleibt. Das Team bezieht sich bei seinem Entwurf auf das Prinzip des «Öko-Minimalismus», bei dem Reduktion und Ressourcenschonung entwurfsbestimmende Faktoren sind.

Doch wie funktioniert das in einer subtropischen Zone am Mittelmeer, in der sich heisse und trockene Sommer mit niederschlagsreichen Wintern abwechseln? Dem Bestandsbau wird eine neue Gebäudehülle übergestülpt. Zwischen den zwei Schichten entsteht eine klimatische Pufferzone, und es bleibt zudem Raum für neue und ergänzende Nutzungen. Die vorgehängte Metallfassade soll dabei beweglich und anpassbar sein – wie realisierbar das tatsächlich ist, sei in der Jury kontrovers diskutiert worden, heisst es. «Mit dem Ziel, Ressourcen zu schonen, berücksichtigt der Entwurf die Umweltbedingungen vor Ort, indem er jeden Funktionsbereich nach seinen klimatischen Anforderungen bewertet. Das Ergebnis ist eine ephemere Struktur, die sich bei Bedarf nach aussen hin ausdehnt und ansonsten Raum für nicht-menschliche Arten lässt», beschreiben die Architekten ihr Konzept.

Laut Jury handelt es sich um eine Arbeit, die «mit wohltuender Bescheidenheit die deutsche Residenz in Israel verkörpert und damit die Tradition der diplomatischen Vertretung dort fortsetzt». Dass die Nachhaltigkeit des Bauens bei der Neugestaltung eine zentrale Frage war, überzeugte die Jury genauso wie der vorgeschlagene Trockengarten, der eine zeit- und ortsgemässe Vegetation ohne intensive Bewässerung ermöglicht.

Platz zwei ging an das Büro Gerber Architekten aus Dortmund. (Visualisierung: © Gerber Architekten)
Umgebungsmodell von Modellbau Milde (Modellfoto: Ulrike Ludwig und Winfried Mateyka, Berlin)
Lageplan (© Gerber Architekten)

Der Beitrag des zweitplatzierten Büros Gerber Architekten, das Architektur und Landschaftsarchitektur aus einem Haus liefert, öffnet den Grundriss zur Gartenseite kammartig in fünf Kubaturen. Optisch entsteht so der Eindruck von nah beisammen stehenden Einzelhäusern, deren Proportionalität der Jury «etwas willkürlich» erschien. Interessant am Beitrag hingegen sei, dass die Eingangssituation Sichtbeziehungen zum tieferliegenden überhöhten Hauptempfangsraum und dem Garten ermöglicht. 

Der drittplatzierte Beitrag stammt von einem Team aus den Freiburger Büros Sacker Architekten und freisign Landschaftsarchitektur. Die europäische Prägung der für den Entwurf gewählten Tragstruktur in Holz-Lehm-Bauweise sei interessant, bringe jedoch eine zu ausgeprägte Rasterung mit sich, die den Gesamteindruck des Gebäudes als repräsentative Botschaftsresidenz schwäche, so die Jury. Auch merkt jene an, dass der Holzbau in Israel besondere Schutzvorkehrungen und eine intensive Wartung benötigen würde, was nicht der eingangs geschilderten Grundidee der Ausschreibung entspricht.

Rang drei erreichten Sacker Architekten, die mit dem Büro freisign Landschaftsarchitektur zusammenarbeiteten. (Visualisierung: © Sacker Architekten mit freisign Landschaftsarchitektur)
Umgebungsmodell von Modellbau Milde, Berlin (Modellfoto: Ulrike Ludwig und Winfried Mateyka, Berlin)
Lageplan (© Sacker Architekten mit freisign Landschaftsarchitektur)

Zusätzlich zu den drei Preisen sind zwei Anerkennungen ausgesprochen worden. Eine ging an ein Team aus den Berliner Büros Bundschuh Architekten und 100 Landschaftsarchitektur, die andere an LKK Lehrecke Kammerer Keiss Architekten und Beusch Landschaftsarchitekten BDLA.

Fachpreisgericht
Professor Markus Allmann (Vorsitz), allmannwappner, München
Marianne Mommsen, relais Landschaftsarchitekten, Berlin
Matthias Rammig, Transsolar, Stuttgart
Nazmi Shehadeh, Nazmi Shehadeh Architekten, Nazareth
Ramona Schwertfeger, LagerSchwertfeger, Berlin
 

Sachpreisgericht
Botschafter Steffen Seibert, Auswärtiges Amt
Christine Eichelmann, Auswärtiges Amt
Dirk Scheinemann, Abteilungsleiter B, Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
Petra Wesseler, Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung

 

Sachverständige
Kathrin Heimann, Kostensachverständige, Kemmermann Projektmanagement
Steven Damiano, Sachverständiger Nachhaltigkeit, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

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