Aus Vorfreude wird Frust: Grüningens Umfahrung kommt und kommt nicht
Manuel Pestalozzi
15. February 2023
Santiago Calatrava sieht in seinem Umfahrungsprojekt eine tief ins Gelände gesetzte Brücke über den Tobel der Mönchaltorfer Aa vor. Auf diese Weise würde die neue Strecke das Gesamtbild des historischen Städtchens nicht stört. (Modellfoto: © Calatrava Valls SA)
Eine Blechlawine von 5000 Fahrzeugen wälzt sich täglich durch Grüningen im Zürcher Oberland. Abhilfe soll ein Umfahrungsprojekt von Santiago Calatrava schaffen. Doch die Umsetzung geht nur schleppend vonstatten.
Das Interesse war gross, als Santiago Calatrava sein Projekt zur Umfahrung der historischen Kleinstadt Grüningen im Zürcher Oberland im Sommer 2018 vorstellte. Der bekannte Architekt schlug vor, den Verkehr zukünftig über eine elegante Brücke und einen Tunnel an der Gemeinde vorbei zu führen. Den als schutzwürdig eingestuften Strassendamm aus dem Jahr 1844, über den der Verkehr heute fliesst, möchte er dabei erhalten. Weil die Brücke bewusst tief ins Gelände gesetzten ist, würde sie weder das Bild des mittelalterlichen Städtchens noch den schönen Landschaftsraum rundherum beeinträchtigen.
Am grössten war die Begeisterung über den Entwurf in Grüningen selbst, das unter einem immer stärkeren Verkehrsaufkommen leidet: Oft stauen sich heute die Fahrzeuge durch die Gemeinde. Durch das Bauvorhaben könnten die Lebensqualität der Bevölkerung und die Attraktivität des «Stedtlis» erheblich gesteigert werden. Auch liesse sich der Langsamverkehr sicherer abwickeln: Auf den schmalen Strassen ist heute nur ein unzureichender Sicherheitsabstand zwischen Autos, Velos und Fussgängern möglich.
Doch nun berichtet das Portal Zürioberland24, dass sich das Projekt verzögert, was vor Ort für grossen Frust sorgt. Was ist geschehen? Der Regierungsrat beauftragte im Sommer 2021 die Baudirektion auf Antrag der Volkswirtschaftsdirektion, ein Vorprojekt auf der Basis des Vorschlags von Calatravas Büro zu erarbeiten. In dessen Rahmen sollte das Bauvorhaben weiter konkretisiert und die Bewilligungsfähigkeit vertieft abgeklärt werden. Auch die grobe Kostenschätzung von 24 Millionen Franken sollte verfeinert werden, denn der Kredit für das Projekt muss anschliessend durch den Kantonsrat und im Falle eines Referendums auch durch die Stimmbevölkerung genehmigt werden. Seither steckt das Verfahren fest. Viele Menschen, die weiter unter dem starken Verkehrsaufkommen leiden müssen, verärgert das.
«Wir sind dran», beschwichtigt der verantwortliche Projektleiter gegenüber Zürioberland24. Von der kantonalen Baudirektion heisst es weiter, das Tiefbauamt bereite die Vergabe der Vorarbeiten vor, die gemäss Submissionsverordnung ausgeschrieben werden müssten.
Warum die Umsetzung des Bauprojekts stockt, ist nicht bekannt. Zürioberland24 spekuliert, die Ursache liege in der Ausgestaltung des Architekturwettbewerbs. Ein nicht näher genannter Architekt äusserte gegenüber dem Portal die Vermutung, bei der Auslobung sei möglicherweise nicht definiert worden, ob das Siegerteam auch die Ausführung des Projekts übernehmen kann. Schon wird geunkt, Santiago Calatrava werde den Bau der Umfahrung mit einer Klage zusätzlich verzögern, wenn er sein Projekt nicht selbst umsetzen darf. Denn der Architekt ist dafür bekannt, notfalls auch mit juristischen Mitteln für seine Interessen einzutreten.
Doch Grüningens Gemeindepräsident Carlo Wiedmer beruhigt und versucht, Optimismus zu verbreiten. Er glaube immer noch daran, sagt er, dass es 2028 mit dem Bau losgehe, sofern das Budget genehmigt wird. Dass die Realisierung lange dauern wird, kommunizierten die Verantwortlichen übrigens schon 2018 deutlich. Damals wurde von einem Baubeginn frühestens im Jahr 2026 ausgegangen.