Auf Sand gebaut
Jenny Keller
14. January 2015
Die Ferienhäuser in Comporta von Manuel Aires Mateus waren an der Architekturbiennale 2010 in Venedig vertreten. Bild: Nelson Garrido
Wer sich beruflich mit (hoffentlich) guter Architektur beschäftigt, sollte auch in seinen Ferien nicht in einer 0815-Bleibe unterkommen müssen. Dieser Erfahrungsbericht soll als Inspiration dienen, um den nächsten Urlaub zu planen.
Die Region um das Naturschutzgebiet Estuário do Sado ist eine Autostunde südlich von Lissabon entfernt und ist bekannt für ihre Reisfelder, die um den mäandrierenden Sado, der Ebbe und Flut mitmacht, gedeihen. Im Herbst sieht man Gelb- und Grüntöne, wie sie ein Maler auf seiner Palette nicht besser mischen könnte.
Neben dem Reis und den vielen Flamingos und Störchen auf der Durchreise von Nord nach Süd und umgekehrt, ist es vor allem die Leere der Landschaft – so erlebt in der Nebensaison im Oktober –, die bereits erholend wirkt. Wer dazu einem Glas Wein und täglich frischem, gegrilltem Fisch mit ungewöhnlichen Reisbeilagen (Koriander, Sepia oder profan mit Tomaten) nicht abgeneigt ist, sollte weiterlesen. Der Atlantik mit seinen weissen Stränden ist nur eine Hügelkuppe entfernt und kann durch Strömungen auch spät im Jahr angenehme Temperaturen haben.
Das Naturschutzgebiet um Comporta ist einmalig. Bild: Nelson Garrido
Hier, in Comporta, befinden sich die vier Häuser mit Namen «Casas na areia» (Häuser auf Sand), mit denen der portugiesische Architekt Manuel Aires Mateus an der Architekturbiennale in Venedig 2010 vertreten war. Mateus selbst stammt aus Lissabon und ist 1963 geboren. Seit 1988 führt er mit seinem ein Jahr älteren Bruder Francisco das gemeinsame Architekturbüro in Lissabon, und die beiden bauen vor allem in Portugal. Sie lehren seit 2001 in Mendrisio.
Die reduzierten Gebäude der Brüder Mateus sind in ihrer Abstraktion viel fotografierte Ikonen geworden und reisten durch Hochglanzmagazine und Websites dieser Welt, die Architektur vor allem in Form von Bildern vermitteln. Sie geben in der Tat hübsche Bilder her, diese weissen, glatten Mauern vor blauem Atlantikhimmel. Anlässlich einer ETH-Ausstellung von 2006 wird Mateus’ Architektur folgendermassen beschrieben: «Formal sind die Bauten von Aires Mateus von einem Willen zur Abstraktion geprägt. Die Gebäude scheinen frei von Details. Die Entwürfe erkunden einfache, aber einprägsame Lösungen auf der Suche nach überraschenden räumlichen Momenten.»
Auch die Innenarchitektur von Mateus besticht durch ihre Schnörkellosigkeit. Bild: Nelson Garrido
Eine Hütte beinhaltet Schlafzimmer mit raumhohen Einbauschränken... Bild: Nelson Garrido
und Badezimmer. Bild: Nelson Garrido
Bild: Nelson Garrido
Diese räumlichen Momente kann man in Comporta am eigenen Leib erfahren, für 600 Euro am Tag in der Hochsaison oder 500 Euro in der Nebensaison. Was sehr teuer aussieht, ist es gar nicht, bieten drei der vier Häuser doch Platz für acht Personen in vier 30 Quadratmeter grossen Doppelzimmern mit Bad en suite. Vier Fahrräder, Morgenessen, zubereitet von der herzlichen und immer erzählenden Dolores (sie spricht mit einem, auch wenn man kein Wort Portugiesisch kann), tägliche Zimmerreinigung, und die Benutzung des kleinen Pools, der, um bewilligt zu werden, als Wasserreservoir für die landwirtschaftliche Nutzung eingegeben wurde, sind im Preis inbegriffen.
Die Familie Rodrigues aus Lissabon hat sich diese Anlage ursprünglich als eigenes Wochenend- und Ferienhaus von ihrem «guten Freund» Manuel Aires Mateus erstellen lassen, und beschossen, nach der medialen Aufmerksamkeit durch die Biennale, die Häuser auch zu vermieten. Schliesslich sei der Ort zu schön, um ihn nicht zu teilen, werden sie gerne zitiert. Dass die Vermietung auch wieder Geld einbringt für nächste Projekte, ist dabei ein netter Nebeneffekt – siehe Meldung zum zweiten Projekt in Comporta, «Cabanas no rio» und zum neusten Werk, der «Casa no tempo», die das Triptychon vervollständigt.
Die Casas na areia stehen auf Sand. Bild: Nelson Garrida
Im Gemeinschaftshaus mit Corianküche, Esstisch und Sofa geht man ebenfalls auf Sand. Bild: Nelson Garrida
Der Aussenraum zwischen den halbkreisförmig angeordneten Hütten ist sandig und kaum bepflanzt, und die natürliche Umgebung soll in die Häuser transportiert werden. Einfache Fischerhütten, von denen sich in der Gegend noch einige befinden, standen Pate für die vier einzelnen Häuser, die Mateus in Respekt zu der lokalen Bautradition entworfen hat. Zwei sind aus Holz und Schilfrohr, die zwei anderen aus weiss verputztem Beton, alle haben Giebeldächer aus Stroh, das vom Ufer des Sado stammt. Alle sechs Jahre wird das Stroh und Schilf ersetzt werden müssen, ein lokaler Baumeister sorgte für Konstruktion und Wissen um die alte Bautradition.
Die «Unschuld» alter lokaler Fischerhütten sei dem Architekten Pate gestanden für den ersten Entwurf für die Familie Rodrigues in Comporta, tatsächlich geht man im Gemeinschaftsraum auf Sand, wie die einfachen Fischer, die ihre Hütten aus Kostengründen ohne Bodenplatte direkt auf Sand gebaut hatten. Mateus hat unter dem Sand eine Bodenheizung installieren lassen, damit man im Winter nicht an die Füsse friert. Auch in den Schlafhäusern war ursprünglich ein Boden aus Sand vorgesehen, doch aus praktischen Gründen geht man dort nun auf Beton.
Im Gemeinschaftsraum befindet sich eine reduzierte Küchenzeile aus weissem Corian mit allen technischen Geräten, die es braucht. Davor stehen eine grosse Tafel und weisse Sofas (von Gervasoni wie die Betten). Die ausgewählten Möbel, die Soundanlage und die Hochglanzmagazine aus aller Welt kontrastieren mit der propagierten Einfachheit, gestalten aber den Aufenthalt in den Casas na areia luxuriös und stilvoll.