Transfer als Gestaltungsprinzip

Susanna Koeberle
21. November 2019
Trix und Robert Haussmann mit ihrem Lehrstück III «Störung der Form durch das Ornament» (Foto © Sabine Dreher)

Trix und Robert Haussmann sind keine Unbekannten, die Arbeit des Architekten- und Designerpaars wird auch über die Schweizer Landesgrenze hinaus geschätzt. Ihr langjähriges gemeinsames Wirken besitzt zwar eine ganz eigene Handschrift, doch bewahrten sie sich zugleich stets eine undogmatische Herangehensweise, die Brüche zulässt. Vielleicht wirken ihre unkonventionellen Entwürfe deswegen bis heute so modern. Im Zuge einer neuen Bewertung der Postmoderne findet seit einiger Zeit auch eine neue Rezeption ihres vielschichtigen und umfangreichen Werks statt. In diese Reihe gliedert sich das neuste Projekt von Design+Design ein. Die Designerin Joan Billing und der Architekt Samuel Eberli kuratieren seit mehreren Jahren die Serie «Protagonisten der Schweizer Wohnkultur», die jeweils eine Ausstellung und eine Publikation umfasst. Das Buch «Trix und Robert Haussmann» ist pünktlich zur Eröffnung der Schau, welche dieses Jahr nicht im Architekturforum Zürich (das sich momentan auf Wanderschaft befindet), sondern im Löwenbräu stattfindet, beim Verlag Scheidegger & Spiess erschienen.

Die beiden Designkenner nutzen die grosszügigen Räumlichkeiten für eine gelungene Präsentation, die einzelne Entwürfe in Szene setzt und verschiedene Architekturprojekte der Haussmanns vorstellt. Die Szenografie arbeitet mit unterschiedlichen Farben, welche den eklektischen Kosmos des kreativen Gestalterpaars in eine heutige Farbwelt übersetzt. Die grünlichen Kuben aus Schaumstoff, die eigens für die Schau angefertigt wurden, übernehmen die Terrazzo-Optik – aber eben nur das Aussehen. Dasselbe bei den Podesten, die mit Papier im Marmorlook überzogen wurden. Diese Materialfälschung, die typisch für die Arbeit von Trix und Robert Haussmann ist, geschieht hier mit einem Augenzwinkern, ganz in Haussmannscher Manier. Als Zitat eines Zitats kann es als spielerische Form der Appropriation gelesen werden. Das neue Kombinieren von Bestehendem sowie das Prinzip der Verfremdung, welche die Arbeit der beiden Raummagier wesentlich prägen, erinnern an künstlerische Praxen. 

Blick durch die Verglasungen des Windfangs der Kronenhalle Bar (1965) (Foto © Fred Waldvogel)
Kritik trifft Spiel

Die gestalterische Haltung von Trix und Robert Haussmann hat durchaus etwas Künstlerisches. Es ist eine Eigenschaft, die man vielleicht an den beiden Attributen Humor und Freiheit festmachen könnte. Diese sind eher in der Kunst vorzufinden als in den Disziplinen Design und Architektur – zumindest was die Schweiz betrifft. Dafür steht exemplarisch die Haussmannsche Wortkreation «Manierismo Critico». Der Manierismus (von italienisch «maniera») bezeichnet in der Kunstgeschichte einen Stil, der im 16. Jahrhundert auftrat und den Übergang von der Klassik zum Barock markierte. Vereinfacht gesagt ging es dabei um die Überwindung des und um Abweichung vom Bestehenden – ein Phänomen, das gerade in der Kunst immer wieder mit Manifesten kundgetan wurde. Mit dieser Grenzüberschreitung verbunden war auch das Ausloten des künstlerischen Potenzials. Diesen Terminus ergänzten die Haussmanns mit dem Adjektiv «critico», was einerseits auf das Nomen selbst zu beziehen ist wie auch auf eine allgemeine Haltung gegenüber bestehenden Normen. In ihrer Arbeit lässt sich ein Übergang von der Moderne als wegweisendem gestalterischem Konzept zu einem spielerischen und eben durchaus künstlerischen Umgang damit ablesen. 

Bevor sich das Duo 1967 als Arbeitsgemeinschaft formierte, war Robert Haussmann schon allein als Innenarchitekt und Designer tätig. Das Interieur der Kronenhalle Bar, das er 1965 als junger Mann realisierte, ist eine der bekanntesten Arbeiten des Gestalters. Der in dunklen Tönen gehaltene Raum ist ein eigenes Universum abseits der städtischen Hektik. Das Mahagoniholz und die grünen Ledersessel erinnern an traditionelle englische Herrenclubs. Die sorgfältige Ausführung, die durchdachten räumlichen Elemente sowie die hochwertigen Materialien und nicht zuletzt natürlich die Kunstwerke an der Wand tragen zur einzigartigen Atmosphäre der Bar bei. Für die Leuchten arbeitete Robert Haussmann mit den Brüdern Diego und Alberto Giacometti zusammen. Mehr zum Projekt erfahren Leser*innen im Textbeitrag von Marko Sauer in der eingangs angesprochenen Publikation.

Robert Haussmann, Unesco-Stuhl RH 304/1K, 1957/58 (Foto © Michail Lio)
Furchtloser Umgang mit Tradition

Der Innenarchitekt und Möbelgestalter Robert Haussmann und die Architektin Trix Högl (die bereits zwei Kinder aus erster Ehe hatte) hatten sich schon 1963 kennengelernt. 1967 heirateten sie und stellten im selben Jahr erstmals eine gemeinsame Arbeit aus: vier Stühle für die Aktion «Chair Fun». Die vier Entwürfe («Siamesische Zwillinge», «Choco Chair», «Maso Chair» und «Neon Chair»), die im Rahmen der Jahrestagung des Schweizerischen Werkbunds (man staune!) entstanden, zeigen schon deutlich, in welche Richtung die Reise gehen würde (zu diesem Thema gibt es im Buch einen Text von Renate Menzi). «Weniger Sachlichkeit, mehr Ironie», könnte das Motto dieser Stücke lauten. Wobei man anmerken muss, dass Trix und Robert Haussmann nicht einfach blödeln wollten, sondern eher ein Statement abgeben. Der spielerische Transfer von unterschiedlichen Bildsprachen in die Jetztzeit widerspiegelt den furchtlosen Umgang mit Tradition und konkreten Referenzen.

Ein erstes gemeinsames architektonisches Projekt war der Umbau der Galerie Maeght in Zürich. Federführend war dabei Trix Haussmann, wie sich Elisabeth Kübler erinnert. Sie war damals zusammen mit ihrem Mann Jörn Kübler Co-Direktorin des Zürcher Sitzes der Pariser Galerie. Erstmals beim Umbau der beiden Filialen der Boutique Weinberg (1969/70 das Herren-, 1970–73 dann das Damen-Geschäft) manifestierte sich der experimentelle Ansatz von Trix und Robert Haussmann. Bei weiteren Ladenlokalen (wie der Boutique Courrèges, 1970/71, und der Boutique Lanvin, 1975–77) schaffen das Motiv der Materialsimulation sowie der Einsatz von Spiegeln ein räumliches und materielles Verwirrspiel (im Buch werden diese Aspekte von Meret Ernst ausgeführt). Die Bezugnahme auf den Historismus bildet ein typisches Element, das die Haussmanns auch 1979/80 bei der Da Capo Bar im Zürcher Hauptbahnhof einsetzten. Der Umgang mit Bestand wurde mit viel Humor (wie etwa die gefakten lateinischen Inschriften) und Intelligenz in all seinen Facetten durchdekliniert, wie der Beitrag von Roland Merz aufzeigt. Weitere Beiträge beleuchten andere Entwürfe und Projekte sowie biographische Aspekte. Sehr unterhaltsam ist ein Interview von Michael Hanak mit Trix und Robert Haussmann; der O-Ton führt ihre Haltung auf anschauliche Weise vor und hat etwas Anekdotisches, das eine gewisse Leichtigkeit schafft. In der Architektur junger Gestalter*innen wird ebendiese Leichtigkeit heute wieder vermehrt spürbar. Das ist erfreulich – das Leben ist ja schon ernst genug.

Aufgang zur Da Capo Bar im Hauptbahnhof Zürich (Foto © Alfred Hablützel, Vorlass Trix und Robert Haussmann im gta Archiv der ETH Zürich)
Trix und Robert Haussmann

Trix und Robert Haussmann
Herausgegeben von Joan Billing und Samuel Eberli

23.5 x 32 cm
256 Pages
292 Illustrations
Hardcover
ISBN 9783858815613
Scheidegger & Spiess
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