Urban Mining am Basler Rheinufer
Das Büro ARS hat ein temporäres Restaurant gestaltet, das künftig während der Sommermonate am Rhein aufgebaut ist. Marco Husmann und Andreas Schneider berichten, wie sie die ästhetische Buvette aus gebrauchten Bauteilen zusammengesetzt haben.
Herr Husmann, Herr Schneider, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Marco Husmann (MH): Zum einen handelt es sich um einen saisonal genutzten Bau, der jeweils im Herbst ab- und im Frühling wieder aufgebaut wird. Er musste also auf die im Strassenverkehr zulässigen Transportmasse zerlegbar sein. Zum anderen stand am Bauplatz bereits über zehn Jahre eine etablierte Buvette mit architektonischer und gastronomischer Qualität. Unser Projekt sollte diesem Erbe gerecht werden und dennoch ein neues Erlebnis schaffen, das im Quartier und bei den Gästen auf Akzeptanz stösst.
Andreas Schneider (AS): Wir wollten aufzeigen, dass das gesamte Baumaterial für die Buvette in der Stadt aufzufinden ist. Die Konzeption der neuen Buvette basiert auf den Ansätzen von Urban Mining und Re-Use. Zum Bau der Buvette wurden ausschliesslich wiederverwendete Baumaterialien von rückgebauten Gebäuden verwendet. Als Grundkonstruktion diente die Buvette, die zuvor am Bauplatz stand. Ausgefacht und verkleidet wurde unser Bauwerk unter anderem mit Altholz aus dem Basel Pavillon, einem temporären Gebäude, das im Rahmen der Architekturwoche Basel im vorigen Jahr auf dem Dreispitz-Areal entstand. Und auch sowohl die Betriebseinrichtung als auch die Möblierung stammen aus wiederverwerteten Beständen.
MH: Nahe des Basler Stadtzentrums und der Kaserne bildet dieser Ort einen bereits seit Jahren beliebten Treffpunkt. Er liegt am Rheinufer in der Verlängerung der Flucht der Florastrasse. Um diese Dynamik nicht zu unterbrechen und dem Ort trotzdem Halt zu geben, umfassen ihn neu zwei gegenüberliegende und mit einer langen Sitzbank verbundene Volumina. Dazwischen entsteht ein lauschiger Zwischenraum. Durch die unterschiedliche Dimensionierung der Volumina erweitert sich der Blickwinkel für die Gäste flussaufwärts Richtung Mittlere Brücke und auch die Silhouette der Grossbasler Altstadt ist zu sehen.
AS: Die Standorte für die Buvetten werden alle zehn Jahre vom Kanton öffentlich ausgeschrieben. In einem selektiven Verfahren wählt eine Auslobungskommission bestehend aus Verwaltung, Anwohner*innen und Quartiervereinen aus einer Vielzahl eingereichter Konzepte aus. Die Basler Wyniger Gruppe lud uns ein, mit ihr zusammen das Siegerprojekt zu entwickeln.
MH: Sowohl die externen als auch die internen Ansprüche, die an dieses vergleichsweise kleine Projekt gestellt werden, sind umfangreich: Der Standort liegt auf öffentlichem Grund und hat, wie erwähnt, eine Historie. Darauf reagiert unser Entwurf, indem er sichtbare oder denkbare Bezüge zu seiner Umgebung schafft – farblich, materiell, emotional – und dabei nicht den Anspruch hat, die Aufmerksamkeit unnötig auf sich zu ziehen.
AS: Die beiden jungen Gastronomen, die die Buvette heute betreiben, waren von Anfang an stark involviert. Die Entwicklung und Abstimmung des gastronomischen Angebots und des architektonischen Entwurfs verliefen Hand in Hand.
MH: Zunächst wollten wir Schwemmholz aus dem Rhein fischen und verbauen. Da Schwemmholz allerdings nur bei Hochwasser anfällt und meist schon im Flusskraftwerk rheinaufwärts hängen bleibt, verwarfen wir diese Idee und verwendeten stattdessen lieber das Holz des Basel Pavillons.
Weiter war unsere Grundidee, dass wir die beiden bestehenden Buvetten übernehmen wollen. Diese konnten wir von der vorherigen Betreiberschaft übernehmen. Die Nutzung des Vorgängerbaus inklusive aller Verkleidungen, Ausbau- und Küchenelemente war die Erfolgsgrundlage für unser Re-Use-Konzept. Unsere Anlage besteht zu 85 Prozent aus wiederverwendeten Teilen. Passend dazu basiert das gastronomische Angebot unter anderem auf Nahrungsmitteln, die vor der Entsorgung gerettet werden.
MH: Das Projekt eignete sich aufgrund seiner Grösse und Beschaffenheit nicht für komplexe digitale Instrumente. Im Gegenteil: In einer grossen Produktionshalle schweissten und zimmerten ein Dutzend Handwerker die gesammelten Materialien zusammen, und wir lösten die auftretenden konstruktiven und gestalterischen Herausforderungen interdisziplinär am physischen Objekt – man könnte wohl von einer anlogen Variante der BIM-Methode sprechen.
AS: Unser Ziel war, dass das Projekt in Bau und Betrieb gänzlich klimaneutral ist. Wiederverwendete Materialien sind – Transport und Verarbeitung ausgenommen – per se klimaneutral.
AS: Kein Architekturbüro kann sich dem entziehen. Wenn wir heute an ein bestehendes Objekt herantreten, fragen wir uns zuerst: Wie können wir die vorhandene Substanz nutzen? Und dann wägen wir ab, ob die funktionalen Ziele des Raumprogramms tatsächlich einen Rückbau rechtfertigen.
Buvette 7 – Flora am Rhy
Standort
Unterer Rheinweg 42-44, Höhe Florastrasse, 4058 Basel
Nutzung
Buvette (Eine Buvette ist ein temporäres Restaurant mit eingeschränktem gastronomischen Angebot und ohne Innensitzplätze, das nur saisonal betrieben wird.)
Auftragsart
Direktauftrag
Bauherrschaft
Tisch77 AG der Wyniger-Gruppe, Basel
Architektur
ARS Architektur AG, Helsinki-Strasse 7, Münchenstein
Fertigstellung
2023
Gesamtkosten BKP 1–9
CHF 0.3 Mio.
Gebäudekosten BKP 2
CHF 0.15 Mio
Gebäudevolumen
75 m3 (SIA 416)
Kubikmeterpreis
2000 CHF/m3
Energiestandard
Reiner Sommerbetrieb; PV-Anlage auf dem Dach zur Deckung des Energiebedarfs für den Betrieb
Massgeblich beteiligte Unternehmer
Metall- und Holzbau, Malerarbeiten: Stamm Bau AG, Arlesheim
Dachabdichtung: Peressini Roofing AG, Grellingen
Elektrotechnische Installationen: Etavis AG, Basel
Photovoltaikanlage: Planeco AG, Basel
Sanitäre Installationen: Tschantré AG, Muttenz
Lüftungsanlagen: Riggenbach AG, Pratteln
Schreiner- und Malerarbeiten: Bürgerspital Basel
Schliessanlage: Ats AG, Allschwil
Gastronomieeinrichtung: KBZ Gastronomie-Einrichtungs AG, Pratteln
Fotos
Roman Weyeneth, Toni Glauser, beide Basel, und ARS Architektur, Münchenstein