Niedermann Sigg Schwendener Architekten

Autor:
Juho Nyberg
Veröffentlicht am
Juni 27, 2013

Das 2005 gegründete Zürcher Büro Niedermann Sigg Schwendener Architekten hat sich besonders im Bereich von Schul- und Sportbauten wie auch bei Alters- und Pflegeheimen einen Namen gemacht. Im Gespräch mit Juho Nyberg erörtern Philipp Sigg und Thomas Schwendener, mit welchen Ansätzen sie diesen aktuellen Herausforderungen, die eine ganze Architektengeneration zu beschäftigen scheinen, begegnen und welche Schwerpunkte sie bei ihren Entwürfen verfolgen.

Gesellschaftliche Entwicklungen und Themen finden auf verschiedene Art ihren Ausdruck. Politik und Presse bringen Themen einem breiten Publikum ins Bewusstsein, es werden Debatten geführt und Lösungsansätze entwickelt. Abseits von der gut beleuchteten Bühne der Öffentlichkeit beeinflussen bestimmte solcher Themen auch das Metier der Architektur. So führen etwa Veränderungen im Schulbetrieb zum Bedürfnis nach neuen Raumordnungen, Cluster und Gruppenräume sind architektonischer Ausdruck einer sich wandelnden Pädagogik.
Ähnlich verhält es sich am anderen Ende der Alterspyramide: Die zunehmende Überalterung unserer Gesellschaft zwingt uns zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit Menschen und ihren Bedürfnissen im letzten Lebensabschnitt (der heute deutlich länger dauert als noch vor ein paar Dekaden).
Beziehungen komponieren: Das durchlässige Erdgeschoss des Pflegezentrums Bombach, Zürich 
Schulhäuser und verschiedene «altersgerechte» Wohnformen machen einen bedeutenden Teil des aktuellen Wettbewerbswesens der Schweiz aus. Somit stellt sich einem Architekturbüro, das sich primär über Wettbewerbe auf dem Markt positionieren will, gar nicht so sehr die Frage nach eventuellen Vorlieben. Vielmehr wird die Spezialisierung auf bestimmte Themen vorgegeben und so entstehen generationenweise spezialisierte Architekten. Gegenwärtig ergänzt wird die Fragestellung der Architektur durch den Umstand, dass eine Vielzahl der fraglichen Objekte in ihrem Lebenszyklus an den Punkt einer grundlegenden Erneuerung gekommen sind. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit bestehen viele Aufgaben aus einer Kombination von Neu und Alt. Hierbei ergibt sich die Frage nach der Art der Fortschreibung von selbst.

Konzept versus Empfindung
Bei der Analyse der jeweiligen Aufgaben und bestehenden Gebäude stossen Niedermann Sigg Schwendener Architekten auf die unterschiedlichsten Herangehensweisen ihrer Vorgänger. Die Bewertung des Bestandes aus heutiger Sicht ist Ausganspunkt ihrer Entwurfsarbeit und der Weiterentwicklung. Dabei stellen sie den Anspruch an sich selbst, dass ihre Art des Fortschreibens der Geschichte für Dritte lesbar sein muss. Es sollen keine «divenhaften», für sich selbst sprechenden Objekte entstehen. Die Architekten machen sich auf die Suche nach dem Nicht-Vergänglichen sowohl in der Formgebung als auch in der Materialität. Im Spannungsfeld Konzept versus Empfindung gilt es die richtige Mischung auszumachen und zu erkennen, welche Aufgaben bereits von ihren Vorgängern in auch aus heutiger Sicht bestmöglicher Weise gelöst worden sind. Diese tadellosen Lösungen sind zumeist in der Struktur der Gebäude zu finden, die intelligent geplant worden sind und sich ohne Mühe den gewandelten Ansprüchen anpassen lassen.
With a twist: Die Parkettböden der Zimmer im Pflegezentrum Bombach, Zürich 
Neutralität und Ornamentik
Im Gegensatz dazu sind Oberflächen stärker Tendenzen und Moden unterworfen, und eine Sanierung bietet Gelegenheit, einen Bau mit Hilfe der Materialisierung in die Gegenwart zu transferieren. Auch auf diesem Feld fühlen sich Niedermann Sigg Schwendener Architekten der Tradition verpflichtet und suchen nach Möglichkeiten, traditionelle Materialien modern zu interpretieren. Doch gerade in Bauten wie Pflegeheimen und Schulhäusern ist die Beanspruchung der Oberflächen besonders gross. So erhält der Aspekt der Dauerhaftigkeit ein besonderes Gewicht. In den Augen der Architekten führt die Dauerhaftigkeit jedoch fast zwangsläufig zu einer gewissen Neutralität der Materialien. Dieser begegnen sie mit behutsam entwickelten formalen und materiellen Kompositionen, die man auch als Ornamentik bezeichnen könnte.

Beim sanierten Pflegezentrum Bombach in Zürich lässt sich diese Vorgehensweise an zwei Beispielen besonders gut erkennen: Im gläsernen Erdgeschoss vermählen sich Innen- und Aussenraum durch die identische Teilung und materielle Verwandtschaft von Terrazzo (innen) und gestocktem Beton (aussen) und unterstreichen so den Bezug der Cafeteria mit der Aussenanlage. In den oberen Geschossen unterscheidet sich der Eichenparkett in Korridoren und Zimmern nur durch einen feinen Unterschied in der Verlegeart, der erst auf den zweiten Blick offenbar wird. Durch diese subtile Geste werden die Zimmer gegenüber dem Korridor in ihrer Qualität erhöht.
Ein neuer Mittelpunkt für die Schulanlage in Beringen SH. 
Räumliche Verschränkungen
Dass ihr Vokabular weit über das Schaffen von materiellen Verschränkungen hinausgeht, belegen die Architekten mit der Erweiterung des Oberstufenschulhauses in Beringen (SH), das sich derzeit im Bau befindet. Das Siegerprojekt des Wettbewerbs von Niedermann Sigg Schwendener ergänzt die bereits mehrfach erweiterte Schulanlage aus unterschiedlichen Epochen mit einem kompakten, in gestocktem Kalksteinbeton materialisierten Bau. Dieser bildet zugleich ein neues Zentrum der heterogenen und auf verschiedene Seiten ausgreifenden Anlage.

Der nach aussen sichtbare vertikale Versatz, der dank der Hanglage zum Ausdruck kommt, findet im Inneren eine subtile Entsprechung in den beiden doppelgeschossigen Gruppenräumen, die im Schnitt zusammen mit dem zentralen Vorplatz eine fliessende Raumfigur bilden und die verschiedenen Ebenen zueinander in Beziehung setzen. Hier wiederholt sich das Spiel der Verschränkung – aber mit den Mitteln der Verknüpfung von Räumen unterschiedlicher Höhe. Die Vorfreude der Architekten auf diese Raumfolgen lässt sich auch aus dem Baustellenfoto ablesen, in dem mit dem nach oben gerichteten Blick die Neugier spürbar ist.
Schon im Rohbau sind die Raumbeziehungen sichtbar. 
Neue Herausforderungen
Die Herausforderung einer städtebaulichen Verschränkung stellt sich bei der genossenschaftlichen Wohnüberbauung Törlenmatt in Hausen am Albis. Die Struktur des Dorfes, das ein Riegelhaus in seinem Wappen trägt, ist eher zerfranst, das Zentrum bildet ein Platz vor der Post und dem «Löwen». Vom Postgebäude verdeckt, liegt die Parzelle in westlicher Richtung zwischen Dorfplatz und Landwirtschaftszone.
Nur scheinbar ungeordnet: Wohnüberbauung Törlenmatt in Hausen a/A. 
Die Siedlung soll als gewachsene Struktur wahrgenommen werden und so einen Bezug zum über lange Zeit entstandenen Ortsbild schaffen. Die Anbindung zum Ort erfolgt über den Kopfbau am Ostende der Siedlung. Mit der darin untergebrachten Kinderkrippe und dem Kaffee vermittelt er zwischen der Öffentlichkeit des Dorfplatzes und der Privatheit der Wohnbauten. Letztere sind auf den ersten Blick frei angeordnet, folgen aber bei genauerer Betrachtung einer stringenten Logik, die auch die Freiräume zwischen den Häusern ordnet und diese zueinander in Beziehung setzt: Jeweils drei der in zwei Reihen angeordneten Häuser spannen ein Feld auf, das vom gegenläufig verlaufenden Wegnetz durchdrungen wird wie zwei kaleidoskopisch ineinander greifende geometrische Figuren. Der Aussenraum erscheint als Abfolge von engeren und weiteren Plätzen, die zwanglos ineinander übergehen und so als Interpretation des weitgehend ungeplant entstandenen Strassen- und Platzraumes eines Dorfes verstanden wird.
Steinsockel und Holzläden zitieren die örtliche Tradition. 
Formal galt es, den Widerspruch von dörflichen Bauten und dem architektonischen Anspruch an ein Mehrfamilienhaus zu überwinden. Ein «übliches» Mehrfamilienhaus im ländlichen Kontext sieht häufig aus wie ein aufgeblähtes Bauernhäuschen. Da zu guter Letzt auch noch das Dachgeschoss als Wohnraum genutzt werden muss, wird der obligate Balkon zumeist aus der Dachfläche ausgeschnitten, was den letzten Rest formaler Verwandtschaft zu traditionellen, lokalen Wohnbauten verwischt.

Das zulässige Bauvolumen sollte jedoch so weit als möglich ausgeschöpft werden. Die Architekten entschieden sich für moderne Flachdachbauten, um auch das Attika in angemessener Form als Wohnung gestalten zu können. An die Stelle anbiedernder Giebeldächer tritt in ihrem Entwurf das Zitieren ortsüblicher Materialien. Steinerne Sockel und hölzerne Faltläden greifen traditionelle Strukturen auf. Die überraschende, abwechslungsreiche Geometrie der Häuser erinnert an das Aneinander- und Weiterbauen von Bauernhöfen, wo jeweils mit dem Wachsen des Betriebes nach Bedarf eine Scheune oder ein Unterstand angefügt wurde.

Die architektonische Herausforderung der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen haben Niedermann Sigg Schwendener Architekten angenommen. Gelassenheit in der Analyse des Ortes und der Begegnung der
gestellten Aufgabe lassen Lösungen und Entwürfe entstehen, denen trotz Individualität Gemeinsamkeiten anzusehen, manchmal auch nur zu spüren sind. jn
 
Niedermann Sigg Schwendener Architekten AG
Grüngasse 19, 8004 Zürich
T 043 433 22 33
info@nusus.ch
zum Büroprofil
 
Niedermann Sigg Schwendener Architekten AG wurde 2005 gegründet. Die Schwerpunkte des Schaffens der Architekten liegen in den Bereichen Wohnen, Schule und Sport sowie Alter und Pflege. Derzeit beschäftigt das Büro insgesamt elf Architektinnen und Architekten.