Werkerweiterung Fensterfabrik
Eine Fabrik will ins grüne Feld wachsen. Das Volk bewilligt das Bauvorhaben und die Landschaft erstrahlt in neuem Glanz. Das ist kein Märchen, sondern die Geschichte der beispielhaften Zusammenarbeit der Architekten Graber & Steiger mit dem Landschaftsarchitekten Stefan Koepfli. Sie zeigen mit der Erweiterung der Fensterfabrik Baumgartner, wie elegant Industrie in der Landschaft sein kann.
Fotos: Dominique Marc Wehrli
Wenn Stefan Koepfli vom Lorzegebiet bei Hagendorn spricht, gerät er ins Schwärmen. Es sei eine ruhevolle Flusslandschaft mit ausgedehnten Feldfluren und sanften Hügelzügen. Waldränder, Hecken und Entwässerungsgräben gliedern die weite Fläche in überschaubare Felder und weisen auf die mühevolle Urbarmachung des einstigen Moorgebietes hin. An der Schnittstelle zum Siedlungsraum, von Feld und Wald flankiert, liegt die Baumgartner Fensterfabrik. Es ist ein typischer Achtzigerjahrebau mit Giebeldächern und Eternitverkleidung.
Die Idee des Familienbetriebs, die Fabrik in den geschützten Landschaftsraum hinein zu erweitern, schien von vornherein zum Scheitern verurteilt. Doch die Gemeinde Cham unterstützte das Projekt und veranstaltete einen Wettbewerb unter fünf Teams aus Architekten und Landschaftsarchitekten. Die Studie sollte zeigen, ob eine 1,8 Hektaren grosse Erweiterung in den Landschaftsraum verträglich wäre und in welcher Form betriebliche und landschaftliche Anforderungen zur Deckung gebracht werden könnten. Das Projekt von Graber & Steiger schlug sämtliche Bedenken der Gemeinde in den Wind und wurde später mit einem überwältigenden Stimmenmehr von über 80 Prozent angenommen. Soweit die Vorgeschichte.
Facettenreiche Architektur
Bereits beim ersten Blick vom nahe gelegenen Hügel spürt man die kraftvolle Ausstrahlung des Neubaus: Das schlanke Fachwerkdach – von der Grösse dreier Fussballfelder – greift schwebend ins weite Feld hinaus und führt Land schaft und Siedlungsrand in einer grosszügigen Geste zusammen. Der Bau erinnert an Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie. Wie auch Mies’ Spätwerk ist die Halle quadratisch und ein Stahlbau mit auskragendem Flachdach. Doch sind es nicht nur diese Gemeinsamkeiten, auf der die assoziative Wirkung beruht: Auch die Proportionen und die Angemessenheit der Mittel verleihen dem Bau Eleganz und eine starke Präsenz. An diesem Ort zu bauen, hiess für die Architekten und den Landschaftsarchitekten, einfühlsam, aber direkt zu sein. Die Eingriffe in den Landschaftsraum sollten klar erkennbar bleiben. «Im Wesen des Baus – nicht nur in seinem Erscheinungsbild – steckt die Landschaft», erklärt Niklaus Graber.
In Analogie an die ortstypischen Hecken schmiegt sich eine filigrane Vegetationswand um das Gebäude. Die Rahmenkonstruktion aus Holz- und Metallelementen ist mit einheimischen Wildpflanzen bewachsen und an zwei Stellen zu einem grossen Landschaftsfenster aufgelöst. Im Raum zwischen Hecke und Bau entsteht ein Ort des gedämpften Lichts und der gedämpften Akustik, der wie das Innere eines Waldes weder aussen noch innen zu sein scheint, sondern beides zugleich. Es ist eine Schwelle, die vermittelnd wirkt, zwischen Landschaft und Fabrik, aber auch zwischen der facettenreichen Architektur. Aus der Nähe betrachtet wird die filigrane Halle zur standfesten Produktionsstätte und die schwebende Eleganz des Baus im Konkreten verankert. Die Detaillierung ist sorgfältig, aber nicht prätentiös. Die Verglasungen der Schiebetore sind von aussen bündig in die schwarze Stahlrahmenkonstruktion eingepasst, doch die Schrauben weder versteckt, noch gestrichen. Auf rohe Lärchenholzpfosten verschraubte Polykarbonatwaben erinnern an überdimensioniertes Verpackungsmaterial und an zerbrechliche Fracht.
Wiese auf dem Dach
Im Dialog mit dem Ort liegt die Kraft des Gebäudes. Als verbindendes und scheidendes Element zugleich kommt dem Dach dabei die tragende Rolle zu: Im Schutz des Dachs entfaltet sich die Industrie. Über die Dachfläche hinweg, wo die ursprüngliche Riedwiese auf dem Baugrund zu neuem Leben erweckt wurde, breitet sich die Landschaft aus. Den Gestaltern gelingt es mit ihrem Bau, das Wesen des kraftvollen Ortes durch eine Industriehalle zu komplettieren. Sie rücken das Thema Industriebau in landschaftlichen Gebieten in ein neues Licht, das hoffentlich auch auf andere vermeintliche Unorte abstrahlen wird. Sonja Lüthi
»Die Besten 06«
Hase in Silber
Architektur
Werkerweiterung Fensterfabrik
G. Baumgartner
2006
Hagendorn
Bauherrschaft
G. Baumgartner
Hagendorn
Architektur
Niklaus Graber
Christoph Steiger
Luzern
Landschaftsarchitektur
Koepfli Partner
Luzern
Auftragsart
Wettbewerb auf Einladung
2001
Gesamtkosten
(BKP 1–9)
CHF 40 Mio.
(ohne Produktionsanlagen)