Zwischen Tradition und Innovation: Eine neue Siedlung für Bandrefam
Elias Baumgarten
14. März 2024
Visualisierung: © Degelo Architekten und Manuel Herz Architekten
Gemeinsam verwirklichen Manuel Herz und Heinrich Degelo eine Siedlung im Westen Kameruns. Gestaltet wurde die Anlage mit den Menschen vor Ort, gebaut wird sie ausschliesslich von Einheimischen.
Das Königreich Bandrefam liegt etwa 300 Kilometer von der Hauptstadt Yaoundé entfernt in Kamerun. Die Region im Westen des zentralafrikanischen Landes verfügt über eine bezaubernde Naturlandschaft und eine grosse kulturelle Vielfalt. Doch es gestaltet sich zusehends schwierig, eine sichere Versorgung der wachsenden Bevölkerung mit Nahrung zu gewährleisten. Das Königreich leidet unter Umweltzerstörung und begrenzten wirtschaftlichen Möglichkeiten, die Böden sind teils degradiert. So bringen traditionelle landwirtschaftliche Methoden trotz des eigentlich günstigen tropischen Klimas keine ausreichend grossen Ernten mehr ein.
Die Schweizer Wohltätigkeitsorganisation Shya Lou, die von Persönlichkeiten aus der Region mitbegründet wurde, möchte Gegensteuer geben und den Menschen helfen, sich nachhaltig selbst zu versorgen. Darum entsteht zurzeit eine beispielhafte landwirtschaftliche Siedlung in Bandrefam. Sie soll das Zentrum einer Permakultur sein. Mit ihr werden nachhaltige Anbaumethoden eingeführt, die auf natürlichen Ökosystemen beruhen, die Biodiversität fördern und gleichzeitig Ressourcen effizient nutzen.
Entworfen wurde die Anlage von den beiden in Basel ansässigen Architekten Manuel Herz und Heinrich Degelo gemeinsam mit den Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern: Die Menschen waren zu mehreren Workshops und Konsultationen eingeladen, an denen auch der König teilnahm. Gebaut wird die neue Siedlung ausschliesslich von einheimischen Bauarbeitern und Handwerkerinnen.
Die Bauarbeiten haben voriges Jahr mit den beiden Wassertürmen begonnen. Im Jahr 2025 soll die Siedlung fertig sein. (Visualisierung: © Degelo Architekten und Manuel Herz Architekten)
Dass die beiden Architekten bei dem Projekt zusammenarbeiten, fügt sich gut: Manuel Herz, bekannt auch für seine wunderbare Synagoge von Babyn Yar in der Ukraine, hat bereits viel Erfahrung mit Bauprojekten in Afrika gesammelt. Zum Beispiel realisierte er ein Krankenhaus im senegalesischen Tambacounda. Ausserdem gestaltete er den «Pavillon of the Western Sahara» für die Architekturbiennale von Venedig des Jahres 2016. Heinrich Degelo wiederum liegt das umweltfreundliche Bauen mit einem Lowtech-Ansatz am Herzen. Das hat er zum Beispiel mit einem Wohn- und Atelierhaus in Basel bewiesen, das ganz ohne Heizung auskommt. Die Anlage der beiden in Kamerun besteht aus Ställen, Wassertürmen, einem Gemeinschaftszentrum mit Konferenzraum, einer Gemeinschaftsküche und Gästehäusern.
Gebaut wird aus Lehm, dem bambusähnlichen Raffia und Stroh – wie es in der Gegend Tradition ist. Zement kommt nicht zum Einsatz. Auch typologisch greifen die Neubauten die regionale Architektursprache auf: Es entstehen Hofhäuser mit Veranden und steilen Dächern. Das ist ideal für das tropische Klima, geprägt von schwüler Hitze und heftigen Regenfällen.
Die neue Siedlung befindet sich in hügeligem Terrain. Die ringförmigen Hofhäuser mit steilen Dächern greifen die regionale Bautradition auf. Sie bestehen aus den Naturbaustoffen Lehm, Raffia und Stroh. (Modellfoto: © Degelo Architekten und Manuel Herz Architekten)
Gemeinschaftszentrum und Gästehäuser haben jeweils einen kreisförmigen Fussabdruck und ringförmige Giebeldächer unterschiedlicher Neigung. Räume wie die Küche, die Gästezimmer oder der Versammlungsraum sind als rechtwinklige Volumina unter der Dachkonstruktion angeordnet. Die offene Mitte ist einerseits eine Referenz an den Aufbau traditioneller Dörfer und kann den Menschen als Versammlungsort dienen, andererseits ermöglicht sie eine effiziente Querlüftung der Räume. Letzteres sorgt mit für ein behagliches Raumklima.
Begonnen haben die Bauarbeiten voriges Jahr mit den beiden Wassertürmen für die Trinkwasserversorgung. Einer entsteht neu aus Lehmziegeln, die mit Pflanzenfasern verstärkt sind. Er schraubt sich spiralförmig in die Höhe. Für den anderen wird eine schon vorhandene Struktur wiederverwendet. Das Architekturprojekt soll vor Ort die Gemeinschaft weiter stärken und den Menschen eine bessere Perspektive verschaffen. Langfristig wird es mit weiteren Vorhaben in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Solarenergie und Trinkwasserversorgung sowie sanitären Einrichtungen kombiniert werden.