Zwei Unternehmen, ein Kreis: Auch so kann Design sein

Susanna Koeberle
29. August 2021
Den Sessel «Ensō» gibt es in verschiedenen Ausführungen. Er eignet sich für den Aussen- wie auch für den Innenraum. (Foto: Lorenz Cugini)

Die Firma Lehni gehört zu den wichtigen historischen Designmanufakturen der Schweiz; sie reflektiert zugleich ein Stück Schweizer Designgeschichte. 1922 als Bauspenglerei im Zentrum von Zürich durch Rudolf Lehni senior gegründet, erfuhr Lehni durch den Generationenwechsel einen Wandel. Eine wichtige Zusammenarbeit, welche die heutige Kollektion noch stark prägt, ist diejenige mit dem Künstler und Designer Andreas Christen. Das bekannte Aluminiumregal aus 1964 zum Beispiel ist bis jetzt ein Bestseller des Unternehmens und eine Ikone des Schweizer Designs. Christens geradlinige Entwürfe charakterisieren die Identität der Kollektion, auch wenn die Liste der Designer mittlerweile länger geworden ist. Zu den Designern, die regelmässig für Lehni Entwürfe beigesteuert haben, gehört auch Frédéric Dedelley

Als er 2019 angefragt wurde, sich zu einer neuen Möbel-Typologie Gedanken zu machen, analysierte er in einem ersten Schritt den Bestand. Das ist angesichts der Fülle von Produkten, die jährlich neu auf den Markt kommen, schon einmal ein lobenswerter Reflex. Wenn etwas Neues, dann sollte das Stück auch etwas über die Haltung dieser Marke aussagen, war eine der Ausgangsüberlegungen von Dedelley. Nachhaltigkeit ist ein grosses Wort, mit dem man vorsichtig umgehen sollte. Allerdings gibt es auch Firmen wie Lehni, bei denen der Nachhaltigkeits-Grundsatz Teil der Identität ist, ohne dass sie sich das auf die Fahne schreiben würden. Langlebige Produkte herzustellen, gehört zu den effizientesten Strategien gegen Massenkonsum und übermässigen Ressourcenverbrauch.

Der Sessel vereint Geradlinigkeit und Sinnlichkeit. Und er steht für ein Design, das auch an zukünftige Generationen denkt. (Foto: Lorenz Cugini)

Dedelley gelangte zum Schluss, dass die Typologie der Sitzmöbel bei Lehni ausbaufähig war. Und er liess sich für seinen Sessel von einem Christen-Stück inspirieren. Allerdings ohne aus den Augen zu verlieren, dass der Entwurf auch einen Mehrwert darstellen sollte. So sollte der Sessel im Gegensatz zum Modell von Christen stapelbar sein und sich auch (oder vor allem) für den Aussenbereich eignen. 

Die Aluminiumverarbeitung gehört zu den Kernkompetenzen der Firma, deren Sitz in Dübendorf übrigens von Ernst Gisel entworfen wurde. Die sogenannte «Stierli-Maschine», mit der die Aluminiumprofile gebogen werden, faszinierte den Designer besonders. Diese Einschränkung im Produktionsprozess legte er sich quasi selber auf, denn er wollte mit dem Vorhandenen arbeiten. Um den eher strengen Charakter der bestehenden Christen-Sitzmöbel aufzulockern, hatte Dedelley die Idee, das Element Textil zu integrieren. Doch gerade das Textilbusiness ist nicht besonders bekannt für Nachhaltigkeit, was die Suche nach einem geeigneten Partner wiederum einschränkte – nicht immer die schlechteste Voraussetzung, um fündig zu werden. Die überschaubare Szene der Schweiz hat manchmal auch den Vorteil, dass Designschaffende einander kennen. 

Einfache Verarbeitung von Aluminiumprofilen mit der Biegemaschine (Foto: Lorenz Cugini)

Christian Kägi, Mitbegründer des jungen Taschenlabels Qwstion, ist ein umtriebiger Gestalter. Das von Qwstion entwickelte Textil Bananatex ist vollständig biologisch abbaubar und besteht aus Fasern von nachhaltig angebauten Bananenpflanzen. Es ist zudem wetterfest und stabil. Damit schien Qwstion der perfekte Match für diese Zusammenarbeit zu sein, auch was die gemeinsame Haltung gegenüber Design betrifft – Nachhaltigkeit verbindet eben auch. Die Idee des kreislauffähigen Sessels nahm immer konkretere Formen an. Das für den Entwurf verwendete Aluminium besteht aus recycelten Resten, die während der Produktion entstehen, und das Textil aus einem nachwachsenden Naturmaterial, das abbaubar ist. Nicht nur gestalterisch konnte Kägi zur Verfeinerung des Entwurfs beitragen, die gegenseitige Befruchtung zwischen Qwstion und Lehni, Kägi und Dedelley ist auch ein Versuch, Synergien auf der Ebene der Zielgruppe zu finden. Während das trendige und dynamische Taschenlabel eher jüngere Personen anspricht, ist Lehni tendenziell etwas für Designkenner der alten Garde – das ist nicht wertend gemeint. Frédéric Dedelleys Démarche ist vermittelnder und kommunikativer Art. Womit sich der Kreis auch auf der Verbraucher*innen-Ebene schliesst. Ensō ist ein stimmiger und facettenreicher Entwurf, der zeigt, was Design alles kann.

Eine fruchtbare Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen: Frédéric Dedelley und Christian Kägi anlässlich der Lancierung des Produkts Anfang Juli in der Manufaktur von Lehni (Architektur: Ernst Gisel). (Foto: Antonio Monaci)

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