Wer erkennt Le Corbusier?
Manuel Pestalozzi
8. Mai 2017
Bild: Philipp Zinniker
Welch ein Demiurg! Gravierer, Architekt, Erfinder, Maler – und Dichter! Ja, Le Corbusier hat auch ein kleines literarisches Werk hinterlassen. Anlass genug, um in Bern einen Tanz aufzuführen.
Hinter der Aufführung in den Vidmarhallen steht Yu-Min Yang aus Taipeh. Der Mann aus Taiwan ist seit 2010 Mitglied der Tanzkompanie des Konzert Theater Bern. Seine Inspirationsquelle ist «Le poème de l'angle droit». Unter diesem Titel veröffentlichte Le Corbusier eine Folge von Lithografien und Gedichten die zwischen 1947 und 1953 entstanden, wie die NZZ zu berichten weiss. Der rechte Winkel, eine Aufforderung zum Tanz? Für Yang keine Frage: Sein Ballettabend befasst sich mit einzelnen Themen aus dem Werk. Ein wiederkehrendes Element sind die Frauen. Zu ihnen soll Le Corbusier nicht das einfachste Verhältnis gehabt haben. Yang will das in seiner Choreografie sichtbar machen.
Der Ballettabend hatte Ende April seine Uraufführung. Michael Feller, der Kulturedaktor der Berner Zeitung, zeigte sich nicht begeistert. Der goldene Schnitt verleite nicht automatisch zum goldigen Tanzschritt, schreibt er in seinem Artikel. Auf den Modulor wollte Bühnenbildner Till Kuhnert nicht verzichten. Le Corbusiers Idealmasse sind in einem «Gestänge» angedeutet, eine Decke schwebt 2,26 Meter über dem Tanzboden. Darunter bewege sich das Ensemble in einem stets kleiner werdenden Lichtrechteck. Dabei komme die Sinnlichkeit zur kurz, moniert der Kritiker und meint dazu: «Das Sinnliche kämpft gegen das Sachliche, ein essenzielles Problem der Architektur.» Bis am 30. Juni ist der Ballettabend noch sechs mal zu geniessen.